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Hintergründe Worum geht es eigentlich bei dem Krieg zwischen Russland und der Ukraine?

Eine alte Frau sitzt in einem Keller, um sich vor den Bombenanschlägen zu schützen.
Eine alte Frau sitzt in einem Keller, um sich vor den Bombenanschlägen zu schützen.
© ITAR-TASS / imago images
Und plötzlich ist er da, der Krieg in Europa. Wie konnte es dazu kommen? Was scheinbar plötzlich vonstattenging, bahnte sich seit Jahren seinen Weg durch die immer wieder aufkochenden Konflikte zwischen Russland und der Ukraine. Wir werfen einen Blick auf die Hintergründe.

Die Ukraine ist knapp 100.000 Quadratkilometer größer als Spanien und liegt strategisch sehr ungünstig zwischen der EU-Ostgrenze (Polen, Slowakei, Ungarn, Rumänien) und Russland. Bis 1991 war die Ukraine eine von 15 Sowjetrepubliken – also Teil der Sowjetunion. Seit deren Auflösung sind die einzelnen Republiken eigene Staaten. Während Estland, Litauen und Lettland mittlerweile der EU und der NATO angehören, ist das bei der Ukraine nicht der Fall.

Die Ukraine orientiert sich seit dem Ende der Sowjetunion in Richtung EU und NATO

Bereits 1994 unterzeichneten die Europäische Union und die Ukraine ein Partnerschafts- und Kooperationsabkommen. Seither nutzten die bis dahin gewählten Präsidenten den Beitritt zur EU stets als Wahlversprechen an die Bürger:innen. Über die Jahre wurden zahlreiche Verträge und Abkommen unterschrieben. Doch aufgrund fehlender "wesentlicher Fortschritte bei der Umsetzung der Kopenhagener Kriterien" sei die Aufnahme der Ukraine in die EU schwierig, sagte der damalige Präsident des Europäischen Parlaments, Jerzy Buzek, bei einer Ansprache im Dezember 2009.

Exkurs: Die Koppenhagener Kriterien sind die Bedingungen, die erfüllt sein müssen, um der EU beitreten zu können. Es gibt das politische Kriterium, das wirtschaftliche und das sogenannte Acquis-Kriterium. Unter anderem geht es dabei um die Wahrung der Menschenrechte und die Umsetzung der Werte und Vorgaben der EU.

Wiktor Janukowytsch vollzog eine Kehrtwende – weg von der EU hin zu Russland

Anfang 2010 wurde Wiktor Janukowytsch zum neuen Staatsoberhaupt der Ukraine gewählt. Obwohl auch er zunächst die Annäherung an die EU als Mittel zum Wahlerfolg nutzte, vollzog er recht zügig eine Kehrtwende und näherte sich Russland an. Nach monatelangem Tauziehen um die Unterzeichnung des Assoziierungsabkommens mit der EU beschloss die ukrainische Regierung am 21. November 2013, dass das Abkommen mit der EU eingefroren werden sollte.

Offiziell sei die Regierung aus wirtschaftlichen Gründen noch nicht bereit gewesen, das Abkommen zu unterzeichnen, es sei jedoch für 2014 geplant – es müssten erst eine Reihe von Problemen mit dem Handel mit Russland gelöst werden. Bereits zu diesem Zeitpunkt hatte Russlands Präsident Wladimir Putin eine Warnung in Richtung Ukraine ausgesprochen, er müsse Schutzmaßnahmen errichten, sollte die Ukraine sich weiter der EU zuwenden und das Abkommen unterzeichnen.

Russland-Ukraine-Krieg: Es geht um Gebietsansprüche, Wirtschaft und Macht

Denn eines ist deutlich: Im Konflikt zwischen Russland und der Ukraine stehen vor allem Gebietsansprüche, wirtschaftliche Interessen und Macht im Vordergrund. Der Beitritt der Ukraine in die EU würde die EU-Außengrenze direkt an die russische Grenze verlagern.

