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Horia Mosadiq: "Ich glaube fest an Gerechtigkeit in Afghanistan"

Die afghanische Journalistin Horia Mosadiq, 36, recherchiert für Amnesty International die Lage der Frauen in ihrem Heimatland. Wir haben mit ihr über Zwangsehen, häusliche Gewalt und Morddrohungen gesprochen.

BRIGITTE.de: Sie sind Mutter von drei Kindern und setzen sich als Journalistin für die Menschenrechte in Afghanistan ein. Haben Sie manchmal Angst, selbst auf der Todesliste der Taliban zu stehen?

Horia Mosadiq: Nein. Sicherlich habe ich mich in Gefahr begeben, indem ich Menschenrechtsverstöße in Afghanistan aufgedeckt, sogar die Namen wichtiger Täter enthüllt habe. Aber ich glaube fest an die Gerechtigkeit, und deshalb habe ich auch keine Angst.

BRIGITTE.de: Das Regime der Taliban ist 2001 zusammen gebrochen, nach der Verfassung haben Frauen und Männern gleiche Rechte. Doch es gibt immer wieder furchtbare Anschläge auf Mädchenschulen. Taliban-Anhänger spritzen Schülerinnen Säure ins Gesicht, manche sind ihr Leben lang entstellt. Haben Mädchen zunehmend Angst, zur Schule zu gehen?

Horia Mosadiq: Es stimmt, dass in den letzten drei Jahren die Anschläge zugenommen haben, gerade auf die Mädchenschulen. Natürlich sind viele Schülerinnen verunsichert, manche haben Angst. Trotzdem lassen sich die meisten nicht abschrecken und gehen nach wie vor zur Schule.

BRIGITTE.de: Viele afghanische Mädchen wurden sehr früh zwangsverheiratet. Ist das heute immer noch gängige Praxis?

Horia Mosadiq: Leider ja - obwohl die Zwangsehe nach der islamischen Religion verboten ist. Ich weiß von einer Frau im Süden, die von ihrem Vater gezwungen wurde, einen 25 Jahre älteren Mann zu heiraten. Sie floh von zu Hause, wurde von der Polizei aufgegriffen und inhaftiert, wofür es überhaupt keine legale Basis gab. Das Schlimme ist, dass diese Frauen nicht die geringste Unterstützung von Regierung und Justiz bekommen.

BRIGITTE.de: Immer wieder werden Frauen in Afghanistan Opfer häuslicher Gewalt, werden von ihren Männern beschimpft und geprügelt. Können sie in Frauenhäusern Schutz finden?

Horia Mosadiq: In den größeren Städten gibt es einige Frauenhäuser, aber die reichen bei weitem nicht aus. Und häufig sind nicht nur die Opfer gefährdet, sondern auch die Mitarbeiterinnen der Frauen-häuser, die von den Ehemännern der Opfer bedroht werden. Ich habe eine Frau getroffen, die regelmäßig von ihrem Mann geschlagen und missbraucht wurde, der ein mächtiger Posten-kommandant war. Eines Tages hat sie Klage gegen ihn erhoben. Um sie vor ihm in Sicherheit zu bringen, hat das örtliche Frauenreferat sie in einem Frauenhaus in Kabul untergebracht. Der Ehemann hat alles dran gesetzt, sie zu finden, und dabei auch Mitarbeiterinnen der Frau-enhäuser bedroht. Hilfe zu leisten kann sehr gefährlich sein.

BRIGITTE.de: Inwieweit können Aktivistinnen, die für die Rechte der Frauen kämpfen, heute ihre Meinung sagen?

Horia Mosadiq: Sie müssen mit Morddrohungen rechnen und leben in ständiger Angst. In den letzten beiden Jahren wurden mehrere prominente Frauen von den Taliban getötet, zum Beispiel die deutsch-afghanische Frauenrechtlerin Setara Achekzai oder Malalay Kakar, eine hochrangige Polizeibeamtin in Kandahar. Aber nicht nur die Taliban sind gegen diese aktiven Frauen - manchmal sind es auch die eigenen Familienmitglieder.

Interview: Franziska Wolffheim Foto: privat

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