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Kristina Köhler: Acht Fragen zur neuen Familienministerin

Mit ihr hat keiner gerechnet: Die erst 32-jährige Kristina Köhler wird neue Familienministerin und folgt damit auf Ursula von der Leyen, die nach vier Jahren ins Arbeitsministerium wechselt. Wer ist die hessische CDU-Politikerin? Und was können wir von ihr erwarten? Acht Fragen, acht Antworten.

1. Wieso kam Merkel gerade auf sie?

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Sicher nicht wegen Köhlers übermäßigen familienpolitischen Engagements: Bisher hat die 32-Jährige sich von diesem Politikbereich eher distanziert: "Junge Frau macht Familienpolitik" fand sie "so klischeehaft", sie konzentrierte sich deshalb lieber auf eher männlich besetzte Themen wie Innere Sicherheit, Islamismus, Extremismus. Auf den Ministersessel katapultiert sie jetzt ihre Herkunft: Wie der zurückgetretene Franz Josef Jung stammt auch Köhler aus Hessen, genauer aus Wiesbaden, für den Wahlkreis sitzt sie seit 2002 im Bundestag. Der parteiinterne Länderproporz zwang Angela Merkel vergangene Woche, nach Jung wieder einen Hessen oder eine Hessin ins Kabinett zu holen. Und Köhler kam ihr gerade recht: Als durchsetzungsfähiges Nachwuchstalent gilt sie schon länger. Bekennender Merkel-Fan ist sie auch. Das kann in solchen Fällen ja nicht schaden.

2. Womit fiel sie bislang auf?

Vor allem durch zwei Aktionen sorgte sie für Wirbel auf der Politbühne: Ende 2004 entdeckte Köhler per Zufall in einer in Deutschland verkauften türkischen Zeitung einen Hetzartikel, in dem der Holocaust geleugnet wurde. Sie zitierte die Stelle im Bundestag, erstattete gegen die Redaktion Anzeige, wurde durch einen weiteren Hetzartikel bedroht, bekam Polizeischutz - und enormes Medienecho. Der zweite Coup gelang ihr Ende 2008 als Obfrau der CDU/CSU-Fraktion im BND-Untersuchungsausschuss: Unerschrocken und exzellent vorbereitet nahm sie Vizekanzler Frank-Walter Steinmeier in die Mangel - und avancierte zum heimlichen Star der Veranstaltung. Vor starken Gegnern hat die neue Familienministerin definitiv keine Scheu, das verbindet sie mit ihrer Vorgängerin von der Leyen.

3. Ist ihr schon mal was aus dem Ruder gelaufen?

Nicht wirklich - sieht man mal von zwei empfindlichen Niederlagen gegen ihre Konkurrentin um das Direktmandat in Wiesbaden, die Ex-Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD), ab. Für den großen Reißer hatte Köhler schlichtweg noch zu wenig verantwortungsvolle Positionen inne. Für die großen politischen Würfe allerdings auch.

4. Ist sie zu jung?

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Die jüngste in diesem Amt ist sie nicht: Als die CDU-Politikerin Claudia Nolte 1994 Familienministerin wurde, war "Kohls Mädchen" erst zarte 28 - und wie Köhler weder verheiratet noch Mutter. Handfeste parteipolitische Erfahrung hat Köhler ebenfalls vorzuweisen, mehr sogar als manch anderer Minister: Als glühender Kohl-Fan trat sie mit 14 in die JU ein, seit 18 Jahren kämpft sie sich nun schon durch den parteiinternen Dschungel und lernte dabei schnell, Netzwerke zu knüpfen und Koalitionen zu schmieden. Eine Führungsposition hatte die promovierte Soziologin allerdings noch nie inne. Und in Sachen Familienpolitik ist sie ein totales Greenhorn. Das ist der aktuelle Außenminister in seinem neuen Wirkungsfeld zwar auch - in Zeiten, in denen familienpolitische Reformen gern mal im Strudel sonstiger "Rettungspakete" untergehen, könnte die Unerfahrenheit der neuen Familienministerin freilich zum Problem werden.

