Im Pride Month wird einer Gruppe von Menschen Raum und Aufmerksamkeit geschenkt, die – wie viele andere Gruppen – in einer heteronormativen Welt oftmals eine Randnotiz darstellen: Queere Menschen zeigen im Juni – und in jedem anderen Monat des Jahres – ihre Farben.
Trans Menschen identifizieren sich nicht mit dem Geschlecht, welches ihnen medizinisches Personal zugeschrieben wird, kaum, dass sie ihren ersten Atemzug auf dieser Welt getan haben. Ihre bloße Existenz scheint an "Naturgesetzen" zu rütteln, die von der Gesellschaft festgelegt und als solches definiert wurden. Und für manche scheint allein diese "Besonderheit" ein Freifahrtschein für unmögliche Fragen zu sein. "Willst du also eine Frau sein? Wie siehst du denn da untenrum aus? Und wie machst du das beim Sex?" – nur eine kleine Auswahl vom "Worst of" der massenhaft gestellten Fragen, denen sich trans Menschen von teils vollkommen Fremden stellen müssen, weil diese "nur ein wenig neugierig" sind.
Henri Maximilian Jakobs kennt solche und ähnliche Fragen. Zusammen mit der Journalistin Christina Wolf greift er in "All die brennenden Fragen" auf, was trans Personen in ihrem Alltag über sich ergehen lassen müssen. Und er lässt auch andere trans Menschen sprechen – über die Fragen, die sie ausnahmsweise gerne von anderen Menschen hören würden. Wir haben eine Auswahl zusammengestellt, die zeigen soll: Ja, man kann und darf Fragen stellen – doch bitte dabei nicht vergessen, dass man mit einem Menschen spricht.
Fragen, die sich diese trans Personen von dir wünschen würden
Im Buch kommen einige Personen zu Wort, die trans, beziehungsweise nichtbinär, sind. Die meisten sind offen für Fragen zu ihrer Person und verstehen die Neugierde – doch bei vielen von ihnen ist das "Wer", das "Was" und das "Wie" entscheidend: Genau so wenig wie man wohl selbst einer wildfremden Person Rede und Antwort zu sexuellen Vorlieben und Geschlechtsteilen stehen würde, haben auch die Personen aus dem Buch klare Grenzen, für die sie den angebrachten Respekt einfordern.
Fragen, die für trans Personen in Ordnung sind
"Die respektvollen auf jeden Fall. Auch mit sehr offenen Fragen habe ich kein Problem, was aber abhängig von der jeweiligen Situation ist. Intimes ist immer etwas sehr Persönliches muss aber keineswegs ein Geheimnis bleiben, und darüber sprechen zu können, hängt wohl auch von der eigenen Emanzipiertheit ab." – Nora (sie/ihr)
"Ich glaube, es hängt von der jeweiligen Person ab, welche Fragen okay oder nicht okay sind. Wenn mich zum Beispiel Freund:innen etwas fragen, dann ist es etwas anderes, als wenn mir unbekannte Personen Fragen stellen. Aber nicht nur wer fragt, ist entscheidend, sondern auch, mit welchen Worten, mit welcher Intention. So können Fragen nach Genitalien und Operationen sehr übergriffig sein, Worte wie Geschlechtsumwandlung sind definitv nicht adäquat. Grundsätzlich bin ich ein offener trans Mann und kläre Personen gerne auf, aber ich setze auch Grenzen." – Ansgar (er/ihm)
"Durch meine Aufklärungsarbeit bin ich bereit, nahezu alle Fragen zu beantworten, auch sehr persönliche. Ich mag es lediglich nicht, wenn Menschen wissen wollen, wie es denn in meiner Hose und wie es mit meinem Sexualleben ausschaut. Da man diese Fragen auch sonst keinem einfach stellen würde, verlange ich das auch für mich. In meiner Arbeit als Beraterin und in der Selbsthilfe kläre ich über die OPs auf und rede auch über die Komplikationen, die ich selbst erleben musste. Aber das, was ich mit meiner Partnerin in den eigenen vier Wänden mache, geht einfach niemanden etwas an." – Patricia (sie/ihr)
"Für mich gibt es keine falschen Fragen. Selbst, wenn sie schwierig formuliert sind, habe ich die Möglichkeit, sie zu korrigieren und aufzuklären. Das hat den positiven Nebeneffekt, dass die fragende Person etwas lernt und bei der nächsten trans Person sensibilisiert ist. Ich interessiere mich viel eher für die Motivation, die hinter einer Frage steckt. Werden Fragen aus ehrlichem Interesse an mir gestellt oder handelt es sich um reine fetischistische Neugier oder gar vorsätzlich verletzende suggestive Fragen?
So gibt es beispielsweise Fragen zu Operationen, die ich nie öffentlich beantworten würde. Das ist meine private Sache und geht die große weite Welt nichts an. Aber in einem vertrauensvollen, freundschaftlichen Gespräch habe ich keine Probleme auf ehrliche Fragen auch ehrliche Antworten zu liefern. Einzig und allein bei meinem früheren Namen werde ich sehr emotional. Er steht für ein Kapitel meines Lebens, welches ich in der Vergangenheit lassen möchte. Es tut weh, daran zu denken, was ich 35 Jahre meines Lebens damit durchmachen musste. Mit diesem Namen möchte ich einfach nicht mehr in Verbindung gebracht werden. Es ist für mich absolut tabu." – Julia (sie/ihr)
"Für mich hängt das vor allem davon ab, wer fragt. Wenn es Menschen sind, die aufrichtig versuchen, ein Thema zu verstehen – dann eigentlich alles. Wenn es Menschen sind, die nur ihre Abwehr füttern wollen, also zu wissen glauben, wie die Welt für uns alle funktioniert, dann nix." – Josephine (keine Pronomen)
Letztlich geht es auch darum, was sich die Menschen von den Fragen erhoffen: Soll ihre bloße Neugierde gestillt werden, weil sie meinen, etwas "Außergewöhnlichem" gegenüberzustehen? Oder sind sie wirklich interessiert, wollen dazulernen, sensibilisiert werden? Die meisten Fragen kann eine eigene Recherche klären, trans Personen müssen sich nicht jeder Person erklären, deren Weg sie zufällig kreuzen. Andererseits bekommen abstrakte Begriffe wie nichtbinär, trans, asexuell etc. durch Menschen, die solche Label für sich nutzen, eine Form, einen emotionalen Zugang für jene, die so etwas nicht von sich oder ihrem Umfeld kennen.
Es ist – wie so oft – komplex und jeder Mensch geht mit solchen Themen anders um. Es ist grundsätzlich nie verkehrt, respektvoll auf eine Person zuzugehen und sie über die Label hinaus zu betrachten und kennenzulernen, die sie für sich verwendet oder die andere ihr zuschreiben.
Über Henri Maximilian Jakobs
Henri Maximilian Jakobs wuchs in München auf, studierte am Richard-Strauss-Konservatorium und Musikjournalismus an der Hochschule für Musik und Theater in München. Er hat eine eigene Band (TUBBE) und arbeitete unter anderem als Live-Bassist von Künstler:innen wie Sookee, Elli, Enik und anderen. Zusammen mit der Journalistin Christina Wolf schreibt er in seinem Debütroman "All die brennenden Fragen" (Katalyst Verlag) über das Leben als trans Mensch und unter anderem die Schikanen, die Menschen bis heute über sich ergehen lassen müssen, um ihre Identität rechtlich und medizinisch angleichen zu können.