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Initiative #DieNächste: Diese 5 Frauen kämpfen gegen häusliche Gewalt

Häusliche Gewalt: Mann drückt Frau auf Boden
© AungMyo / Adobe Stock
Alle 45 Minuten wird in Deutschland eine Frau durch ihren Partner verletzt. Doch über häuslicher Gewalt liegt der Mantel des Schweigens. Um das zu brechen, gründen fünf Frauen die Initiative #DieNächste. Sie selbst waren auch Opfer.

Pro Stunde erleiden 13 Frauen häusliche Gewalt. Alle 45 Minuten wird eine Frau gefährlich verletzt, dort wo sie sich eigentlich sicher fühlen sollte – in ihrem Zuhause. Allein 2021 wurden 121 Menschen von ihrer:m Partner:in oder Ex-Partner:in getötet. 109 Frauen und zwölf Männer. 

Häusliche Gewalt macht keine Unterschiede

Die Zahlen zu häuslicher Gewalt sind dramatisch und doch wird wenig darüber gesprochen, betroffenen Frauen oft nicht geglaubt, dann noch weniger, wenn sie nicht dem gängigen Klischee, eines Opfers entsprechen. Denn nach wie vor gilt häusliche Gewalt als „Unterschichten-Phänomen“. Dabei macht Partnerschaftsgewalt keine Unterschiede in Bildung, Wohlstand oder sozialem Status.

Ich vertrete Frauen, deren Männer sie geschlagen haben. Das ist der Chefarzt (...), das ist der Vorstandsvorsitzende, das ist der Staatsanwalt oder es ist der Serienstar aus einer Vorabendserie. In allen gesellschaftlichen Schichten sind auch die Täter zu finden.

Erklärt Christina Clemm, Anwältin für Familienrecht gegenüber dem ZDF. Es kann jede Frau treffen. Deine Nachbarin, die Frau an der Supermarktkasse, deine Freundin, deine Chefin, deine Tochter. 

Die Initiative #DieNächste kämpft deshalb für Sichtbarkeit, gegen das Schweigen, die Scham, das Opferklischee und den Schutz der Täter.

Je höher der soziale Status, desto weniger wird den Frauen geglaubt

Ich entspreche nicht dem Klischee dessen, wie sich die Gesellschaft ein Opfer vorstellt.

Erklärt Iris Brandt. Sie ist eine der fünf Initiatorinnen der Kampagne, allesamt erfolgreiche, gebildete Frauen und ehemalige Opfer ihrer Partner. Als Unternehmerin, Vorständin und Aufsichtsrätin passen sie ganz und gar nicht in das gesellschaftliche Opferbild. Deshalb sei ihnen, erzählen sie gegenüber dem Fokus, in ihrem sozialen und beruflichen Umfeld Unverständnis und Unglaube entgegengeschlagen, sie seien aufgefordert worden, für ihre Karriere besser zu schweigen. Es war, als sollten sie auch noch die Verantwortung tragen für das, was ihr widerfahren ist, so Iris Brandt. Diese Täter-Opfer-Umkehr mache es Betroffenen zusätzlich schwer, das Erlebte zu verarbeiten.

Nicht die Betroffenen sind das Problem, sondern die Täter und eine Gesellschaft, die wegschaut und stigmatisiert.

Sagt Anna Sophie Herken, die ebenfalls Initiatorin der Kampagne ist. "Um häusliche Gewalt zu bekämpfen, müssen wir unsere gesellschaftlichen Strukturen verändern." Brand wünscht sich, dass die Öffentlichkeit endlich mehr die Täter – in acht von zehn Fällen sind das Männer – in den Blick nimmt. „Nur der Täter kann doch die Gewalt beenden."

Schafft es eine Frau sich aus psychischer und physischer Gewalt zu befreien, warten die nächsten Hürden

Statistisch gesehen brauchen Frauen sieben Anläufe, um sich endgültig von ihrem gewalttätigen Partner zu trennen. Danach müssen viele gegen die Nachtrennungsgewalt ankämpfen. Täter versuchen oft alles, um die Betroffenen zu zerstören, stalken sie und bedrohen sie. Zufluchtsorte gibt es zwar, doch die reichen nicht aus. Die 350 Frauenhäuser und über 40 Frauenschutzwohnungen in Deutschland sind stark überlastet. Rund 7000 Frauen und Kinder finden dort Platz, gebraucht wird – laut Schätzungen der Diakonie – das Dreifache an Plätzen, rund 21 000. Wie akut die Notlage ist, zeigt auch die aktuelle Correctiv-Studie: Die Belegungsquote der Frauenhäuser beträgt 83 Prozent, im letzten Jahr war an 303 von 365 Tagen keine Aufnahme mehr möglich. Wurde ein Platz frei, war er schon nach wenigen Stunden wieder besetzt. Doch auch wenn sie es geschafft haben, der Hölle zu Hause zu entfliehen, geht das Martyrium oft noch weiter.

Den Frauen werde es schwer gemacht, sich zu wehren.

Erklärt Christina Clemm gegenüber dem Fokus. Gerichtsprozesse sind langwierig. Betroffene müssen teils unsensible Fragen wieder und wieder über sich ergehen lassen. Die Unschuldsvermutung der Täter ist für die Opfer ein Schlag ins Gesicht. Familienanwältin Christina Clemm fordert daher dringend, dass vor Gericht zusätzlich zur Unschuldsvermutung eine sogenannte Opfervermutung obligatorisch wird. "Solange nicht rechtskräftig festgestellt ist, dass eine verletzte Person falsch ausgesagt oder angezeigt hat, muss ihr so begegnet werden, als wäre sie Opfer geworden. Es muss ihr mit dem notwendigen Respekt begegnet werden, als hätte sie diese Taten tatsächlich erlebt."

Ein Umdenken ist nötig

Es müsse endlich ein Umdenken stattfinden, fordert die Initiative. Nicht jede dritte Frau, die Opfer von häuslicher Gewalt ist, sei das Problem, sondern die Täter und eine Gesellschaft, die wegschaut und die Stigmatisierung Betroffener zulässt, so Initiative. Es brauche ein öffentliches Bewusstsein über Formen, soziale Verbreitung sowie Häufigkeit häuslicher Gewalt und ein staatliches umfassendes Gesamtkonzept für Schutz und Sicherheit der Opfer. 

Du bist Opfer häuslicher Gewalt oder kennst jemanden, der Hilfe benötigt? Das Hilfetelefon für Gewalt gegen Frauen ist 365 Tage im Jahr rund um die Uhr kostenfrei und anonym unter der Nummer 116016 erreichbar. 

Quellen: Fokus.de, hilfetelefon.de, bundesregierung.de/partnerschaftsgewalt

jba Brigitte

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