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Geborgenheit hinter Gittern: Seniorinnen werden kriminell, weil sie ins Gefängnis wollen

Geborgenheit hinter Gittern: Seniorinnen werden kriminell, weil sie ins Gefängnis wollen
© Michiko Design / Shutterstock
Japan hat mit einem neuen Phänomen zu kämpfen: Alte Menschen werden kriminell, damit sie ins Gefängnis kommen. Auch bald bei uns?

Fast alle Industrienationen haben mit Überalterung zu kämpfen. Die Folgen: Einsamkeit, Krankheit, Pflegenotstand. Nun zeigt sich in Japan, dem Land mit der ältesten Bevölkerung der Welt, ein weiteres, überraschendes Problem: Alterskriminalität. Wie Bloomberg berichtet, sind es vor allem Frauen, die Ladendiebstahl begehen, um ins Gefängnis zu kommen – auf der Suche nach Gemeinschaft, Geborgenheit und Hilfe beim Alltag.

Fast jede fünfte Frau in Japans Gefängnissen ist Seniorin

Früher wurden die Alten in den Familien versorgt, doch das hat sich in den vergangenen Jahrzehnten geändert. Von 1980 bis 2015 hat sich die Zahl allein lebender Senioren versechsfacht. Eine Studie an den Gefängnissen Tokios kam zu dem Ergebnis, dass mehr als die Hälfte der Häftlinge alleine lebt und einsam ist. Viele Frauen gaben an, dass sie niemanden hätten, an den sie sich wenden könnten, wenn sie Hilfe benötigten.

Viele haben niemanden, an den sie sich wenden können, wenn sie Hilfe brauchen

Hinzu kommt, dass diese Frauen oft arm sind. “Mein Mann starb letztes Jahr”, erzählte eine Insassin. “Wir haben keine Kinder, ich war ganz allein. Ich ging in den Supermarkt, um Gemüse zu kaufen, dann sah ich eine Packung Rindfleisch. Ich wollte es haben, konnte es mir aber nicht leisten. Also nahm ich es.“

Frau T. war mit der Pflege ihres Mannes überfordert

Insassin Frau T. (80) erzählte, dass sie zu Hause ihren Mann pflegen musste, was sie massiv überforderte. Ihr Mann hatte einen Schlaganfall, leidet an Demenz und Verfolgungswahn. Doch die alte Dame konnte mit niemandem darüber sprechen, wie sie unter der Pflege litt, weil sie sich schämte. So habe sie spontan zu stehlen begonnen: In einem Laden habe sie über ihr Leben nachgedacht und gespürt, dass sie nicht mehr nach Hause wolle. Sie kam sie auf die Idee, dass das Gefängnis ein Ort wäre, wo sie Hilfe finden würde.

Heute sagt sie: “Mein Leben ist viel leichter im Gefängnis. Ich kann alleine sein und atmen. Mein Sohn sagt, dass ich krank sei und in die Psychiatrie gehöre. Aber ich glaube nicht, dass ich krank bin. Ich glaube, die Angst brachte mich dazu, zu stehlen.“ Frau T. wurde zu zweieinhalb Jahren Haft verurteilt. Für sie bedeutet das Urteil: Zweieinhalb Jahre Frieden und Freiheit von den Härten des Alltags.

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