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Griechenland helfen? Warum sollten wir!

BRIGITTE-Autorin Kathrin Tsainis blutet das Herz. Weil immer noch lieber populistische Parolen bemüht werden, statt endlich zu handeln und Griechenland aus der Misere zu helfen.

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Die Liebe, das liegt in ihrer Natur, macht parteiisch. Und da ich mein Herz schon mit Fünf, beim ersten Griechenlandurlaub, an die Heimat meines Vaters verloren habe, blutet mir selbiges seit Wochen - wenn ich nicht gerade hyperventiliere.

Ja, in Griechenland läuft viel schief - Vetternwirtschaft, Subventions- und Steuerbetrug, ein aufgeblähter Beamtenapparat und so weiter. Die Ursachen dafür sind komplex, die Folgen, unter anderem jährliche Waldbrände, Arbeitslosigkeit gerade unter den Jüngeren und eben die enorme Verschuldung, pures Gift.

Aber die dümmliche Arroganz, mit der so manche Journalisten ein Volk kollektiv als korrupte Bescheißer diffamieren, die auf unsere Kosten Sirtaki tanzen, Ouzo saufen und dann auch noch frech streiken, statt sich in Demut und Scham zu üben, geht mir ebenso gegen den Strich wie die selbstherrlichen liberalen Granden, die die Finanzhilfen populistisch als "Honigtopf" bezeichnen, den man den Griechen viel zu früh angeboten habe - als ginge es um ein nettes Leckerchen und nicht um dringend notwendige Unterstützung. Aber klar, in NRW stehen Wahlen an, und die Umfragewerte sind weit unten, da müssen Westerwelle und Konsorten eben Stimmung machen, wobei auch Politiker anderer Couleur reichlich dumm daherreden.

Wer seinen Blick für die griechische Realität schärfen möchte, die mindestens so vielschichtig ist wie die deutsche, dem empfehle ich ein Praktikum bei einem mir bekannten Tomatenbauern, der auf seinem Feld schuftet, um dann am Kilo 6 Cent zu verdienen. Ach ja, und ich würde zu gern wissen, was bei uns los wäre, wenn Sprit plötzlich 40 Cent teurer würde, man mal eben die Gehälter kürzte und uns das Ausland als Betrüger beschimpfte.

Griechenland braucht keine Prügel, sondern Unterstützung. Schnell! Finanziell und moralisch - in Form von Respekt beispielsweise. Denn was die Griechen jetzt leisten müssen, um die Situation irgendwie wieder einigermaßen in den Griff zu kriegen, ist eine Herkulesaufgabe. Nur dass eben kein Halbgott ran muss, sondern ein ganzes Volk. Und geht Griechenland in die Knie, wird uns das übler aufstoßen als es ein Tsatsiki, das zu lange in der Sonne stand, auch nur annähernd vermag.

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