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Hot Girl Summer? Viel Spaß, aber ich geh lieber in den Müde-Menschen-Club

Hot Girl Summer
© ViktoriaGromova / Shutterstock
Die Hot Girl Summer Challenge ist zurück – und das letzte, was unsere Autorin gerade gebrauchen kann. Viel besser klingt in ihren Ohren der Müde-Mädchen-Sommer.

Da sind sie wieder. Die Menschen auf den Straßen, die schäkern und schunkeln, lachen und loslassen und wirklich, ich freue mich für sie. Sie sind mit Freund:innen unterwegs, wollen alles nachholen, was sie verpasst haben und ich kann sie verstehen. Ich möchte nur (noch) nicht zu ihnen gehören.

Man muss nicht einmal rausgehen, um ihnen zu begegnen. Schon wer sich gelegentlich auf sozialen Medien herumtreibt, wird sie früher oder später kennenlernen: Die Hot Girls des Sommers. Das Geschlecht ist dabei übrigens herzlich egal, vielmehr geht es bei der "Hot Girl Summer Challenge", die gerade wieder im Internet ihre Runde dreht, um eine Art Bucket-List für den Sommer.

Die Hot Girl Summer Challenge oder: Los, hab gefälligst Spaß!

Los, wir machen das jetzt! Komm mal raus aus deiner Komfortzone! Dieses Jahr brauchen wir Action! Der Sommer wird der Größte! Wir müssen alles nachholen! Da musst du dabei sein! Lauten die Botschaften der Posts, in denen sich Menschen gegenseitig verlinken, Listen erstellen, die diesen Sommer dringend abgehakt und erlebt werden müssen. Los, hab Spaß, du darfst jetzt wieder!, rufen sie mir zu. Und ich möchte mir die Bettdecke über den Kopf ziehen.

Während meine Umgebung wie ein Schulkind hibbelig tippelnd wartet, bis es in die große Pause darf, fühle ich mich eher wie eine Zweijährige in der Kita-Eingewöhnung. Die freut sich zwar über die neuen Spielkamerad:innen, die plötzlich wieder jederzeit verfügbar sind. Braucht nach ein paar Stunden aber auch definitiv eine Pause, um die neuen Sinneseindrücke zu verarbeiten. 

Ich für meinen Teil befinde mich in der Corona-Eingewöhnung. Langsam passe ich mich an die Möglichkeiten an, die in einer fernen Erinnerung mal normal waren, jetzt aber wieder ganz neu sind. Ich treffe wieder Freund:innen. Ich unterhalte mich, trinke Bier, führe Small Talk, schweige. Und werde nach zwei Stunden von Mama Müdigkeit abgeholt.

An solchen Abenden, sicher zurück in meinem Bett, durch Instagram und Hot-Girl-Summer-Stories scrollend, merke ich: Ich trage die Pandemie-Last noch mit mir. Ob auf den Schultern oder Hüften, Corona ist nicht spurlos an mir vorübergegangen. Und selbst wenn man es mir nicht ansieht, spüre ich ganz deutlich: Ich bin schwerer als vor anderthalb Jahren. Und das Abheben in die Leichtigkeit fällt mir mit Gewichten aus gelernten Regeln (lieber nur spazieren gehen!), Ängsten (darf ich dich wirklich umarmen?) und Unsicherheiten (ist es okay, unter so vielen Menschen zu sitzen?) eben gar nicht so leicht.

Herzlich Willkommen im Müde-Menschen-Club, Mitglieder:innen erwünscht!

Bei meiner Recherche bin ich übrigens auf die:den eine:n oder andere:n Gefühlsgenoss:in gestoßen. Darunter Autorin Sophie Passmann, die in einem Post auf Instagram schrieb: "Ich glaube, ich muss YouTube-Tutorial-Und-im-Bett-liegen-Girl-Summer machen. Und Ausschlaf-Girl-Summer. Und Therapie-Girl-Summer. Und langsam-wieder-an-Leute-gewöhnen-Girl-Summer." Und das klingt viel mehr nach einer Challenge nach meinem Geschmack: Der Tired-Girl-Summer. Ich bin fast versucht, einen Müde-Menschen-Club zu gründen. Kleiderordnung: Pyjama. Programmpunkte: Keine. Begrüßung: Hallo, ich bin Mareike, und ich bin müde. 

Der Inbegriff meines "Hot Girls Sommers" lautet also vielmehr: Zurück in die Normalität finden. Wer macht mit?

Brigitte

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