Von November 2013 bis Februar 2014 kam es zu den sogenannten Maidan-Protesten in der Ukraine. Die Demonstrant:innen forderten die Amtsenthebung von Präsident Wiktor Janukowytsch, vorzeitige Präsidentschaftswahlen sowie die Unterzeichnung des Assoziierungsabkommens mit der EU. Am 8. Dezember 2013 nahmen Hunderttausende Menschen an der Demonstration auf dem Majdan Nesaleschnosti (Platz der Unabhängigkeit) in Kiew teil. Zunächst dauerten die Proteste an, bis es am 18. Februar 2014 zu einer Eskalation kam, die 80 Menschen das Leben kostete.

Erst nach einer vereinbarten Beilegung des Konfliktes durch einen seitens der Außenminister Deutschlands, Frankreichs und Polens vermittelten Vertrages endeten die Proteste und Präsident Janukowytsch floh noch in der Nacht der Unterzeichnung. Während der Endphase der Konflikte nutzte Putin die Aufregung im Land und begann mit der Annexion der Krim.

Die Annexion der Krim durch Russland ließ die Konflikte zwischen den Ländern noch größer werden

Die Halbinsel Krim machte im Laufe der Geschichte eine wechselvolle politische Entwicklung durch. Phasenweise war sie sogar autonom. Von 1946 bis 1954 gehörte die Halbinsel innerhalb der Sowjetunion als Oblast zur russischen, danach bis 1991 zur ukrainischen Sowjetunion. Ab 1991 galt die Krim als autonome Republik innerhalb der Ukraine. Bereits 1992 bis 1994 gab es wegen russischer Abspaltungsversuche der Krim eine Krise zwischen der Ukraine und der Russischen Föderation.

Am 27. Februar 2014 besetzten bewaffnete Kräfte strategisch wichtige Punkte der Krim. Bei den Soldaten ohne Rang und Hoheitszeichen auf der Uniform handelte es sich offenbar um russische Spezialtrupps. Das von den Bewaffneten besetzte Regionalparlament wählte unter Ausschluss der Öffentlichkeit den Politiker Sergej Aksjonow von der Partei „Russische Einheit“ zum neuen Regierungschef – ohne Zustimmung des ukrainischen Präsidenten, wie es die Verfassung eigentlich vorsah.

Am 6. März 2014 beschloss das neu eingesetzte Regionalparlament den Anschluss der Krim an die Russische Föderation. Das am gleichen Tag durchgeführte Referendum – "Wiedervereinigung" mit Russland oder Wiederherstellung der Verfassung von 1992 mit der Krim als Teil der Ukraine – gilt bis heute in den meisten Staaten als unrechtmäßig. Der Erhalt des Status als autonome Republik innerhalb der Ukraine stand nicht mehr zur Debatte. An den Ergebnissen – die "Wiedervereinigung" mit Russland – dieser Wahl wird bis heute gezweifelt. Ende 2014 gab Putin zu, dass reguläre russische Soldaten an der Besetzung der Krim und damit auch an der Vorbereitung des Referendums beteiligt waren.

Die Krim-Krise verstärkte die Kämpfe im Osten der Ukraine um die Region Donbass

Die Ereignisse der Krim-Krise prägen das Verhältnis zwischen der Ukraine und Russland bis heute. Seit der Annexion der Krim herrscht im Donbass – im Osten der Ukraine – ein von Russland geschürter Krieg mit mehr als 100.000 Toten. Russland initiierte dort die Separationsbewegung und unterstützt sie bis heute. Dabei geht es um Donezk und Luhansk – die Gebiete, die direkt an der Grenze zu Russland liegen.

