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Meinung Der Fall Jonah Hill – und warum Grenzen setzen auch toxisch sein kann

Meinung: Der Fall Jonah Hill – und warum Grenzen setzen auch toxisch sein kann
© Adobe Stock
Dem Schauspieler Jonah Hill wird von seiner Ex-Freundin emotionaler Missbrauch vorgeworfen – in Therapiesprech tarnt sich Kontrolle als Konsens. Unsere Kollegin sorgt sich, wie viele Frauen dieser Art von Manipulation zum Opfer fallen.

Er nennt es "kurz und knapp": Dabei ist die Liste lang, die Jonah Hill seiner Ex-Partnerin Sarah Brady während ihrer Beziehung in einem Chat geschickt hat. "Wenn du es brauchst: Mit Männern zu surfen, Freundschaften ohne klare Grenzen mit Männern zu pflegen, zu modeln, Bikini-Bilder zu posten (…) – dann bin ich nicht der richtige Mann für dich. Wenn dich diese Dinge glücklich machen, dann unterstütze ich das, aber das sind meine Grenzen für eine romantische Beziehung.“

Grenzen setzen oder Kontrolle ausüben?

Hill streut in seiner Nachricht Therapiesprech-Buzzwörter ein: Grenzen setzen, Bedürfnisse haben, Unterstützung sein … klingt doch alles nach partnerschaftlicher Absprache – oder?

Jonah Hill und Sarah Brady im Dezember 2021
Jonah Hill und Sarah Brady im Dezember 2021
© Getty Images

Wer genau hinsieht und sich auf den Inhalt – und nicht auf die pseudo-wohlwollende Rahmung des Ganzen – konzentriert, stellt schnell fest: Hier will ein Mann seine Partnerin kontrollieren – die übrigens, das sei hier einmal gesagt, professionelle Surferin ist; ihre tägliche Arbeitskleidung ist also ein Bikini und viele ihrer Arbeitskolleg:innen sind Männer. Hill gefielen diese Surf-Bilder als sie sich kennenlernten, später wurden sie zum Problem, obwohl sich nichts verändert hatte.

Hill schreibt in mehreren Nachrichten von seinen persönlichen Grenzen. Grenzen setzen, Nein sagen – gesunde Einstellung mit Blick auf die eigene mentale Gesundheit, denkt man. Doch das Perfide an dieser Masche ist: Hill täuscht die eigene Grenze nur vor. In Wahrheit limitiert er damit aktiv die Freiheit seiner Partnerin, er schränkt ihre Selbstbestimmung in ihrem (Arbeits)-Alltag ein; Eine romantische Beziehung ist nur möglich, wenn sich Brady an Hills unverhandelbare Vorgaben anpasst. Wer schon etwas für die Person empfindet, wird viel dafür tun, sie auch zu halten und nicht zu enttäuschen. Emotionale Erpressung könnte man das auch nennen. Denn was ist mit Bradys Grenzen? Die finden keinen Platz. Ein ziemlich einseitiger Deal also.

Wo sind die Alarmglocken?

Doch warum hat sich Brady überhaupt auf diesen Mann eingelassen? Die sonst Tinnitus-auslösenden Alarmglocken, die wir noch gut schrillen hören, wenn jemand beim ersten Date zu uns sagt "Also beim nächsten Treffen ziehst du dir mal ein bisschen mehr an" – wir hören sie später immer weniger, abgepuffert vom Gefühls-Ohropax. Wir haben ja schließlich schon in diese Beziehung investiert – und neben den Forderungen gibt es ja auch (hoffentlich) schöne Momente. So ging es auch Brady. Erst jetzt, fast zwei Jahre nach den Vorfällen und mehr als ein Jahr nach der Trennung von Hill geht sie mit den Vorwürfen in Form von Chatverläufen an die Öffentlichkeit. "Ich teile es jetzt, denn es zu verheimlichen schadet meiner mentalen Gesundheit mehr, als das Teilen es jemals tun könnte."

Da wusste sie vermutlich schon, was ihr bevorsteht, denn der Shitstorm, der erwartungsgemäß über eine Frau hereinbricht, wenn sie öffentlich einen prominenten Ex-Partner der Gewalt, egal ob psychisch oder physisch, bezichtigt, tobt schon längst. Unter ihren Instagrambildern finden sich zu tausendfach geherzte Kommentare, die der Surferin Geltungssucht, schlechten Stil und Rache unterstellen und auch, Hills Grenzen nicht respektiert zu haben. Es ist noch immer nicht bei allen angekommen, dass man sich selbst Grenzen setzen kann – aber nicht anderen Menschen.

Brady schließt ihre Postings mit einem Appell ab: "Wenn dein Partner so mit dir spricht, such einen Ausweg“. Und das sollte uns allen ein Reminder sein.

Brigitte

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