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Christiane Paul: "Das Leben ist eine Öko-Baustelle"

Die Schauspielerin Christiane Paul hat versucht, ökologisch bewusst zu leben und darüber ein Buch geschrieben. Im Interview mit BRIGITTE.de erzählt sie von persönlichen Helden, dem Glück durch Konsumverzicht und wie sie ihre Kinder zu Flexitariern erzieht.

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BRIGITTE.de: Wie sind Sie auf den Öko-Trip gekommen?

Christiane Paul: Es gab kein echtes Aha-Erlebnis. Ich habe mich eigentlich schon immer für ökologische Fragen interessiert. Schon gleich nach der Maueröffnung habe ich zum Beispiel im Bioladen eingekauft. Kurze Zeit träumte ich sogar davon, später als Ärztin auf einem Greenpeace-Schiff die Aktivisten zu betreuen. Zwischendurch war der Ökogedanke etwas verschüttet, ich war einfach mit zwei Berufen und Kind ausgelastet. Meine ökologische Wende begann 2006, als ich die alarmierenden Zahlen zum Klimawandel las. Da dachte ich: Jetzt muss ich etwas tun.

BRIGITTE.de: War es förderlich oder eher hinderlich, dass Sie in der DDR groß geworden sind?

Christiane Paul: Auf alle Fälle bin ich als politisch bewusster Mensch aufgewachsen, obwohl ein wirklich ökologisches Denken nicht vermittelt wurde. Aber es gab zum Beispiel so etwas wie den Altstofftag für Schüler. Wir haben an Haustüren geklingelt, Wertstoffe wie Papier, Glas, Kronkorken eingesammelt und zur Schule gebracht, von dort wurde es dann abgeholt. Uns wurde verdeutlicht, wie kostbar und wichtig Rohstoffe und deren Wiederverwertung waren. Natürlich auch, weil es bei uns daran mangelte. Als Kind fand ich es toll, denn ich hatte das Gefühl, etwas für mein Land tun. Aber natürlich taugte die DDR nicht als umweltpolitisches Vorbild, im Gegenteil.

BRIGITTE.de: Sie haben für ihr Buch mit engagierten Wissenschaftlern, Politikern, Psychologen und Autoren gesprochen. Wer hat Sie am meisten beeindruckt?

Christiane Paul: Eigentlich haben mich alle begeistert, ich fand es faszinierend, wie diese sehr unterschiedlichen Menschen auf ihre Weise etwas tun. Sie gehören nicht mehr in eine Nische. Und es gibt nicht richtig oder falsch, es gibt nicht die eine einzige Lösung für die globale Krise. Ein richtiger Held ist für mich Leo Hickman. Der Guardian-Journalist hat den Selbstversuch unternommen, ein ganzes Jahr lang ethisch korrekt zu leben. Ich habe mich sehr gefreut, ihn zu treffen. Er sagt, jeder Mensch solle in seiner Einflusssphäre mit der Veränderung beginnen. Auch wenn das bedeuten kann, dass man häufig fliegen muss und damit natürlich Emissionen verursacht. Manchmal kann Fliegen eben auch positiv besetzt sein, wenn dann zum Beispiel der Klimawissenschaftler Anders Levermann durch seinen Vortrag vor Managern an einem weiter entfernten Ort damit die Menschen erreicht, die ihrerseits etwas bewegen können.

BRIGITTE.de: Was haben Sie in Ihrem persönlichen Leben geändert?

Christiane Paul: Neben vielen Dingen im Alltag und Haushalt unter anderem meine Mobilität. Ich erledige sehr viel mehr mit dem Fahrrad als früher und habe mir ein umweltfreundliches Auto mit Blue-Motion-Technologie gekauft. Mir gefällt der Kiezgedanke von Boris Palmer, dem Oberbürgermeister von Tübingen. Wenn alles nah beieinander liegt, Wohnung, Arbeitsplatz, Schule, Kita und Geschäfte, dann ist es auch viel einfacher, die Wege zu Fuß oder mit dem Fahrrad zurückzulegen. Wenn irgendwie möglich, sollen meine Kinder auf Schulen in der Nähe gehen. Ich will sie nicht mit dem Auto durch die halbe Stadt fahren, damit sie eine ganz besondere Schule besuchen können. Besondere Talente kann man dennoch fördern. Wichtig ist sicher grundsätzlich, zu versuchen, einen Lebensinhalt abseits vom Konsum zu finden, sich nicht nur darüber zu definieren. Heutzutage fällt es den meisten Menschen schwer, glücklich zu sein, ohne ständig zu konsumieren. Leo Hickman habe ich als glücklichen Menschen erlebt.

BRIGITTE.de: Viel Raum nimmt in Ihrem Buch das Thema Essen und Fleischkonsum ein.

Christiane Paul: Ja, es ist einfach am engsten mit unserem alltäglichen Leben verknüpft. Es ist eigentlich nicht so schwer, den eigenen Fleischkonsum zu reduzieren. Da kann sehr wenig schon sehr viel bewirken. Ernährung ist ein ökologisch relevanter Faktor. Ich esse mittlerweile nur noch eine warme Fleischmahlzeit in drei Wochen und vielleicht mal ein Stück Wurst. Meine Kinder essen Fleisch in der Schule und in der Kita, aber ich versuche, sie zu Flexitariern zu erziehen. Also zu Menschen, die gelegentlich Fleisch essen, aber flexibel sind und nicht auf eine bestimmte Art von Ernährung bestehen.

BRIGITTE.de: Anfangen und andere mitnehmen! Das geben Sie als Losung am Ende Ihres Buches aus. Agitieren Sie gerne?

Christiane Paul: Nein, überreden funktioniert gar nicht. Ich spreche einfach Dinge an, wenn es sich ergibt. Zum Beispiel rede ich mit den Kollegen am Set über den irren Verbrauch an Plastikbechern. Oder diskutiere mit einem Kellner, dass die Heizpilze vorm Restaurant überflüssig sind.

BRIGITTE.de: Wird es ausreichen, wenn jeder Einzelne sein Leben ändert?

Christiane Paul: Nein, ganz sicher brauchen wir eine staatliche Regulierung. Wenn wir abwarten, bis die Wirtschaft mit dem Ökogedanken richtig Geld verdient, wie manche meinen, dann ist es mit Sicherheit zu spät.

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Christiane Paul: "Das Leben ist eine Öko-Baustelle", Ludwig Verlag, 19,99 €, 288 Seiten

Interview: Beate Koma

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