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Lina Burghausen So fördert die Labelchefin Frauen im Hip-Hop

Lina Burghausen
Musikpromoterin und Labelchefin Lina Burghausen will Rapperinnen eine Plattform geben.
© Vanesa Seifert
Was sie liebt: Musik mit Power und Haltung
Was sie tut: Frauen im Hip-Hop fördern
Ihr Antrieb: erst Wut, dann Erfolg

Die Geschichte von "365XX Records", Europas erstem Hip-Hop-Label für weibliche und genderqueere Kunstschaffende, beginnt mit einer großen Portion Wut im Bauch. Lina Burghausen, 33, Musikpromoterin und Labelchefin, war es leid, immer wieder die gleichen Dinge erklären zu müssen: warum Frauen selbstverständlich Teil der Hip-Hop-Szene sind, dass sie sie maßgeblich mitprägen, warum sie noch immer mit strukturellem Sexismus zu kämpfen haben.

2018 entschließt sie sich deshalb, etwas für die Sichtbarkeit von Frauen im Hip-Hop zu tun, und gründet den Blog "365 Fe*male MCs", auf dem sie ein Jahr lang Tag für Tag eine andere Rapperin vorstellt. Der Blog wird vielfach geteilt, das Feedback ist überwältigend – 2019 gewinnt Lina Burghausen dafür einen Preis auf dem Reeperbahn Festival in Hamburg, wo sich jedes Jahr die internationale Musikszene trifft. Bis heute schreiben ihr junge Künstlerinnen und berichten, dass sie wegen "365 Fe*male MCs" auch begonnen haben zu rappen, erzählt Burghausen, die bereits seit Kindertagen Hip-Hop-Fan ist. Damals, Ende der 90er, habe ein Song der New Yorker Band Run-D.M.C. ausgerechnet auf einer CD von McDonald’s sie erstmals begeistert: "Vielleicht war das die Energie, vielleicht der treibende Beat, vielleicht dieses gewisse Etwas in den Stimmen." Als Teenager und als Studentin hat sie selbst Songs geschrieben. Heute schafft sie das nicht mehr, teilt ihre Leipziger Wohnung aber mit mehr als 1000 Schallplatten.

Aus dem Blogprojekt "365 Fe*male MCs" entwickelte sich ein nicht kommerzielles Online-Magazin, dessen Ideen- und Herausgeberin Burghausen ist. Geld verdient sie damit nicht – aber das Magazin versammelt inzwischen über 2000 Porträts von Musikerinnen aus aller Welt. "Es mangelt nicht an guten Rapperinnen. Es gibt aber immer noch zu wenig Bühnen und mediale Plattformen, auf denen sie stattfinden", sagt Burghausen, und selbst im Video-Interview spürt man den Ärger in ihrer Stimme.

Musikalische Vielfalt im Label

Gemeinsam mit dem bekannten belgischen Indie-Label PIAS gründet Burghausen Anfang 2020 "365XX Records". Heute stehen dort Musikerinnen unter Vertrag, die vor allem gut rappen können und die einschlägigen Hip-Hop-Playlists um ihre individuelle Nuance erweitern.

Vorgaben zur künstlerischen Ausrichtung durch das Management, wie sie bei anderen Labels für Musikerinnen (aber auch für Musiker) durchaus üblich sind, gibt es dabei nicht: Also kein "Schreib doch mal eine Liebesballade" oder "Rappt doch mehr über Sex" – die Künstlerinnen sollen ihre eigene, musikalische Vision entwickeln oder weiterentwickeln können, mit dem Label als sicherem Hafen im Rücken. "Auch eine feministische Grundhaltung ist keine Voraussetzung für einen Plattenvertrag", sagt Burghausen. "Es geht mir vor allem um gute und innovative Musik."

Und die verkauft sich sehr gut. 2023 bekam das Label einen Branchenpreis als bestes Indie-Label. Ein wichtiger Erfolgsfaktor ist die große Vielfalt der Musikerinnen: Rapperin SATARII hat Jazzgesang studiert und kommt als bunter Manga-Charakter daher, mit starker Bühnenshow und Texten voller Power. Der Sound der Münsteraner Sängerin Skuff Barbie erinnert an die frühe Rihanna. Und die gefeierte Newcomerin Jolle verbindet ihren Rap mit Elektro- und Pop-Elementen. "Mir wurde mal gesagt, unsere Künstlerinnen seien wie die Power Rangers: eine zusammengewürfelte Truppe, in der jede eine eigene Farbe und eigene Superkraft hat. Das trifft es gut", sagt Lina Burghausen. Alle Musikfans hätten so die Chance, bei "365XX Records" eine Künstlerin zu entdecken, deren Musik sie abholt.

365XX
365 – Diese Zahl ist für Lina Burghausen Programm: Ein Jahr lang stellte sie auf ihrem Blog jeden Tag eine andere Rapperin vor. Dann gründete sie ein Hip-Hop-Label für Frauen: 365XX.
© Vanesa Seifert

Inzwischen kommt insgesamt Bewegung in die Branche: In den letzten fünf Jahren bekamen deutlich mehr deutsche Rapperinnen einen Plattenvertrag bei einem bedeutenden Label und schafften damit den Sprung auf eine große Bühne. Burghausen freut das. "Die Sichtbarkeit für Frauen ist gestiegen", sagt sie. Gleichzeitig sei der Weg aber noch weit: Man müsse sich nur die sexistischen und stark beleidigenden Kommentare anschauen, wenn ein großes Festival den Auftritt einer Rapperin ankündigt. "Der Fortschritt macht Babysteps. Aber genau das treibt mich an weiterzumachen."

Brigitte

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