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Kosovo: ein langer Weg zur Unabhängigkeit

Der Kosovo hat seine Unabhängigkeit von Serbien ausgerufen - und damit für viel Wirbel gesorgt. Während Deutschland das Vorgehen begrüßte, gab es in Serbien brutale Gegendemonstrationen. Wir erklären euch kurz und knapp, worum es genau geht!
Independance Day: Kosovaren bedanken sich bei den USA, Frankreich und der EU für deren Unterstützung.
Independance Day: Kosovaren bedanken sich bei den USA, Frankreich und der EU für deren Unterstützung.
© UN Photo / Afrim Hajrullahu

Auch Tage nach der Unabhängigkeitserklärung des Kosovos ist noch keine Ruhe in den kleinen Balkanstaat eingekehrt. Viele Staaten (darunter Russland und Serbien) weigern sich, das Land als eigenständige Republik anzuerkennen, und noch immer gibt es gewaltsame Ausschreitungen auf Gegnerseite. Wir haben für euch die wichtigsten Fakten zusammengestellt!

Kosovo im Überblick

Kosovo: ein langer Weg zur Unabhängigkeit
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Am 17. Februar 2008 erklärte der Kosovo seine Unabhängigkeit. Vorher war das Land eine serbische Provinz und stand seit dem Kosovokrieg 1999 unter UN-Verwaltung. Über die Hälfte der knapp zwei Millionen Einwohner sind jünger als 25. Die Mehrzahl der Bürger sind muslimische Albanen, die in ihrem Denken sehr gemäßigt und pro-westlich eingestellt sind. Die Serben stellen im Kosovo eine Minderheit dar, mit etwa sieben Prozent der Bevölkerung. Eine zersplitterte Parteienlandschaft, ein instabiles Parteiensystem, eine hohe Korruptions- und Kriminalitätsrate sowie extreme Arbeitslosigkeit (etwa 40 Prozent) sind nur einige Probleme, mit denen der junge Staat konfrontiert wird. Hinzu kommt die Abhängigkeit vom Ausland: Wegen des desolaten Wirtschaftssystems ist der Kosovo auf finanzielle Unterstützung angewiesen.

Bewegende Geschichte

Um die derzeitige Entwicklung im Kosovo zu verstehen, muss man einen Blick in die Geschichte werfen. Und die war für die junge Republik sehr bewegend: 1912: Nach dem ersten Balkankrieg und dem Ende des osmanischen Reiches wird der Kosovo den Staaten Serbien und Montenegro zugesprochen. 1918: Mit Ende des Ersten Weltkrieges gründet sich das Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen unter serbischer Führung, das später in Jugoslawien unbenannt wird. Der Kosovo wird gegen den Willen der Bevölkerung Teil dieses neuen Staates. Überhaupt war die politische Situation in dem noch jungen Staat von Anfang an angespannt: Auf der einen Seite gab es Teilrepubliken wie Kroatien und Slowenien, die nach Unabhängigkeit von Jugoslawien strebten, auf der anderen Seite verfolgte die serbische Führung eine Politik der harten Hand, die nicht vor der Unterdrückung anderer Religionen zurückschreckte. 1945: Unter Präsident Tito (Kommunistische Partei) wird die Föderative Volksrepublik Jugoslawien mit den Teilstaaten Serbien, Kroatien, Slowenien, Bosnien-Herzegowina, Montenegro und Mazedonien, sowie den serbischen Provinzen Kosovo und Vojvodina gegründet. 1974: Der Kosovo wird zur autonomen Provinz Serbiens erklärt und gehört damit eigentlich nur noch formell zu Serbien. Tatsächlich aber erhält das kleine Gebiet auch weiterhin kein Recht auf Selbstbestimmung. 1980: Tito stirbt. Die Unabhängigkeitsbestrebungen der einzelnen Teilstaaten gegen den Willen von Serbien werden stärker - der Zerfall Jugoslawiens zeichnet sich ab. 1989: Slobodan Milosevic, der serbische Präsident Jugoslawiens, schafft den Autonomiestatus des Kosovos gegen den Widerstand der Bevölkerung wieder ab. 1992: Die Jugoslawienkriege brechen aus. In deren Folge rufen Kroatien, Bosnien-Herzegowina, Slowenien und Mazedonien gegen den Willen von Serbien ihre Unabhängigkeit aus. Serbien und Montenegro gründen die Bundesrepublik Jugoslawien und benennen sich später in Serbien und Montenegro um. Montenegro erklärt sich 2006 unabhängig. 1996: Es gibt gewalttätige Auseinandersetzungen zwischen der serbischen Armee und der albanischen Organisation UCK, die sich der Befreiung des Kosovos verschrieben hat. Die Situation eskaliert in den folgenden Jahren immer mehr: Amnesty international berichtet von ungeklärten Todesfällen, Folter und Misshandlungen auf beiden Seiten. März 1999: Kosovokrieg. Die NATO fliegt ohne UN-Mandat Luftangriffe auf Jugoslawien, um die Vertreibung und den Völkermord an den Kosovo-Albanern zu stoppen. Insgesamt sterben 2000 Menschen, 300.000 sind auf der Flucht. Juni 1999: UN-Resolution 1244: Der Kosovo wird unter UN-Verwaltung gestellt, gehört aber formell noch zu Serbien. Die NATO stationiert ihre Einsatztruppe KFOR (Kosovo Force) in dem Gebiet. Viele vertriebene Kosovo-Albaner kehren wieder zurück.