In diesen beiden Gebieten herrscht seitdem ein Krieg zwischen den westlich-orientierten Bürger:innen und dem pro-russischen Teil. Die pro-russischen Kräfte kämpfen für eine Abspaltung der zwei Volksrepubliken Donezk und Luhansk von der Ukraine. Die Sorge um eine erneute Annexion ukrainischen Raums in Form der Donbass besteht daher seit 2014. Russland übt immer wieder Druck auf die Ukraine aus, um eine Annäherung an die EU zu verhindern. Unter anderem erschwerte Russland den Handel in den ukrainischen Hafenstädten Mariupol und Berdjansk durch scharfe Kontrollen an der Meerenge bei Kertsch – zwischen der Krim und Russland.

Zwar wurde 2015 durch das Abkommen Minsk II, welches von Deutschland und Frankreich vermittelt wurde, ein nachhaltiger Waffenstillstand zwischen Russland und der Ukraine unterzeichnet, OSZE-Beobachter berichten allerdings von mehr als 13.600 Verstößen.

Warum eskalierte die Situation und führte zu dem jetzigen Krieg zwischen Russland und der Ukraine?

Doch warum ist das Ganze jetzt eskaliert? Wladimir Putins Sorge um die Osterweiterung des Verteidigungsbündnisses der NATO ist nach wie vor ungebrochen, das stellt er zumindest in den Vordergrund. Er sieht es als Gefahr und Bedrohung für sein Land an, dass die NATO direkt an der russischen Grenze entlanglaufen könnte. Daher will er weiterhin verhindern, dass sich die Ukraine – wie bereits Estland, Litauen, Lettland und Polen – dem Bündnis anschließt. Diese Angst Putins vor der NATO ist jedoch nur vorgeschoben, denn im Grunde geht es ihm um die Erhaltung seiner Macht. Dafür beschwört er einen äußeren Feind herauf, um ihm – in diesem Fall der Ukraine – die Schuld zuweisen zu können.

Am 21. Februar 2022 hatte Wladimir Putin in einer langen Rede einen historischen Exkurs aufgestellt, bei dem er der Ukraine das Existenzrecht absprach und die Gebiete im Donbass als eigenständig anerkannte. Damit verstößt er offen gegen das Minsk II-Abkommen, in dem klar geregelt war, dass die beiden Gebiete Luhansk und Donezk wieder in die Ukraine integriert werden sollten. Die Tatsache, dass die Ukraine existiere und sich der EU annähere, bezeichnete der russische Präsident als Sicherheitsrisiko für sein Land.

Vorwurf Russlands: Völkermord durch die Ukraine an russischstämmigen Bürger:innen

Im Nationalen Sicherheitsrat im Kreml war zuvor von einer Art Genozid die Rede. Nach dieser Auslegung würde die Ukraine die russischsprachige Bevölkerung im Donezk-Becken vernichten wollen. Die Ukraine sei ein faschistisches Terrorregime – dabei ist die aktuelle Regierung rund um Wolodymyr Selenskyj demokratisch gewählt worden. Russland müsse eingreifen und die russische Bevölkerung retten, so Putin. Bei den Äußerungen von Putin handelt es sich um reine Propaganda, um einen Einmarsch in die Ukraine weiter vor dem eigenen russischen Volk zu rechtfertigen.

Bereits jetzt zeigt sich allerdings, dass die Bevölkerung Russlands nicht einheitlich hinter dem Krieg steht. Etliche Demonstrationen fanden auch auf russischem Boden statt ­– und endeten häufig mit zahlreichen Verhaftungen Seitens der Polizei.

Du willst helfen? Bei der "Stiftung Stern Hilfe für Menschen e.V." kannst du für die Menschen in der Ukraine spenden. Die Redakteur:innen des Stern überzeugen sich vor Ort davon, dass dein Geld bei den Menschen in Not ankommt. Hier geht es zum Spendenportal.

Verwendete Quellen: wdr.de, tagesschau.de, deutschlandfunk.de, bpb.de, swp.de

Brigitte

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