Der Personalmangel macht vielen Kindertageseinrichtungen zu schaffen. Zurzeit noch mehr, als es normalerweise schon der Fall ist. Denn durch die Erkältungswelle müssen (noch gesunde) Beschäftigte nun oft die Arbeit kranker Mitarbeiter:innen auffangen. Nicht gerade eine Aussicht, bei der die sowieso schon bestehende Fluktuation in der Branche sich verbessern könnte. "Die Bedingungen in den Kitas sind kaum noch zu verantworten", schreibt Doreen Siebernik online in einem WELT-Gastbeitrag. Sie leitet den Arbeitsbereich Jugendhilfe und Sozialarbeit bei der GEW, der Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft.
Seit Jahren ändert sich nur wenig
Das Problem zu weniger Beschäftigter und zu vieler Kinder, die betreut werden müssen, sei noch lange nicht gelöst. Allein der Betreuungsschlüssel lasse vielfach keine gute pädagogische Arbeit mehr zu, so Doreen Siebernik in ihrem Kommentar. Jedem Kind in der Betreuungsfunktion gerecht zu werden, sei gar nicht möglich. Das ist auch nichts Neues: Wegen der Grippewelle ist es nun zwar zu weiteren Engpässen gekommen, aber Änderungen im System fordert die GEW schon länger. Unter anderem habe sie auf den "extremen Personalmangel, die fehlenden Kitaplätze, die Belastungen durch die Pandemie oder die Aufnahme geflüchteter Kinder aufmerksam gemacht", schreibt Siebernik weiter. Die notwendige Unterstützung des Kita-Systems sei aber nicht umgesetzt worden.
Teilweise mehr als 50 Prozent in Belegschaft krank
Der Krankheitsgrad in den Kindertagesstätten sei unterschiedlich, teilweise aber besonders drastisch. So würden in manchen Einrichtungen mehr als 50 Prozent der Kita-Fachkräfte ausfallen. Einrichtungen, in denen niemand erkrankt ist, seien eher die Ausnahme. Während größere Kitas die Gruppen der Kinder teilweise noch zusammenlegen können, sei das in kleineren oft nicht möglich, erklärt Siebernik weiter. Manchmal seien sogar Elterndienste erforderlich, Betreuungszeiten würden gekürzt oder Einrichtungen müssten sogar kurzzeitig schließen.
Starker Beschäftigtenzuwachs
Durch das Recht jedes Kindes auf einen Kitaplatz wurden die Kitaeinrichtungen bereits ausgebaut und die Zahl der Beschäftigten nahm zu. Doch schon bei Einführung des Rechtsanspruchs gab es in Deutschland mehrere Hunderttausend Plätze zu wenig, so Erzieherin und GEW-Mitglied Doreen Siebernik. Die Zahl der Mitarbeiter:innen in Kitas und Kindergärten habe ich sich in den vergangenen Jahren bis zum Frühjahr 2022 auf 840.000 Menschen verdoppelt und würde jährlich um etwa drei Prozent wachsen. Was aber fehle, sei ein deutliches politisches Handeln: Ein Ausbau weiterer Plätze und der Qualität der Betreuung sei dringend notwendig.
Auch im Jahr 2023 wird die Lage sich vermutlich nicht sonderlich verbessern – laut Bertelsmann-Stiftung fehlen im kommenden Jahr rund 384.000 Kita-Plätze. Außerdem würden für die Anzahl an Kindern weitere 98.600 Fachkräfte gebraucht. Doreen Siebernik fordert eine Fachkräfteoffensive, um die Situation für Kinder, Eltern, Erzieher:innen und weiteres Kita-Personal zu verbessern. Denn: "Erst wenn die Arbeits-, Rahmen- und Einkommensbedingungen stimmen, werden sich noch mehr Menschen für diese tollen Berufe entscheiden", so Siebernik.
Verwendete Quellen: GEW, Welt, Bertelsmann-Stiftung, Barmer Krankenkasse
Dieser Artikel erschien ursprünglich bei ELTERN.