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Istanbul: Ulmer Journalistin teilt sich mit Sohn (2) und 24 Frauen eine Zelle

Die deutsche Journalistin Mesale Tolu wurde in Istanbul verhaftet. Seit Mai sitzt sie mit ihrem zweijährigen Sohn ohne Anklage im Gefängnis.

Am 1. Mai stürmten Polizisten ihre Wohnung in Istanbul. Seitdem sitzt die in Ulm geborene Übersetzerin und Journalistin Mesale Tolu in einem Frauengefängnis. Ihr wird vorgeworfen, Mitglied einer Terrororganisation zu sein und Terrorpropaganda betrieben zu haben. Eine Anklageschrift bekam sie nie zu Gesicht. 

Kein Spielzeug, keine Windeln

Zwei Wochen nach ihrer gewaltsamen Festnahme durfte ihr zweijähriger Sohn Serkan sie besuchen und bei ihr bleiben. Baki Selcuk, Sprecher des Solidaritätskreises "Freiheit für Meşale Tolu", sagte laut "Augsburger Allgemeine", dass die beiden sich eine Zelle mit 24 Frauen teilen müssen.

Essen müsse das Kind, was die Gefängnisküche hergebe. Für den Gefängniskindergarten sei Sekan zu jung und in die Spieleecke dürfe seine Mutter nicht mit. "Ein Wärter würde ihn abholen und dorthin bringen. Aber erklären Sie mal einem Zweijährigen in fremder Umgebung, dass er mit einem fremden Mann allein irgendwohin gehen soll", so Selcuk. Angehörigen teilte Tolu mit, dass sie weder Spielzeug noch Windeln für ihren Sohn bekomme.

Auch bei der überfallartigen Festnahme hätten die türkischen Sicherheitskräfte keine Rücksicht auf das Kind genommen. In einem Brief an ihre Familie in Neu-Ulm soll Tolu über die schreckliche Nacht geschrieben haben: "Er (Serkan) war in der Zwischenzeit durch den Lärm erwacht und weinte in seinem Zimmer. Man erlaubte mir nicht, aufzustehen und ihn zu beruhigen. Stattdessen ging einer der Polizisten der Spezialeinheit mit seiner Waffe in sein Zimmer. Obwohl ich mehrmals darauf hingewiesen hatte, dass zu Hause ein Kleinkind anwesend ist, wurde meinem Sohn nichts erspart."

"Wir wurden unserer Freiheit beraubt, weil wir sie verteidigt haben"

Trotz ihrer desolaten Situation scheint Mesale Tolu nicht den Mut zu verlieren. Sie glaube an ihre Freilassung und wolle ihrem Sohn später ihr gemeinsames Schicksal so erklären: "Ich werde ihm erklären, dass wir unserer Freiheit beraubt wurden, weil wir die Freiheit verteidigt haben."

Die 33-Jährige mit deutscher Staatsbürgerschaft engagierte sich seit Jahren in linken Organisationen und arbeitete seit 2014 in Istanbul für einen regierungskritischen Radiosender. Er wurde nach dem Putschversuch im Sommer 2016 geschlossen. Danach war Tolu Übersetzerin bei der linken türkischen Nachrichtenagentur ETHA. Ihre Arbeit wurde ihr zum Verhängnis.

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