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Lehrerin gesteht: "Ich gebe meinen Schülern nur noch gute Noten!"

Lehrerin gesteht: "Ich gebe nur noch gute Noten!"
© Pressmaster / Shutterstock
Eine Lehrerin aus Nordrhein-Wesrfalen beschloß, ihren Schülern nur noch gute Noten zu geben. Sie möchte den Kindern nicht ihre Zukunft verbauen, ihnen den Notendruck nehmen. Welche Auswirkungen hat das?

Noten sind ein Druckmittel, das Schülern Angst macht, sie frustriert, manipuliert und sie am Lernen hindern kann. Dieser Meinung ist zumindest eine Lehrerin aus NRW, die bei SPIEGEL Online ein Geständnis ablegt: Sie vergibt nur noch gute Noten.

Warum tut sie das? Kann diese Strategie gut gehen? Und wie verändert es das Lernverhalten ihrer Schüler? Zerstören geschenkt gute Noten nicht ihre Motivation? Und verstößt diese Strategie nicht gegen die Lehrervorschriften – wenn nicht gesetzlicher, dann moralischer Natur?

"Ich habe Angst, dass ich kriminell werde"

Doch fangen wir von vorne an. Der Ursprung dieser Idee liegt in einem einschneidenden Erlebnis, das die Lehrerin im Jahr 2016 mit einem Schüler hatte. Er ist schon einmal durch das Abitur gefallen, musste bei ihr eine Klasse wiederholen. Er setzte sich selbst extrem unter Druck, hatte Angst, das Abitur erneut nicht zu bestehen. "Wenn ich erneut durchfalle", sagte er zu ihr, "werden meine Eltern es nicht verkraften, sie werden mich nicht mehr akzeptieren und rauswerfen. Ich hab Angst, dass ich in ein Loch falle und nicht raus komme, dass ich kriminell werde..."

Die Lehrerin hielt es für ungerecht

Die Familie des Schülers – seine Eltern und vier Geschwister – kam zehn Jahre zuvor aus einem Kriegsgebiet nach Deutschland, sein Vater wurde nach einem Unfall arbeitsunfähig. Der Schüler unterstützt mit einem Nebenjob seine Familie finanziell, als seine Oma stirbt, tröstet er seine Mutter, die sehr darunter leidet.

Das Abitur nicht zu schaffen gelte als undenkbar in seinem Kulturkreis, der Schüler setzt sich sehr unter Druck und verhaut zahlreiche Prüfungen. Doch er strengte sich an, stand in allen Fächern zwischen der Note Eins und Drei – nur in einem Nebenfach hatte er eine Fünf, in einem Prüfungsfach eine Vier. Der Lehrerin war klar: Damit würde er in seinem Abitur wieder knapp scheitern. Sie hielt es für ungerecht.

"Kompetent, fair und gerecht" beurteilen

Die Lehrerin liest sich erneut durch, welche Vorgaben die Kultusministerkonferenz den Lehrern stellt: Sie sollen die Leistungen der Schüler "kompetent, gerecht und verantwortungsbewusst" sowie "fair" beurteilen.

Die Lehrerin stimme dem Grundsatz zu, schreibt sie in ihrem Geständnis. Allerdings frage sie sich: "Ist es gerecht, wenn SchülerInnen aufgrund meiner Note nicht studieren können oder nicht zum Vorstellungsgespräch eingeladen werden? Woher weiß ich, wie sich jemand in Zukunft noch entwickelt und wozu er fähig ist?"

Notendruck macht Schülern Angst

Gerechte Notengebung sei eine Illusion und sie sei mit dieser Meinung nicht allein im Kollegium. Der Notendruck mache den Schülern Angst, frustriere sie und behindere sie häufig am lernen. Dies stehe im Gegenteil dazu, die Schüler beim Lernen zu unterstützen.

Da die Lehrerin aber dazu verpflichtet ist, Noten zu vergeben, entschied sie, nur noch gute Noten zu verteilen. So bekommt jeder die Chance, zu studieren – zumindest sollen die Schüler nicht wegen ihr am Abitur scheitern.

Jeder Schüler wird persönlich beraten

Zudem überlegte sie sich ihre eigene Strategie: Sie berät jeden ihrer Schüler persönlich und klärt sie über die Anforderungen eines Studiums auf. Da sie ihre Schüler nicht mit Notendruck dazu bringen kann, sich für ihren Unterricht zu interessieren, findet sie andere Wege, um den Schülern das vorgegebene Thema näher zu bringen. "Ich kann mich nun endlich darauf konzentrieren, sinnstiftende Fachinhalte interessant zu vermitteln, weil ich nicht mehr darüber nachdenken muss, ob genug fair überprüfbarer Lernstoff darunter ist", gesteht die Lehrerin.

Auf diese Weise bringt sie ihren Schülern bei, ihr Lernen selbst zu steuern. Sie entwickeln Verantwortungsgefühl, sind motivierter, ehrlicher – und entwickeln sogar einen Teamgeist, statt miteinander zu konkurrieren. "Es fühlt sich richtig an, wenn sich alle im Klassenraum gerade aus Überzeugung und nicht aus Angst vor Konsequenzen ruhig verhalten."

kao

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