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Schluss mit dem Kindergarten! Wann wird endlich mal regiert?

Angela Merkel und Martin Schulz
© Krisztian Bocsi / Getty Images
Die Große Koalition steht - und doch wird sich weiter gezofft und jeder denkt nur an sich. Hört das denn nie auf? Ein Kommentar.

Machtspiele, Taktik, Intrigen - Politik kann manchmal richtig spannend sein. Doch ist das noch ein politischer Thriller da in Berlin? Oder vielleicht doch nur noch reines Kaperletheater?

Können wir langsam mal regiert werden?

Seit Wochen und Monaten versucht unsere Politik, endlich mal eine Regierung zusammenzuzimmern. Nach dem Jamaika-Desaster ("Lieber nicht regieren, als falsch") und dem wochenlangen GroKo-Poker in der SPD gibt es nun endlich einen Entwurf für einen Koalitionsvertrag - und noch immer beschäftigen sich unsere Politiker lieber mit sich selber, als mit dem Land. Hallo, hier wollen Menschen regiert werden!

Man bekommt den Eindruck: Die Wartezeit zwischen der Koalitions-Einigung diese Woche und dem SPD-Mitgliederentscheid Anfang März wollen Union und SPD offenbar dafür nutzen, sich munter weiter selber zu zerfleischen. Angela Merkel wird attackiert, weil sie zu viele Kompromisse eingegangen sei, um ihre Haut zu retten, Martin Schulz bekommt seit Wochen nur noch verbale Ohrfeigen - und Horst Seehofer? Der wird nur müde belächelt, weil er jetzt Heimatminister werden soll.

Das Problem: Alle wollen sich selber retten

Wann wurde eigentlich aus ernsthafter Politik für Deutschland dieses Kasperletheater? Ja, lebhafte Debatten sind sicher besser als Politikverdrossenheit, aber das, was da mittlerweile in Berlin abgeht, ist doch nur noch Kindergarten!

Woran liegt das? Man bekommt den Eindruck: Vor allen Dingen daran, dass alle nur noch an sich selber denken, danach dann vielleicht an ihre Partei und dann, viel, viel später, irgendwann, dann vielleicht mal ans Land.

War diese (noch immer nicht abgeschlossene) Regierungsbildung nun konstruktiv? Nein, eher konstruiert.

Im Moment sieht es so aus, als hätten Merkel, Schulz und Seehofer es geschafft, um Haaresbreite ihre Haut zu retten. Und offenbar war das ihr oberstes Ziel. Merkel - wollte unbedingt nochmal Kanzlerin werden. Schulz - sucht den elegantesten Ausweg aus seinem ungemütlichen Chef-Büro. Seehofer - kann nach der Niederlage gegen Söder nach Berlin abhauen.

Merkel und Schulz am Ende

Und zu welchem Preis haben sich die drei ihren wackeligen Sieg erkauft? Die zweite und dritte Reihe von Union und SPD ist voller Parteikollegen, die nun weiter auf sie eindreschen. Machterhalt um jeden Preis - um nichts anderes dreht es sich in Berlin. Wie lange soll das noch so weitergehen?

Nun kommen neue Details der Groko-Verhandlungen raus: Schulz habe Merkel erpresst, dass er die Verhandlungen abbricht, wenn die SPD nicht seine Wunsch-Ministerien bekommt. Gleichzeitig wettert Schulz' Vorgänger Gabriel über einen "Vertrauensbruch" und erhebt schwere Vorwürfe gegen die SPD-Spitze. Bei der CDU prügeln sie gleichzeitig auf Angela Merkel ein, dass sich nur noch alles um sie drehe.

Man will inzwischen ja nur noch auf den Tisch springen und die streitenden Kindergarten-Kinder, äh, Politiker anschreien: "RUHE JETZT!"

Und das schlimmste ist: Aktuell ist es wirklich schwer vorstellbar, wie es denn weitergehen soll. Wenn sich der Staub legt, werden wir sehen, wie viel zerschlagenes Porzellan da in Berlin auf dem Boden liegt - und es ist eine Menge! Selbst wenn alle Beteiligten jetzt zur Vernunft kommen: Wie sollen die denn jemals vertrauensvoll zusammenarbeiten? Denn auch wenn sich das anders anfühlt: Es geht gerade erst los - das soll der Anfang von etwas sein, und nicht das Ende.

Es bleibt also spannend in Berlin. Leider, muss man sagen. Denn das ist nicht mehr unterhaltsam - es ist nur noch beschämend. Und wir Bürger können uns nur kopfkratzend fragen: Wann kehrt da endlich Ruhe ein? Wann werden wir endlich mal wieder regiert?

Update: Wenige Stunden nach Erscheinen dieses Kommentars wurde bekannt, dass Martin Schulz auf den Posten des Außenministers verzichtet. Ob nun endlich Ruhe einkehrt, bleibt abzuwarten …

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