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Häusliche Gewalt Dunkelziffer-Studie soll Wahrheit ans Licht bringen

Frau mit Hand vorm Mund
© rudall30 / Adobe Stock
Die Zahl der Fälle von häuslicher Gewalt steigt. 2022 gab es in Deutschland laut "Welt am Sonntag" bundesweit fast 180.000 Opfer. Das sind rund neun Prozent mehr als im Vorjahr. Die Dunkelziffer liegt weitaus höher. Eine Studie dazu soll aufklären.

Seit der Corona Pandemie steigt die Zahl der Opfer häuslicher Gewalt kontinuierlich. Auch im vergangenen Jahr wurden mehr Opfer registriert als noch 2021. Dies geht aus einem Bericht hervor, wie die "Welt am Sonntag" unter Berufung auf die Innenministerien und Kriminalämter der 16 Bundesländer schreibt. Demnach wurden bundesweit 179.179 Opfer polizeilich registriert. Das entspreche einem Anstieg von 9,3 Prozent im Jahr 2022 gegenüber dem Vorjahr.

Die Täter sind in den meisten Fällen Partner, Ex-Partner und Familienangehörige, die Opfer in zwei Dritteln der Fälle Frauen. Die Dunkelziffer liegt jedoch weitaus höher, denn viele Betroffene trauen sich nicht, ihre Peiniger anzuzeigen. Unter häusliche Gewalt fallen unter anderem Mord, Totschlag, Körperverletzung, Vergewaltigung und Freiheitsberaubung.

Hoher Anstieg der Gewalttaten innerhalb der letzten Jahre

Den stärksten Zuwachs im Vergleich zum Vorjahr verzeichnet das Saarland mit 19,7 Prozent (3178 Opfer). Gefolgt von Thüringen mit 18,1 Prozent (3812 Opfer) und Baden-Württemberg (13,1 Prozent, 14.969 Opfer). Insgesamt hätten 15 Bundesländer deutlich mehr Opfer gemeldet. Nur in Bremen sei die Zahl gesunken (13,6 Prozent, 2615 Opfer). Das bevölkerungsreichste Bundesland Nordrhein-Westfalen weise 37.141 Opfer (8,5 Prozent) aus, berichtet die "Welt am Sonntag" weiter, damit sei die Zahl der Opfer im Fünf-Jahres-Vergleich um 26,2 Prozent gestiegen.

Die Zündschnur ist bei vielen Menschen kürzer geworden und der allgemeine Ton rauer. Das gesellschaftliche Klima hat sich verändert. (...) Zuhause ist mehr Gewalt eingezogen. 

Erklärt NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU).

BKA-Präsident Holger Münch, Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) und Familienministerin Lisa Paus (Grüne) werden das Papier am 3. Juli in Berlin präsentieren. Zudem lassen sie derzeit eine große "Dunkelfeldstudie" erstellen.

Häusliche Gewalt geschieht oftmals im verdeckten, im privaten Bereich. Scham- und Schuldgefühle der Betroffenen führen häufig dazu, dass die Taten im Dunkeln bleiben und nur selten polizeilich angezeigt werden. Dieses Dunkelfeld ist ungleich größer als das Hellfeld.

So die Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Lisa Paus (Grüne). Sie plant eine staatliche "Koordinierungsstelle", die häusliche Gewalt ressortübergreifend bekämpfen soll.

Pandemie als Brandbeschleuniger für Gewalt

Die Corona-Jahre haben die Aufmerksamkeit vermehrt auf das Thema häusliche Gewalt gelenkt. Die Zahl der Gewalttaten stieg und tut es auch aktuell immer noch. "Die finanziellen und gesundheitlichen Sorgen, die räumliche Enge, die Unsicherheit über die Zukunft haben als eine Art Brandbeschleuniger für Gewalt in Partnerschaft und Familie gewirkt", sagte die Präsidentin des Deutschen Caritasverbandes, Eva Maria Welskop-Deffaa. Mit dem Ende der Pandemie lasse sich das nicht einfach zurückdrehen: "Es sind Konfliktmuster entstanden, die schmerzlich fortwirken." Gleichzeitig habe sich allerdings auch das Bewusstsein für derlei Gewalttaten verändert, sodass sich Frauen jetzt nach den unsicheren Pandemie-Jahren mehr und mehr Frauen trauen, Fälle von Gewalt anzuzeigen", so Maria Loheide, Vorständin Sozialpolitik bei der Diakonie.

Statistisch gesehen brauchen Frauen sieben Anläufe ...

... um sich endgültig von ihrem gewalttätigen Partner zu trennen. Und selbst dann sind sie oft nicht in Sicherheit, denn Täter versuchen oft alles, um die Betroffenen zu zerstören, stalken sie und bedrohen sie. Deutschlandweit gibt es viel zu wenige Zufluchtsorte. Gewaltbetroffenen Frauen und ihren Kindern stehen rund 400 Frauenhäuser sowie über 40 Schutz- oder Zufluchtswohnungen mit mehr als 6000 Plätzen zur Verfügung. Doch die Anlaufstellen sind stark überlastet. Gebraucht werden laut Schätzungen der Diakonie rund 21 000 Plätze. Wie akut die Notlage ist, zeigt auch die aktuelle Correctiv-Studie: Die Belegungsquote der Frauenhäuser beträgt 83 Prozent, im letzten Jahr war an 303 von 365 Tagen keine Aufnahme mehr möglich.

Quellen: Welt.de, bmfsfj.de

jba Brigitte

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