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2007: Uneinigkeit über mögliche Unabhängigkeit des Kosovos im UN-Sicherheitsrat. USA, Frankreich und Großbritannien sind dafür, Russland dagegen. Dezember 2007: Parlamentswahlen im Kosovo. Der ehemalige UCK-Anführer Hashim Thaci wird neuer Premierminister. Die rund 40.000 im Kosovo lebenden Serben hatten die Wahl boykottiert. Februar 2008: Kosovo ruft Unabhängigkeit aus.

Eine serbische Anti-Kosovo-Demonstration
Eine serbische Anti-Kosovo-Demonstration
© UN Photo / Olivier Salgado

Ausrufung der Unabhängigkeit

Mit den Worten "Wir, die demokratisch gewählten Führer unseres Volkes, erklären das Kosovo mit dieser Deklaration zu einem unabhängigen und souveränen Staat", rief Ministerpräsident Thaci am 17. Februar 2008 die Republik Kosovo aus. Die Unabhängigkeitserklärung ist einseitig, da Serbien den Kosovo weiterhin als eigene autonome Provinz betrachtet. Die internationale Staatengemeinschaft ist geteilter Auffassung: Hier ist ein Überblick, welche Staaten ein eigenständiges Kosovo bereits akzeptiert haben. Tatsächlich bleibt der völkerrechtliche Status umstritten, da eine neue UN-Resolution bislang fehlt und der Kosovo somit formell weiterhin ein Teil von Serbien ist. Während die Kosovo-Albaner ihre Unabhängigkeit mit Autokorsos und Straßenfesten gefeiert haben, gab es in vielen serbischen Städten schwere Ausschreitungen: Demonstranten skandierten "Kosovo ist Serbien" und verbrannten EU- und USA-Fahnen. Bei der Stürmung der US-Botschaft vergangene Woche in Belgrad wurde ein Mensch getötet. Auch UN- und NATO-Stellungen wurden angegriffen - der UN-Sicherheitsrat kritisierte die Ausschreitungen scharf. Die serbische Regierung unter Premierminister Kostunica hat ihre Botschafter aus Deutschland und Österreich abgezogen. Vor allem die Serben, die in eigenen Enklaven im Kosovo leben, fürchten sich nun vor albanischen Übergriffen.

