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Hate Speech Diese Frau kämpft gegen Hetze im Netz

Hate Speech: Anna-Lena von Hodenberg
© photothek / imago images
Anna-Lena von Hodenberg bekämpft die digitale Hetze im Netz – indem sie den Betroffenen hilft, die Hater zu verklagen.

Als Ende 2015 der Rechtsextremismus erstarkte und rechtspopulistische Parteien in immer mehr Landtage einzogen, wurde Anna-Lena von Hodenberg klar, dass sie etwas tun muss. Ein Land, das nach rechts kippt – dabei wollte sie nicht einfach zusehen. Kurzerhand kündigte sie ihren Job als TV-Journalistin und heuerte bei der Kampagnenplattform Campact an, als Zuständige für den Bereich Antirassismus.

Wenn mir etwas Angst macht, gehe ich darauf zu

Sie sei im Geist von "Nie wieder Faschismus" groß geworden, erzählt sie. Ihre Eltern hätten sie oft mit auf die Ostermärsche genommen, das habe ihre politische Haltung geprägt – "Wenn die Ächtung des Rechtsextremismus brüchig wird, bedroht es das, was unsere Gesellschaft heute ausmacht." Überhaupt sei sie ein aktionistischer Typ: "Wenn mir etwas Angst macht, gehe ich darauf zu."

Ihr Thema fand sie nach dem Vortrag einer Ex­tremismusforscherin, den sie einige Zeit später hörte. Die Rednerin erklärte, wie systematisch rechte Kreise das Internet nutzen, wie sie Politiker*innen und Aktivist*innen gezielt mit Hasskommentaren und Gewaltandrohungen überziehen, um sie zum Verstummen zu bringen. Und damit auch viele andere abschrecken. "Da wurde mir erst richtig klar, wie gefährlich die Hetze im Netz tatsächlich ist." Für die Opfer von digitalem Hass, so fand sie heraus, gab es noch keine zentrale Anlaufstelle. Und oft bagatellisierten Polizei und Justiz die Attacken, weil es "doch nur im Internet passiere".

Damit sich das ändert, hat von Hodenberg vor zwei Jahren mit Campact und Fearless Democracy, einem Verein, der offenlegen will, wie sich die populistische Wut konkret im Netz verbreitet, HateAid gegründet. Die Organisation unterstützt die Opfer von digitaler Hetze und bietet ihnen juristischen Beistand. Anna-Lena von Hodenberg hält Klagen im Kampf gegen Hasskriminalität für elementar: "Es muss klar sein, dass das Netz kein rechtsfreier Raum ist." Dabei gibt es aber eine Hürde: Wer im Internet diffamiert wird, muss zivilrechtlich klagen – und damit auch die Prozesskosten schultern, die sich schnell auf 4000 Euro belaufen.

Gesetz gegen Hasskriminalität im Internet

Auch das, betont von Hodenberg, darf so nicht bleiben: "In Zeiten, in denen Personen vor aller Augen so massiv angegangen werden, ist das kein privates Thema mehr. Es muss ein öffentliches Interesse geben, dagegen vorzugehen." Deshalb finanziert HateAid die Klagen vor – durch Spenden und Fördergelder, unter anderem vom Bundesjustizministerium. Und es gibt den Deal, dass, wer aufgrund der Klage Schmerzensgeld bekommt, es an HateAid zurückgibt.

Die Organisation hilft jeden Monat über 200 Betroffenen. Die wohl bekannteste Klientin ist die Grünen-Politikerin Renate Künast, die im Netz immer wieder massiv angegangen wird. Sie hat mit Hilfe von HateAid gegen mehr als 20 drastische Beschimpfungen geklagt. Zunächst ohne Erfolg: Das Landgericht Berlin urteilte, sogar Äußerungen wie "Drecks Fotze" seien von der Meinungsfreiheit gedeckt. Aber Künast und HateAid legten Beschwerde ein und bekamen in zwölf Fällen Recht: Die Diffamierungen erfüllen den Straftatbestand der Beleidigung. Mit den verbliebenen Schmähungen sind sie nun vor das Bundesverfassungsgericht gezogen.

In der Politik wächst das Bewusstsein für das Problem. Im Juni hat der Bundestag ein Gesetz gegen Hasskriminalität im Internet beschlossen, digitale Hetze soll nun härter bestraft werden. Seither wird auch die Androhung von Körperverletzung und sexuellen Übergriffen als Straftat geahndet. Zudem müssen die sozialen Netzwerke strafbare Posts nicht nur löschen, sondern sie auch dem BKA melden.

In der Corona-Krise habe die digitale Hetze von rechts zugenommen, sagt von Hodenberg: "Da war schnell vom ‚chinesischen Virus‘ die Rede oder davon, dass Migrant*innen es eingeschleppt hätten." Die Situation habe sich verschärft, weil die Leute mehr Zeit hätten: Die Hater machen gezielt Jagd auf Gruppen wie etwa Transpersonen, intensivieren die Suche nach privaten Informationen über ihre Opfer, etwa, indem sie Straßennamen aus Fotos rekonstruieren und ins Netz stellen, um die Betroffenen einzuschüchtern. Von Hodenberg fordert uns auf, auch im Digitalen Zivilcourage zu beweisen: "Das Netz ist genauso Teil des öffentlichen Raums wie die Straße, also muss man den Hatern dort genauso entschlossen entgegentreten."

Anna-Lena von Hodenberg37, arbeitete als Journalistin bei RTL und dem NDR und lebt in Berlin. Seit Ende 2018 ist sie Geschäftsführerin von HateAid. Um den Kopf frei zu bekommen, tanzt sie Tango.

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BRIGITTE 22/2020

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