Anzeige

Machtmissbrauch an Universitäten Kein Beamtenstatus für gewalttätigen Professor

Universität, Bücher, Tafel
© BillionPhotos / Adobe Stock
Ein Professor an einer Universität in Göttingen schlägt seine Doktorandin über Jahre hinweg – jetzt soll diesem vielleicht der Beamtenstatus entzogen werden. Unsere Autorin fragt sich: Wieso erst jetzt?

"Mit dem Bambusstock oder der flachen Hand" – Ein Professor der Universität in Göttingen hat seine Mitarbeiterinnen wiederholt geschlagen. Jetzt geht der Fall zum Glück erneut vor Gericht, wie unter anderem der NDR berichtet. Denn das erste Urteil fiel erschreckend mild aus.

Der Fall Göttingen – "Schläge auf entblößtes Gesäß"

Einem Professor der Uni Göttingen wird wiederholter Machtmissbrauch vorgeworfen. Er hatte seine Mitarbeiterinnen genötigt, sich von ihm auf entblößte Körperteile wie Gesäß oder Dekolleté schlagen zu lassen. Eine ehemalige Doktorandin, die auch Nebenklägerin ist, musste ihre Hose und Unterhose bis zu dem Knöcheln herunterlassen, um sich ihre "einvernehmliche Züchtungen" – wie der Angeklagte sie nannte – abzuholen. Ich stelle mir eine erwachsene Person vor, die im Büro ihres Vorgesetzten blank ziehen muss, sich vor ihn beugt, um Schläge über sich ergehen zu lassen und frage mich, wie dieser Mensch allen Ernstes nach knapp zehn Jahren immer noch den Beamtenstatus innehaben kann und noch dazu weiter an einer Universität unterrichtet? Denn die Fälle haben sich laut Spiegel unter anderem bereits von 2014 bis 2017 ereignet. 

Zum Glück bin ich nicht die einzige, die schockiert ist. Der vorsitzende Richter David Küttler bestätigt in einer dpa-Meldung das, was ich fühle. Er benutzt die Worte "eine Demütigung ersten Ranges" und "entwürdigend". Die Strafe für den Dozenten wurde nun auf eineinhalb Jahre Bewährung verschärft, womit auch der Beamtenstatus des 60-Jährigen hinfällig wäre. Immerhin. Aber: Dieser schreckliche Fall ist ja kein frischer, sondern liegt nun schon zum zweiten Mal der Staatsanwaltschaft vor. 2015 fingen die Übergriffe an, 2022 musste sich der Professor erstmals vor Gericht behaupten. Das Urteil fiel damals sehr mild aus. Nur elf Monate auf Bewährung gab es für den Angeklagten.

Im Zweifel für den Angeklagten?

Ich finde es wirklich erstaunlich, wie sich der Spruch "im Zweifel für den Angeklagten" gerade bei Machtmissbrauch bewahrheitet. Es sei nicht klar gewesen, ob es sich vielleicht um einvernehmliche Schläge gehandelt hätte, heißt es im ersten Urteil. Auch ein sexuell motiviertes Motiv hätte man in Erwägung gezogen. Aber dann nicht weiter verfolgt? Warum hat sich der Professor wohl gerade Brüste und Po ausgesucht? In meinen Augen ist es offensichtlich, dass der Angeklagte seine Position ausgenutzt hat. Er hat den Doktorandinnen schließlich gedroht, dass sie in ihrer Promotion nicht weiterkommen, wenn sie sich nicht seinem Willen beugen. Das konnte bewiesen werden, schreibt unter anderem auch der NDR.

Alles an dem Fall stößt ohnehin schon bitter auf. Leider kommt eine Form der Diskriminierung selten allein. Denn was passiert, wenn die betroffene Person neben ihrem Frausein auch noch eine Migrationsgeschichte mitbringt? Dann haben wir es ganz schnell nicht mehr nur mit Sexismus, sondern auch mit Rassismus zutun. Die Verteidigerin des Hochschullehrers wies nämlich laut taz daraufhin, dass es zwischen der Nebenklägerin und dem Dozenten eine Art "Punishment-Agreement" gegeben hätte. Eine solche Art der Leistungssteigerung sei "keine Seltenheit in Vietnam", dem Geburtsort der ehemaligen Doktorandin. Mit dieser Aussage würde die Zeugin als fleißige und unterwürfige Asiatin dargestellt werden, die ihre Strafe ohne einen Mucks über sich ergehen lässt, merkt auch das Göttinger Tageblatt an. Solche rassistischen Stereotype dürften doch gerade vor Gericht nicht reproduziert werden. 

Leider kein Einzelfall

Göttingen ist kein Einzelfall. Die Humboldt-Universität in Berlin, die Universität Potsdam, die Hochschule Gelsenkirchen – sie alle haben bestätigte Fälle von sexualisierter Gewalt und Machtmissbrauch vorzuweisen. Es scheint kaum mehr eine Uni zu geben, die clean ist. Verbeamtete Professor:innen mit Verträgen auf Lebenszeit stehen wissenschaftlichen Mitarbeitenden mit befristeten Verträgen oder Studierenden gegenüber. Dadurch entstehe ein "sehr starkes Abhängigkeitsverhältnis", kritisiert die Historikerin Prof. Christine Gundermann von der Universität Köln gegenüber WDR. Der Druck und die Angst, dass der Vertrag nicht verlängert werden könnte, begünstigt dieses Machtgefälle weiter. 

Das Problem scheint allgegenwärtig. Daher frage ich mich, wie solche Fälle in Zukunft vermieden werden können. Die Dunkelziffer ist ebenfalls hoch. Nicht jede:r wagt den Weg an die Öffentlichkeit. Verständlicherweise. Denn leider leben wir in einer Welt, in der Täter:innen seelenruhig ihren Job weiter ausführen können und Betroffene sich zweimal überlegen, ob sie den nervenaufreibenden Weg vor Gericht gehen.

Verwendete Quellen: wdr.de, ndr.de, taz.de, spiegel.de, sueddeutsche.de, zeit.de, göttinger-tageblatt.de 

Brigitte

Mehr zum Thema

VG-Wort Pixel