Worum wird in Frankreich gerade so heftig gestritten?
Hunderttausende haben gerade in Frankreich gegen gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften demonstriert, nachdem es im Dezember eine Massendemonstration für die Homo-Ehe gegeben hatte. Auslöser der Debatte ist ein geplantes Gesetz, dass sowohl die gleichberechtigte Homo-Ehe einführen, als auch die Adoption von Kindern gestatten soll. Als "eingetragene Lebensgemeinschaft" dürfen Homosexuelle bereits seit 1999 in Frankreich registriert werden (was in erster Linie finanzielle Vorteile bringt) - völlig gleichberechtigt mit der Ehe ist diese Regelung aber in einigen wichtigen Punkten (z.B. Erbschaft) nicht. Diese Gleichstellung war eines der zentralen Wahlversprechen der aktuellen Regierung von François Hollande. Von der Umsetzung ist dieses Versprechen allerdings noch weit entfernt - am 29. Januar starten im Parlement die ersten Diskussionen zum Gesetzentwurf.
Homo-Ehe: So ist die Lage in anderen Ländern
Seit 2001 dürfen in den Niederlanden gleichgeschlechtliche Partnerschaften ohne Einschränkungen heiraten und Kinder adoptieren. Mit dieser Regelung waren die Niederländer weltweit Vorreiter in der Gleichberechtigung von homosexuellen Lebensgemeinschaften.
Die Homo-Ehe ist in den USA nach wie vor ein heißes Eisen, und wird insbesondere von religiösen Gruppen hart bekämpft - eine gesetzliche Gleichstellung wird wohl noch dauern, obwohl Präsident Obama im Wahlkampf fallen ließ, dass er die Entwicklung begrüßen würde. Aber immerhin in 22 Bundesstaaten dürfen gleichgeschlechtliche Paare Kinder adoptieren - egal ob es sich dabei um den leiblichen Nachwuchs eines Partners handelt.
In Schweden dürfen homosexuelle Paare seit 2009 standesamtlich und kirchlich heiraten - wobei eine kirchliche Hochzeit auch juristisch binden ist. Auch gemeinschaftliche Adoptionen sind dort gestattet.
Auch in Norwegen gibt es seit 2008 sowohl kirchliche als auch standesamtliche Trauung für gleichgeschlechtliche Paare - "eingetragene Lebensgemeinschaften" gab es dort bereits seit 1993. Adoptiert werden dürfen dort nur Stiefkinder eines Partners.
Seit 2003 sind in Belgien homosexuelle Paare bei der Eheschließung gleichgestellt, Kinder dürfen sie seit 2006 adoptieren.
In Spanien dürfen gleichgeschlechtliche Partner seit 2005 heiraten, auch die Adoption ist gestattet - selbst, wenn die Partner nicht verheiratet sind.
Keine richtigie Homo-Ehe, sondern eine "bürgerliche Partnerschaft" verleiht seit 2005 britischen Homosexuellen die gleichen Rechte bei Adoption, Rente, Erbschaft und beruflichen Fragen.
Dänemark startete sogar schon 1989 mit der Möglichkeit, homosexuellen Paaren eine "eingetragene Lebenspartnerschaft" zu bieten. Seit 2012 ist dort auch ganz offiziell die kirchliche und standesamtliche Trauung möglich, adoptieren dürfen gleichgeschlechtliche Paare seit 2009.
In der Schweiz dürfen auch "eingetragene Lebensgemeinschaften" keine Kinder adoptieren. Aber immerhin: Seit Anfang des Jahres ist dort die Stiefkindadoption legal.
Ein kleiner Ausschnitt von Ländern, die noch weit entfernt sind von Homo-Ehe und Adoption: Dort steht auf Homosexualität die Todesstrafe.
Und wen stört das?
In erster Linie empören sich viele gläubige Katholiken über das geplante Gesetz - auch Papst Benedikt XVI. meldete sich zu Wort und forderte die Bischöfe in Frankreich auf, gegen die Homo-Ehe vorzugehen. Aber angetrieben von der französischen Schauspielerin Virginie Tellenne (unter dem Pseudonym "Frigide Barjot") hat sich eine breitere Front gegen die "Ehe für alle" gefunden. Wichtig ist den Gegnern, keinesfalls verbohrt oder gar schwulenfeindlich zu erscheinen. "Wir lieben alle Homosexuellen", bemühte sich Tellenne bei der Kundgebung klarzustellen. Es gehe ihrer Bewegung lediglich darum, nicht "die Ehe für Personen desselben Geschlechts zu öffnen". Insbesondere die Adoption ist ein Reizpunkt der Gegner: Sie sind nicht sicher, ob es der Entwicklung eines Kindes nicht schadet, von zwei Müttern oder Vätern aufgezogen zu werden. Experten sind sich allerdings einig, dass für die gesunde Entwicklung von Kindern in erster Linie ein stabiles Umfeld entscheidend ist - und dass eine rechtlich nicht einwandfrei geklärte Familiensituation im Zweifel belastender ist, als das Geschlecht der Eltern.
Ich dachte, in Frankreich dürfen homosexuelle Paare schon lange adoptieren?
Nein, nicht als Paar. Erlaubt ist seit 2006 die so genannte "Stiefkindadoption": Hat ein Partner bereits ein Kind aus einer vorherigen Beziehung, darf der andere Partner adoptieren. Eine Adoption als Paar ist aber ausgeschlossen.
Und wie sieht es in Deutschland aus?
Ähnlich: Seit 2001 gibt es auch bei uns "eingetragene Lebensgemeinschaften" für gleichgeschlechtliche Paare, allerdings ohne Ehe-Vorteile wie Ehegattensplitting oder Unterhaltszahlungen. Auch die Stiefkindadoption ist bei uns möglich - aber nicht die Adoption fremder Kinder durch ein gleichgeschlechtliches Paar. Und es kann ein Lebenspartner mit Genehmigung des anderen Partners alleine ein Kind adoptieren - wobei dann aber aber auch nur ein Teil das Sorgerecht hat (und allein erziehende Eltern eher schlechte Chancen haben, tatsächlich ein Kind zur Adoption zu bekommen). Aber: Auch bei uns könnte sich das ändern.
Welche Reformen sind bei uns geplant?
Zur Zeit arbeitet das Bundesverfassungsgericht an einer Entscheidung zur "Sukzessivadoption" von homosexuellen Paaren. Gemeint ist damit der Sonderfall, dass ein Partner ein adoptiertes Kind aus einer vorherigen Beziehung mitbringt, das der andere Partner adoptieren möchte. Sollte das Bundesverfassungsgericht dies ermöglichen, ist auch denkbar, dass gleichgeschlechtliche Paare völlig "fremde" Kinder adoptieren - so, wie es für heterosexuelle Paare schon immer selbstverständlich ist. Die Entscheidung wird voraussichtlich im März-April 2013 fallen. Ein Vorstoß, gleichgeschlechtlichen Paaren auch eine völlig gleichberechtigte Eheschließung zu ermöglichen, wurde 2012 im Bundestag abgelehnt.
Foren-Umfrage: Adoption für gleichgeschlechtliche Paare?
image
Was denken Sie - finden Sie die Proteste in Frankreich angemessen? Oder ist es Ihrer Meinung nach auch in Deutschland überfällig, dass gleichgeschlechtliche Partner Kinder adoptieren dürfen - egal, ob sie die leiblichen Kinder eines Teils sind? Stimmen Sie in der BRIGITTE-Community ab!