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Plädoyer: Hört endlich auf mit der "Kampfhund"-Hetze!

Kampfhund-Debatte: Hund hinter Maschendrahtzaun (Symbolfoto)
© Ralph Cramdon (Symbolfoto) / Shutterstock
Besitzer von Staffordshire oder Bullterrier, macht euch gefasst: Die "Kampfhund"-Hetze geht wieder los. Ring frei für eine neue Runde Bestien-Bashing! Unsere Autorin macht das wütend.

"Killer-Hund auf Freigang" titelte die "Bild"-Zeitung am Mittwoch. Vom "Kampfhund Chico" war allerorts zu lesen, der "wie eine Waffe" seine Besitzer tot biss. Ich könnte, gelinde gesagt, brechen bei diesen Schlagzeilen. Den gemeinen "Kampfhund" gibt es meiner Meinung nach so nicht.

Damit wir uns nicht falsch verstehen: Zwei Menschen, eine 52-Jährige und ihr 27-jähriger Sohn, sind gestorben. Laut Obduktionsbericht waren die Bisse von Staff-Mix Chico ursächlich für diese Tode. Das ist furchtbar; für die Hinterbliebenen wie für Unbeteiligte eine entsetzliche Geschichte.

Wenige Tage nach dem Fall aus Hannover folgte eine weitere Hunde-Attacke. Opfer diesmal: ein Säugling, gerade sieben Monate alt. Der kleine Jannis starb an schweren Bissverletzungen. Zugeschnappt haben soll erneut ein Staffordshire-Mischling. Schnell ist wieder die Rede von einem "Kampfhund-Mix", gefährlich für seine Umwelt.

Nur: Hunde kommen nicht als Killer-Maschinen zur Welt. Jedenfalls nicht "von Natur aus". Sie sind auch nicht "böse". Sie werden von Menschen dazu gemacht – und im Nachhinein, wenn Schlimmes passiert, zu Bestien stilisiert.

Eine Rasse unter Generalverdacht – geht's noch?

Gerade die hierzulande so verteufelten Listenhunde – Staffordshire-Terrier, Bullterrier, Rottweiler – gelten anderswo als treue Familienhunde. Richtig, einige wurden einst für Hundekämpfe eingesetzt. Ja, sie haben kräftige Kiefer. Und ja, wenn so einer zuschnappt, ist größerer Schaden zu erwarten als beim Biss eines Chihuahuas.

Doch eine ganze Rasse unter Generalverdacht zu stellen, ist schlichtweg falsch.

In Hamburg beispielsweise gelten bestimmte Hunderassen als "unwiderlegbar gefährlich". Zucht und Haltung dieser Rassen sind grundsätzlich verboten beziehungsweise bedürfen einer behördlichen Erlaubnis. Selbst seriösen Menschen wird ein Zucht-Ansinnen so erschwert bis unmöglich gemacht. Der Gesunderhaltung und genetischen Vielfalt einer Rasse dient das nicht. Es führt aber auch nicht zu der – ja wohl angedachten – Ausrottung. Sondern treibt, weiter gedacht, bestimmte Rassen geradezu in die Arme der Kriminalität: Ui, einen "gefährlichen Kampfhund" besitzen, das schickt sich für redliche Bürger nicht – aber für solche, die das Gesetz ohnehin nicht schert, sind diese Rassen geradezu ein Symbol der Auflehnung.

Folge der Verbotswut: illegale Verpaarungen, Inzucht und unzulängliche Haltungsbedingungen. Resultat sind wiederum schlecht sozialisierte Hunde, verkauft schlimmstenfalls aus dem Kofferraum auf einer Raststätte. Dass diese Tiere im Zweifel wesensgestört sind, überrascht wohl kaum jemanden.

Der Mensch agiert, der Hund reagiert

Bis ein Hund, grundsätzlich äußerst sozial veranlagt, wie wild auf andere losgeht (erst recht auf seine eigene Familie), dafür muss schon einiges passieren. Meine Überzeugung: Der Mensch agiert, der Hund reagiert. Ob als Kurzschlussreaktion oder über einen langen Zeitraum angestaut.

Deshalb werde ich auch künftig nicht die Straßenseite wechseln, wenn mir ein Staff, ein Bullterrier oder ein Rottweiler entgegenkommt. Im Gegenteil. Am liebsten würde ich gerade diese Hunde ausgiebig hinter den Ohren kraulen – nicht ohne mich vorher bei Besitzer und Wauzi zu versichern, dass dem Tier auch gerade der Sinn danach steht.

Und, nur so nebenbei: Dem Biss von Nachbars Labrador hält auch kein Kinderkopf Stand.

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