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Kopftuchverbot für Lehrerinnen: Glaube oder Beruf? Beides!

In acht Bundesländern dürfen Lehrerinnen kein Kopftuch im Unterricht tragen. Menschenrechtler verurteilen das Verbot - zu Recht, findet BRIGITTE-Redakteurin Claudia Kirsch.

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Ich gestehe: Wenn ich eine Frau mit Kopftuch sehe, habe ich den Impuls, sie forschend anzugucken: Ob sie es wohl freiwillig trägt? Und jedes Mal ärgere ich mich. Über mich. Darüber, dass ich für einen Moment dem Klischee aufsitze, dass muslimische Frauen unters Kopftuch gezwungen werden. Dabei stellt sich für viele gläubige Frauen das Problem genau andersrum: In acht Bundesländern dürfen Lehrerinnen kein Kopftuch im Unterricht tragen. Das ist eine unerträgliche Bevormundung, meine ich.

So sieht es auch Human Rights Watch. Das Verbot ist eine Verletzung der Menschenrechte, zu diesem Schluss kommt die Menschenrechtsorganisation in ihrem am Donnerstag veröffentlichten Bericht: "Diese Gesetze zwingen kopftuchtragende Frauen, sich entweder für ihren Beruf oder für ihren Glauben zu entscheiden", sagt Haleh Chahrokh. Die Autorin der Studie hat über einen Zeitraum von acht Monaten über 30 Betroffene interviewt. "Ich fühlte mich plötzlich wie eine fremde Person", so eine Grundschullehrerin. "Man wird Kopftuchfrau'", sagte eine andere. Einige Frauen zogen wegen des Verbotes um, andere entschieden sich dafür, das Kopftuch im Klassenzimmer abzunehmen - und gerieten deswegen in Gewissenskonflikte. Fast alle fühlen sich ausgeschlossen und fragen zu Recht, warum Lehrerinnen aufgrund ihrer Kleidung und nicht ihres Verhaltens beurteilt werden.

Die Debatte ums Kopftuch wird seit Jahren polemisch geführt. Die einen, die Traditionalisten, geraten in Wallung, weil sie das Kopftuch für ein religiöses Hardliner-Symbol halten. Andere, unter ihnen "Emma"-Herausgeberin Alice Schwarzer und die türkischstämmige Anwältin Seyran Ates, sind der Ansicht, das Kopftuch unterdrücke Frauen. Ein Verbot, so argumentieren sie, sei zu ihrem Schutz.

Und wenn die muslimischen Frauen diesen Schutz gar nicht brauchen oder wollen? Wo sind wir denn? Frauen sollen selbst entscheiden, ob, wie, aus welchen Gründen und in welchen Situationen sie ihren Kopf bedecken oder nicht. Ich verspreche, ich gucke auch nicht mehr blöd.

Text: Claudia Kirsch Foto: Getty Images

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