Die Kontrahenten

Der Premierminister des Kosovos: Hashim Thaçi
Der Premierminister des Kosovos: Hashim Thaçi
© UN Photo / Evan Schneider

Hashim Thaçi ist der erste Premierminister der Republik Kosovo und seit Januar 2008 im Amt. Der 39-Jährige ist kein unbeschriebenes Blatt: In den neunziger Jahren war er unter dem Kampfnamen "Die Schlange" politischer Aktivist bei der UCK und galt einige Zeit sogar als deren Anführer. Aus dieser Zeit werden ihm Verbindungen zur organisierten Kriminalität sowie mehrere politische Morde nachgesagt. Mit seiner Unterschrift besiegelte er 1999 den NATO-Angriff auf Jugoslawien. Unter UN-Verwaltung gründete er die Partei PDK (Demokratische Partei des Kosovo), der sowohl ehemalige UCK-Aktivisten angehören als auch intellektuelle Politikwissenschaftler. Thaçi ist pro-europäisch eingestellt und befürwortet eine rasche Anbindung des Kosovos an die EU.

Der serbische Premierminister Vojislav Kostunica
Der serbische Premierminister Vojislav Kostunica
© UN Photo/Eskinder Debebe

Vojislav Kostunica ist seit 2004 Premierminister von Serbien. Der 64-Jährige gilt als Nationalist mit anti-westlichen Tendenzen. Koštunica ist strikt gegen eine Unabhängigkeit des Kosovos. Am 8. März 2008 hat er angesichts der Kosovofrage überraschend seinen Rücktritt erklärt und Neuwahlen angekündigt.

Der serbische Präsident Boris Tadic
Der serbische Präsident Boris Tadic
© UN Photo/Devra Berkowitz

Der serbische Präsident Boris Tadic befürwortet hingegen eine schnelle Annäherung Serbiens an EU und NATO und gilt als Intimfeind von Kostunica. Zwar lehnt auch Tadic die Autonomieerklärung des Kosovos ab, er befürwortet jedoch diplomatische Verhandlungen und rief sein Volk zur Ruhe und Besonnenheit auf.

Das Hauptgebäude der UN-Mission in der Hauptstadt Pristina
Das Hauptgebäude der UN-Mission in der Hauptstadt Pristina
© UN Photo / Ferdi Limani

Wie geht es weiter?

Seit 1999 steht das Kosovo unter UN-Verwaltung: Die eigens einberufene Übergangsverwaltungsmission der Vereinten Nationen im Kosovo (UNMIK) und die von ihr gegründeten lokalen Verwaltungsinstitutionen teilen sich dort die politische Arbeit. Nun wird eine zivile EU-Krisenmission in das Land entsendet, um die Unabhängigkeit zu beobachten. Die EULEX KOSOVO besteht aus 1800 Polizisten und Juristen und übernimmt ab Juni 2008 die Aufgaben der bisherigen UN-Verwaltung. Sie soll die junge Republik beim Aufbau von Verwaltung, Polizei und Justiz unterstützen. Deutschland wird das größte Kontingent stellen. Ob die EU bei dieser Mission geschlossen vorgehen wird, ist fraglich: Während etwa Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Italien die Unabhängigkeit des Kosovos anerkannt haben, lehnen andere EU-Staaten wie Griechenland, Zypern und Spanien diese ab. Auch kritisieren Gegner die völkerrechtliche Legitimation dieser Mission, da ja noch keine neue UN-Resolution verabschiedet wurde.

Die NATO-Einsatztruppe KFOR
Die NATO-Einsatztruppe KFOR
© UN Photo / Robert E

Außerdem bleibt die NATO-Einsatztruppe KFOR weiterhin im Land stationiert. Wie Russland sich weiterhin in dem Konflikt verhalten wird, bleibt ungewiss: Am Samstag finden dort neue Präsidentschaftswahlen statt. Der Putin-treue Präsidentschaftskandidat Dimitri Medwedew, hatte vergangene Woche die serbische Hauptstadt Belgrad besucht und die Bedeutung der serbisch-russischen Beziehungen unterstrichen. Diese sind vor allem wirtschaftlicher Art: Russland plant den Bau einer Pipeline durch Serbien. Russland sieht in der Abspaltung des Kosovos einen gefährlichen Präzedenzfall für weltweite separatistische Bewegungen und wirft den westlichen Staaten vor, mit der Anerkennung des Kosovos das internationale Rechtssystem zu untergraben.

*Das Bild basiert auf dem Bild Kosovo_map-fr.svg aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der GNU-Lizenz für freie Dokumentation. Der Urheber des Bildes ist sémhur.

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