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Julie Cordua: Ihr Kampf gegen Kindesmissbrauch

Julie Cordua: Ihr Kampf gegen Kindesmissbrauch: Kind versteckt sich hinter Teddybär
© HTWE / Shutterstock
Im Internet kursieren Millionen von Bildern und Videos vergewaltigter Kinder. Die Täter sind technisch immer versierter – die Amerikanerin Julie Cordua findet sie trotzdem.

Vor sechs Jahren bekam Julie Cordua einen Anruf, der ihr endgültig klarmachte, wie gigantisch das Problem war, gegen das sie kämpfte. "Es war das FBI. Sie wollten, dass ich ihnen helfe, ein Mädchen zu identifizieren, dessen Vergewaltigungen im Netz zu sehen waren." Der Täter postete alle paar Wochen neue Bilder und Filme auf verschiedenen Plattformen im Darknet, er war aber gewieft genug, kaum Hinweise auf seine Identität zu geben.

Missbrauchsbilder im Netz

Cordua, 43, war damals seit zwei Jahren Geschäftsführerin einer Organisation, die das (damalige) Schauspielerpaar Demi Moore und Ashton Kutcher gegründet hatten und die sich gegen Mädchenhandel engagierte: Man versuchte, vermisste Mädchen aufzuspüren, indem man die Fotos einschlägiger Online-Anzeigen mithilfe einer Gesichtserkennungssoftware scannte. Doch die Suche war oft eine Sisyphus-Arbeit – angesichts der technischen Finesse der Täter und der Massen von kinderpornografischem Material, das auf Plattformen wie Tumblr, Online-Datenspeicherdiensten wie Dropbox oder im Darknet kursiert. Allein 2018 wurden dem amerikanischen Anti-Missbrauchszentrum NCMEC rund 45 Millionen Bilder und Videos von sexuellem Missbrauch Minderjähriger gemeldet, laut Cordua "eine Zunahme um 10 000 Prozent seit 2004". 60 Prozent der Bilder zeigten Kinder unter zwölf Jahren, viele davon sind Opfer schwersten sexuellen Missbrauchs und Folter. Die meisten konnten weder identifiziert noch von ihren Qualen erlöst werden. Auch im Fall des Mädchens, wegen dem das FBI Cordua kontaktiert hatte, dauerte es ein ganzes Jahr, bis es gefunden und befreit werden konnte. Doch die Bilder seines Missbrauchs sind nach wie vor im Netz zu finden.

Für Cordua war das der entscheidende Anstoß, ihre Strategie zu ändern. "Wir beschlossen, eine Software zu bauen, die das Missbrauchsmaterial bereits beim Hochladen und Teilen identifiziert. Jede Plattform, jede Behörde soll sie nutzen." Solange nämlich jeder sein eigenes Programm verwende, sei eine Kooperation kaum möglich; die jedoch sei Voraussetzung für ein rasches Identifizieren von Opfern und Tätern. "Außerdem weiß man nicht, welche Bilder von Kindern stammen, die schon gerettet wurden, und welche noch gefunden werden müssen."

Trauriges Kind

Anti-Missbrauchs-NGO Thorn

Bis Cordua bei dem Projekt von Moore und Kutcher anfing, hatte sie von den weltweiten Dimensionen von Kindesmissbrauch wenig Ahnung; als Marketing-Vizechefin einer Aids-Hilfsorganisation wusste sie aber, wie man Menschen von einer Idee begeistert und Geld für einen guten Zweck sammelt. Das schaffte sie auch bei Thorn (deutsch: Dorn), wie das Projekt seit 2012 heißt: 2019 erhielten Cordua und ihr inzwischen 40-köpfiges Team umgerechnet rund 250 Millionen Euro von einer Sozialinvestment-Plattform. Das Geld nutzt Thorn, um die Software stetig zu verbessern und möglichst viele Tech-Firmen und Behörden zu überzeugen, damit zu arbeiten. In 55 Ländern ist das Programm heute im Einsatz. Wie es genau funktioniert, will Cordua nicht verraten, um den Tätern kein Know-how preiszugeben. Doch sie sagt, wo es genutzt werde, reduziere es die Zeit, bis ein Kind identifiziert und gefunden werde, um 65 Prozent. Mehr als 14 000 Kinder seien so in den vergangenen vier Jahren entdeckt worden.

Gerade startet Thorn eine Aufklärungskampagne für Familien. "Eltern können nicht früh genug anfangen, mit ihren Kindern über das Thema zu sprechen", sagt Cordua, selbst dreifache Mutter. Die Täter nutzten zunehmend soziale Netzwerke, um Minderjährige zu überreden, Nacktfotos oder Bilder von sexuellen Posen hochzuladen. "Die meisten Uploads kommen inzwischen von den Kindern selbst." 

Julie Cordua, 43, baute die Anti-Missbrauchs-NGO Thorn (www.thorn.org) mit auf. Sie studierte Kommunikationswissenschaften und Marketing und arbeitete für Tech-Firmen und die Hilfsorganisation (RED), wo sie 160 Millionen Dollar Spenden zur Aids-Bekämpfung in Afrika akquirierte. Mit ihren drei Kindern und ihrem Mann, einem Finanzberater, lebt sie in der Nähe von Los Angeles.

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BRIGITTE 03/2020

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