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"In Meetings geweint" Kekskonzern-Erbin Verena Bahlsen berichtet von Tränen und Panikattacken im Job

Kekskonzern-Erbin Verena Bahlsen: Verena Bahlsen
Emotionaler Abschied: Verena Bahlsen verlässt das Familienunternehmen
© tagesspiegel / imago images
Verena Bahlsen verlässt den Kekskonzern ihrer Familie und hat dazu einen erstaunlichen Abschiedstext veröffentlicht. Darin spricht sie offen über psychische Probleme und Panikattacken im Job – und sagt auch, wie sie jetzt in die Zukunft blickt.

Der Name Bahlsen ist eine Institution in der deutschen Backwarenbranche. Seit 1889 gibt es das Familienunternehmen, das unter anderem durch den Leibniz-Keks berühmt wurde. Und seit 2018 arbeitet auch die Konzernerbin Verena Bahlsen im Unternehmen mit. Nun verlässt die 29-Jährige, die den Titel "Chief Mission Officer" trägt, das Unternehmen.

Während zum 1. Januar mit Alexander Kühnen ein von außen kommender Manager den Chefposten übernimmt, endet für die Tochter von Konzernpatriarch Werner Bahlsen, der auch mal selbst Ambitionen auf die Position nachgesagt wurden, die aktive Rolle im Unternehmen. Zum Abschied hat Verena Bahlsen auf dem Karrierenetzwerk Linkedin nun einen emotionalen Text veröffentlicht. Darin verabschiedet sie sich mit warmen Worten von ihren Kollegen, spricht aber auch offen über psychische Probleme und Panikattacken im Job. 

Panikattacke im Weizenfeld

An ihre Kollegen gerichtet schreibt Bahlsen: "Es war mir oft peinlich, wenn ihr mich in Momenten der Angst, des Überfordertseins oder der Unsicherheit gesehen habt." Sie spricht von "beschissenen Momenten", die aber auch die Beziehung zu den Kollegen vertieft hätten. "Ich habe in vielen Meetings geweint", schreibt Bahlsen. Einmal habe sie mit dem Konzernchef in einem Weizenfeld gestanden und eine Panikattacke gehabt. "Ich war manchmal unfreundlich oder ungeduldig, habe Leute unterbrochen, wenn ich hätte zuhören sollen, oder war kalt und hart, wenn ich hätte weich bleiben sollen." Sie spricht von einem inneren Kampf um Authentizität in ihrer Rolle, aber auch von Unterstützung durch die Kollegen. Sie sei sehr dankbar und habe viel von den Kollegen gelernt, schreibt sie in dem auf Englisch verfassten Text.

Medial war Verena Bahlsen 2019 bekannt geworden, als sie mit unbedachten Äußerungen zur NS-Vergangenheit des Unternehmens für Kritik sorgte. Zur Rolle von NS-Zwangsarbeitern bei Bahlsen sagte sie damals, das sei alles vor ihrer Zeit gewesen, man habe die Zwangsarbeiter gut behandelt und das Unternehmen habe sich nichts zuschulden kommen lassen. Die Aussagen wurden weithin als verharmlosend aufgefasst. Verena Bahlsen ruderte anschließend verbal zurück, ihr Vater nannte die Aussagen einen Fehler.

"Alles, was ich je geliebt habe"

Auf die Arbeit bei Bahlsen blickt Verena aber auch mit positiven Gefühlen zurück. In zwei Jahren habe sie drei große Marken-Relaunchs mitgemacht, schreibt Bahlsen. "Wir hatten einige dumme Ideen zusammen und einige großartige." Immer, wenn sie nun in einem Supermarkt sei, gehe sie zum Keksregal, wissend wie viel Arbeit in jede Marke geflossen sei "und ich fühle Stolz und Freude wie schön das Ergebnis ist".

Für sie persönlich sei der Abschied vom Familienunternehmen eine gewaltige Sache. "Das ist alles, was ich je geliebt habe! Mein Identitätsgefühl ist so eng mit Bahlsen, mit meinem Erbe und mit diesen Marken verwoben. Ich bin also gespannt (und nervös), wer ich darüber hinaus sein werde."

Erstmal surfen, dann weitersehen

Sie habe keine Ahnung, was sie als nächstes tun werde, schreibt Bahlsen. Ein paar Einblicke in ihre Wünsche und Ziele gibt sie aber doch. Sie liebe die Kraft von Marken und wolle noch mehr darüber lernen. Daher habe sie entschieden, sich Zeit dafür zu nehmen, "all die verschiedenen Wege kennenzulernen, in denen Menschen Geschichten erzählen und sich gegenseitig inspirieren". Sie wolle lernen, wie man richtig gut schreibt, sie wolle ein Praktikum an einem Filmset machen und ein bisschen als Freelancer im Bereich Markenstrategie arbeiten.

Wer einen Job für sie habe, dürfe sich gerne melden, schreibt sie mit Zwinkersmilie. "Aber gebt mir vielleicht erst einmal ein paar Wochen Zeit, um zu surfen, am Strand zu sitzen und skandalös unproduktiv zu sein." Das Foto, schließt Verena Bahlsen ihren Beitrag, sei übrigens von ihrem Therapeuten gemacht worden, das sei ihr passend erschienen.

Dieser Artikel erschien ursprünglich beim STERN.

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