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Mehr Chancen für die neue Liebe

Viele getrennte Paare streiten erbittert um den Unterhalt. Jahrelang. Hier lesen Sie, wie Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) mit einer Reform solche Rosenkriege künftig verhindern will.

Interview mit der BRIGITTE

Viele getrennte Paare streiten erbittert um den Unterhalt. Jahrelang. Hier lesen Sie, wie Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) mit einer Reform solche Rosenkriege künftig verhindern will.

BRIGITTE: Wenn es in der Ehe kriselt, lassen neuerdings viele Männer heimlich testen, ob sie wirklich der Vater ihres Kindes sind.

Zypries: Ich finde es unglaublich, dass Labors sogar in der U-Bahn werben, man solle anonym genetische Spuren einschicken. Dabei handelt es sich um einen schweren Eingriff in die Intimsphäre. Wenn ein Mann Zweifel an seiner Vaterschaft hat, soll er mit der Frau darüber reden. Macht er den Vaterschaftstest, ohne dass die Frau einwilligt, ist dies künftig strafbar. Dies wird Teil des neuen Gendiagnostikgesetzes sein.

BRIGITTE: Werden auch die Labors bestraft?

Zypries: Ja. Wenn Labors heimliche Vaterschaftstests machen, soll auch das strafbar sein.

BRIGITTE: Dann schicken die Väter ihre Speichelproben eben zu Labors nach England oder Belgien, die Adressen findet man im Internet!

Zypries: Stimmt. Deshalb brauchen wir zusätzlich eine europäische Regelung. Aber ich finde es wichtig, dass wir öffentlich darüber diskutieren: Was bedeutet das, wenn Männer den Frauen so massiv misstrauen? Trägt die Beziehung dann andere Belastungen?

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BRIGITTE: Erstaunt Sie das? Männer gelten immer noch als Haupternährer der Familie, müssen manchmal ein Leben lang für Frau und Kinder sorgen, auch nach einer Scheidung. Da wollen sie eben sicher sein...

Zypries: Wenn die Frau einem Test nicht zustimmt, kann der Mann das ja vor Gericht klären lassen. Unabhängig davon werden wir das Unterhaltsrecht nach Trennungen und Scheidungen gründlich modernisieren. Das werden wir dieses Jahr anpacken.

BRIGITTE: Was ist nicht zeitgemäß?

Zypries: Bislang ist es so, dass der Unterhalt zwischen den Kindern, auch aus einer zweiten Partnerschaft, und den Ehefrauen aufgeteilt wird. Wenn der Mann gut verdient und für alle zahlen kann, gibt es kein Problem. Aber es kommt immer häufiger vor, dass das Einkommen nicht für alle ausreicht. Künftig sollen zunächst die Kinder versorgt werden, dann die Frauen. Es ist auch nicht mehr zeitgemäß, dass die erste Frau - auch wenn sie keine Kinder hat - gegenüber der zweiten Frau privilegiert ist. Auch die zweite Familie braucht schließlich eine Chance.

BRIGITTE: Und wenn die Ex-Frau nichts verdient?

Zypries: Ideal wäre es, wenn beide Partner irgendwann wieder auf eigenen Füßen stehen. Wir nennen das "nacheheliche Eigenverantwortung". Es kann nicht sein, dass ein Mann jahrelang für seine Ex-Frau bezahlt, die arbeiten gehen könnte, und er deshalb kaum Geld für die Kinder aus zweiter Ehe hat. Wir müssen häufiger als bisher die Unterhaltspflichten befristen.

BRIGITTE: Auch nach einer langjährigen Ehe, wenn die Frau nie berufstätig war?

Zypries: Natürlich nicht. Wenn ein Paar lange verheiratet war, und sie waren sich einig, die Frau kümmert sich um Haushalt und Kinder, muss der Mann bezahlen, Schluss, aus. Aber diese Rollenverteilung wird immer seltener.

BRIGITTE: Manche Frauen werden sehr empört sein. Sie haben ja geheiratet, um vom Mann versorgt zu werden.

Zypries: Ich kann vor diesem Denken nur warnen. Dieser Schuss kann nach hinten losgehen. Manche Frauen verdienen inzwischen mehr als ihre Männer, haben die bessere Ausbildung. Die müssen bei einer Scheidung für die Männer zahlen, schätzungsweise in sieben Prozent aller Fälle.

BRIGITTE: Eine Frau, die mit dem Vater ihrer Kinder verheiratet war, kann acht Jahre lang zu Hause bleiben, bevor man ihr zumutet, halbtags arbeiten zu gehen. Wie soll das geändert werden?

Zypries: Auf eine genaue Zahl möchte ich mich nicht festlegen. Die Richter werden aber in Zukunft stärker darauf achten, ob es zumutbar ist, wieder arbeiten zu gehen - zum Beispiel, weil es einen Kindergarten, eine Ganztagsschule in der Nähe gibt.

BRIGITTE: Und die unverheirateten Mütter?

Zypries: Die sind momentan benachteiligt. Von ihnen wird verlangt, dass sie nach drei Jahren wieder berufstätig sind. Das ist ungerecht, das muss angeglichen werden.

BRIGITTE: Klingt nach grauer Theorie. Unverheiratete Väter zahlen jetzt schon außerordentlich widerwillig.

Zypries: Müssen sie aber, wenn sie genug verdienen.

BRIGITTE: Häufig wird durch Scheidungen enorm viel Kapital vernichtet. Wie kann der Staat helfen, dass Paare zu friedlichen Lösungen kommen?

Zypries: Wir empfehlen zerstrittenen Paaren eine Mediation, eine professionelle Vermittlung. Auf lange Sicht ist die friedliche Lösung besser, als wenn sich beide gegenseitig finanziell ruinieren wollen. Und das Wichtigste: Mann und Frau können sich danach noch in die Augen sehen.

Interview: Ursula Ott Fotos: Markus Zumbansen BRIGITTE 02/05

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