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Hélène Grimaud: Alles andere als piano

Sie ist eine der besten Klavierspielerinnen der Welt - und eine faszinierende Frau noch dazu. Egal, wo Hélène Grimaud auftritt, liegen ihr Publikum und Kritiker zu Füßen. Nun startet Grimaud wieder voll durch: Im September erschien nicht nur ihr neues Album, Grimaud brachte mit "Lektionen des Lebens" auch ihren zweiten Roman heraus und begann am 11.9. ihre Deutschland-Tournee.

Was diese Frau so besonders macht? Dafür gibt es mindestens acht gute Gründe. Sie ist ...

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... hochtalentiert: Hélène Grimaud war neun, als sie ihre ersten Klavierstunden bekam - das ist in der klassischen Musikerziehung schon fast ein Greisenalter. Doch das Mädchen aus Aix-en-Provence lernte schnell. So schnell, dass sie schon drei Jahre später als jüngste Studentin aller Zeiten am Pariser Konservatorium aufgenommen wurde. Noch während ihrer Ausbildung entdeckte sie Star-Dirigent Daniel Barenboim, der ihr wertvolle Kontakte zur Musikelite verschaffte. Mit 16 verließ Grimaud die Universität mit Auszeichnung und eroberte schnell die internationalen Konzerthallen. Heute gibt es kaum ein renommiertes Orchester, kaum einen berühmten Dirigenten, mit dem sie nicht auf der Bühne oder im Studio stand.

... wild: Auf Fotos wirkt Hélène Grimaud oft scheu und zerbrechlich. Doch das täuscht. Live ist die 38-Jährige ein richtiges Energiebündel. Kritiker loben ihren "Wagemut", ihre "Spontaneität", ihre "Entfesselung" auf der Bühne. Dass sie dabei nicht immer technisch perfekt spielt, ist Grimaud ziemlich egal. Ihr geht es darum, "eigene Grenzen zu überschreiten, alte Vorstellungen über Bord zu werfen." Schon als Kind hatte Grimaud einen Hang zur Rebellion. "Ich habe ständig Unsinn verzapft, war vorlaut und habe den Unterricht gestört", sagte sie in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung. Ihre Eltern versuchten es mit Kampfsport, mit Ballett, doch das Kind blieb hyperaktiv, fügte sich sogar selbst Verletzungen zu. Erst die Musik gab ihr ein Ventil: "Das Klavier befriedigte meinen kindlichen Wahn, ständig den Sachen auf den Grund zu gehen ebenso wie mein physisches Bedürfnis nach Herumtoben und Durchdrehen."

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... unkonventionell: Was macht eine Weltklasse-Pianistin wohl in ihrer Freizeit? Shoppen? Partys feiern? Von einem Galadinner zum nächsten reisen? Nein, Hélène Grimaud hält sich lieber fern vom Rummel. Ihre zweite große Leidenschaft sind Wölfe. Ende der 90er Jahre baute sie gemeinsam mit ihrem damaligen Lebensgefährten, dem Fotografen Henry Fair, an der Ostküste der USA das "Wolf Conservation Center" auf. In dem Gehege erforschte Grimaud das Verhalten der Wolfsrudel und veranstaltete Führungen für Schulkinder. "Bei meinen Wölfen finde ich meinen Frieden", schrieb sie über diese Zeit in ihrem ersten Roman "Wolfssonate". Heute sieht sie ihre Schützlinge jedoch nur noch selten. Um sich mehr um ihre Musik kümmern zu können, hat sie die Leitung des Parks an ihre Mitarbeiter abgegeben.

... unprätentiös: Die schöne Pianistin und die Wölfe - die Bilder gingen damals um die Welt und brachten ihr eine enorme PR ein. Und doch wirken Grimauds Extravaganzen niemals aufgesetzt. Sie lebt ihr Leben einfach, wie es ihr gefällt. So erscheint sie zu Interviewterminen auch schon mal in Strickjacke und Jogginghose. "Ich habe mich nie gern geschminkt oder viel über mein Äußeres nachgedacht", sagt sie. Natürlich weiß sie, dass sie nicht nur für ihre Musik, sondern auch für ihre Schönheit gepriesen wird. Aber im Vorteil sieht sie sich dadurch nicht: "Im Ernst, man muss doppelt so gut sein, wenn man gut aussieht."

... neugierig: Schon als Kind löcherte Hélène Grimaud ihre Umwelt ununterbrochen mit Fragen. Das hat sich bis heute nicht geändert. "Es macht meine Freunde immer noch wahnsinnig, dass ich so viele Fragen stelle", gibt sie zu. Selbst in Interviews kann es passieren, dass Grimaud kurzerhand die Gesprächsführung übernimmt und der Journalist am Ende zum Interviewten wird. Aber Grimaud gibt auch etwas zurück. Wer das Glück hat, bei einem ihrer seltenen öffentlichen Auftritte dabei zu sein, erlebt sie als offenen und auskunftsfreudigen Menschen. Hier zeigt Grimaud ausnahmsweise Kalkül: "Wer heute mit klassischer Musik ein Publikum erreichen will, muss bereit sein zu kommunizieren."

... up-to-date: Das Klischee von der verstaubten Klassik-Tante lässt sich Hélène Grimaud nicht gerne anhängen. "Nur weil ich eine klassische Pianistin bin, heißt das nicht, dass ich in meiner Freizeit nur klassische Musik höre", sagte sie kürzlich dem Magazin Emotion. Beim Sport beispielsweise höre sie am liebsten HipHop: "Eminem, Black Eyed Peas, Christina Aguilera, Pink oder Snoop Dogg. Dazu kann ich mich am besten auspowern."

... rastlos: Schon mit zwölf Jahren verließ Hélène Grimaud ihr Elternhaus in Aix-en-Provence, um in Paris zu studieren, und bald darauf kehrte sie Frankreich ganz den Rücken. "Ich hatte immer das Gefühl, ich gehöre überhaupt nicht dahin." Sie reiste mehrere Jahre für ihre Auftritte um die Welt, lebte längere Zeit in den USA, ehe es sie wieder nach Europa zog. Zuletzt lebte sie in Berlin, doch da wurde es ihr schnell zu eng. Nun ist sie mit ihrem Ehemann, dem deutschen Fotografen Matthias Hennekeuser, und dessen Kindern in die Schweiz gezogen. Sie braucht die Weite, die Landschaft, die Natur. Hier holt sie sich ihre Inspiration. Sie ist überzeugt, "dass du deine Mitte als Künstler und Mensch nur finden kannst, wenn du wieder mit der Natur in Verbindung trittst."

Hélène Grimaud hören und lesen

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Ihr neues Album "Beethoven: Piano Concerto No.5 in E flat Op.73 / piano sonata no. 28" hat sie gemeinsam mit der Staatskapelle Dresden und dem Dirigenten Vladimir Jurowski aufgenommen. (Label: Deutsche Grammophon)

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Ihr Buch "Lektionen des Lebens", ein persönlicher Bericht über ihre Reisen und ihr Leben als Künstlerin, ist erschienen im Blanvalet Verlag (224 Seiten, 18,95 Euro)

Text: Michèle Rothenberg Foto: Mat Hennek / DG

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