5. Warum will sie keine Feministin sein?

Köhler will eine Frau sein, "die Ehe, Kinder und Karriere unter einen Hut bringt, ohne dass irgendein Teil darunter leidet und ohne jemals zur Feministin zu werden". Das schrieb sie 1997 in ihrer Abizeitung. Diese Distanz zum frauenbewegten Gedankengut, sei es nun von "Emma" - oder "Rrriot Grrrl"-Seite, hält sie bis heute: Geschlechterunterschiede sind ihrer Meinung nach nicht sozial, sondern biologisch bedingt. Und eine Frauenquote lehnt sie ab - obgleich sie zugibt, als Listenkandidatin selbst davon profitiert zu haben. Frauen und Männer sollen ihrer Meinung nach lieber nach ihrer Leistung beurteilt werden als nach ihrem Geschlecht. Mit den Kollegen von der FDP liegt sie damit - größtenteils - auf einer Linie. Auf Verhältnisse wie in Norwegen, wo die Unternehmen in ihren Aufsichtsräten eine Frauenquote von 40 Prozent erfüllen müssen, darf man für die nächsten vier Jahre wohl nicht hoffen.

6. Wird sie im Kabinett eine ebenso treibende Kraft sein wie Ursula von der Leyen?

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Die rhetorische Verve und das machtpolitische Händchen hätte sie sicher dazu. Auch den Ehrgeiz und das Talent, medienwirksam Spuren zu hinterlassen. Was ihr bislang noch fehlt, ist der Inhalt: Familien- und frauenpolitisch ist Köhler einfach ein unbeschriebenes Blatt. Klar, bei der Formulierung des neuen CDU/CSU-Grundsatzprogramms vor zwei Jahren hat sie erfolgreich ein moderneres Väterbild durchgesetzt: Männern wird nun ebenfalls Kompetenz bei Kindererziehung und -betreuung zugesprochen. Doch das sind Peanuts im Vergleich zu dem, was von der Leyen als Familienministerin bei den konservativen Parteikollegen durchboxte. Frischen Wind kann Köhler wohl am besten ins Kabinett bringen, wenn sie versucht, ihre Kompetenz als promovierte Soziologin und Integrationsexpertin in die Waagschale zu werfen: Die Frage, wie Einwanderer und ihre Kinder in die deutsche Gesellschaft aufgenommen werden können, wird eines der großen deutschen Zukunftsthemen. Auch in der Familienpolitik.

7. Was denkt sie über das Betreuungsgeld?

Von der Leyen galt als vehemente Gegnerin der "Herdprämie". Köhler dagegen plädierte stets für Wahlfreiheit: Paare sollen selbst entscheiden können, welches Modell der Kinderbetreuung für sie am günstigsten ist. Wer sein Kind zuhause behalten möchte, soll ebenso vom Staat unterstützt werden wie die Nutzer von Kindergärten und Krippen. Heute, mit einer FDP auf der Koalitionsbank, die sich ganz klar für Betreuungsgutscheine ausspricht, gibt die neue Ministerin sich gemäßigter. "Das ist wirklich ein schwerer Zielkonflikt" sagte sie am Wochenende in einem Fernsehinterview. "Da müssen wir uns ganz genau Gedanken machen, wie wir dieses Dilemma lösen." Wir sind gespannt. Vielleicht besinnt sich Köhler ja noch rechtzeitig auf die zahlreichen Studien, die sie als Integrationspolitikerin sicher gelesen hat und die durch die Bank belegen: Je früher Kinder aus sozial schwierigen Milieus von qualifizierten Betreuungseinrichtungen profitieren können, desto größer sind ihre Chancen, später den Absprung in eine bessere Zukunft zu schaffen.

8. Was haben wir von ihr zu erwarten?

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Gespannt sein darf man sicher auf eine machtpolitisch begabte junge Frau, die sich mit außergewöhnlicher Willensstärke und großem Ehrgeiz in ihr neues Aufgabengebiet einarbeiten wird. Einfach wird es nicht, die Fußstapfen der Vorgängerin auszufüllen, eigene Akzente zu setzen: Die großen ideologischen Schlachten in der Familienpolitik wurden in den letzten vier Jahren geschlagen, die Lorbeeren gepflückt. Köhler muss sich jetzt mit mühsamer Kleinarbeit herumschlagen, beim großen Streitthema der Koalition, dem Betreuungsgeld, die undankbare Rolle der Vermittlerin übernehmen. Gleich nach ihrem Amtsantritt hat sie außerdem angekündigt, sich vor allem "Jungen in Kindergarten und Grundschule" und den jungen Vätern zu widmen. Wir hoffen, dass sie dabei die Frauen nicht ganz vergisst. Und schenken der Neuen zum Einstand, hübsch lila verpackt und mit den besten Wünschen, "Der kleine Unterschied" von Alice Schwarzer. Vielleicht ist zwischen den ganzen wichtigen Terminen ja mal kurz Zeit.

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Text: Kristina Maroldt Fotos: PR, Reuters

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