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Prostitutionsverbot: Pro und Kontra

Eine Kampagne der Frauenzeitschrift "EMMA" möchte in Deutschland ein Prostitutionsverbot erreichen. Eine gute Idee? Hier kommen eine Befürworterin und eine Gegnerin zu Wort.

Prostitutionsverbot: Die Kampagne

keine Bildunterschrift
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© mattgordon/istockphoto.com

"Prostitution ist ein fundamentaler Verstoß gegen die Würde des Menschen, des weiblichen wie des männlichen." Mit diesem Satz fordert Frauenrechtlerin Alice Schwarzer in der aktuellen "EMMA" ein Prostitutionsverbot in Deutschland. Mit der Forderung ist sie nicht allein: Die Kampagne startet mit prominenter Unterstützung (Senta Berger, Maria Furtwängler, Hannes Jaenicke und vielen mehr).

Brauchen wir also ein Prostitutionsverbot nach schwedischem Vorbild, um die Würde der Frauen zu schützen?

JA, sagt Autorin und Aktivistin Kajsa Ekis Ekman

Die schwedische Autorin Kajsa Ekis Ekman (32) engagiert sich seit Jahren im Kampf gegen Prostitution und hat 2010 das Buch "Sein und Ware" über Prostitution, Leihmutterschaft und Menschenhandel geschrieben

Kajsa Ekis Ekman, Autorin und Aktivistin
Kajsa Ekis Ekman, Autorin und Aktivistin
© Kajsa Ekis Ekman

BRIGITTE: Warum sind Sie pro Prostitutionsverbot?

Kajsa Ekis Ekman: Weil Prostitution kein einvernehmlicher Sex ist. Es handelt sich um Sex zwischen einer Person, die Lust darauf hat, und einer Person, die keine Lust hat. Die Bezahlung zeigt dabei, dass eine der beiden Personen am liebsten ganz woanders wäre. Im globalen Kontext gesehen ist Prostitution darüber hinaus eine der Hauptursachen für Menschenhandel. Prostituierte haben eine höhere Sterblichkeitsrate und sehen sich einem größeren Vergewaltigungsrisiko ausgesetzt.

BRIGITTE: Deshalb hat Schweden 1999 ein Gesetz erlassen, das nicht die Prostituierten, sondern deren Freier bestraft. Warum ist dieses Gesetz ihrer Meinung nach sinnvoll?

Kajsa Ekis Ekman: Schweden ist weltweit das erste Land, das begriffen hat, dass nicht die Prostituierten bei der Gesetzgebung im Fokus stehen müssen, sondern die Freier. Sie sind die Wurzel des Übels und das Ziel muss sein, dass weniger Männer die Dienste von Prostituierten in Anspruch nehmen. Seit der Einführung des Gesetzes ging die Zahl von ehemals 4.000 Prostituierten auf 1.000 zurück. Die Zahl der Freier ist ebenfalls auf dem Wege sich zu halbieren. In Schweden ist Prostitution mittlerweile verpönt, nur Loser bezahlen für Sex.

BRIGITTE: Freier dürfen nun mit harten Strafen rechnen, angeblich mit mehrjährigen Gefängnisstrafen.

Kajsa Ekis Ekman: Das ist ein Gerücht! Freier zahlen in der Regel ein Bußgeld über mehrere hundert Euro. Wenn überhaupt, werden nur in Vergewaltigungsfällen Gefängnisstrafen verhängt. Ich finde, die Bestrafung könnte strenger werden. Bislang hält es kaum einen solventen Kunden ab.

BRIGITTE: Und die Prostituierten haben nichts zu befürchten?

Kajsa Ekis Ekman: Nein, es ist weiterhin legal, in Schweden anschaffen zu gehen – an welchem Ort auch immer. Einzig der Akt des Kaufens von Sex ist illegal.

BRIGITTE: In Deutschland ist die Gesetzgebung liberal, Prostitution ist legal. Was ist aus Ihrer Sicht so falsch daran?

Kajsa Ekis Ekman: Deutschland unterstützt die Prostitution und den Menschenhandel, das ist in meinen Augen alles andere als liberal. Der deutsche Staat bereichert sich somit daran, dass Frauen – die in den meisten Fällen noch nicht mal deutsche Staatsbürger sind – ihren Körper verkaufen. Ich glaube an die freie Liebe, an Frauen und Männer, die Sex haben, weil sie es lieben und nicht genug davon bekommen können. Woran ich nicht glaube, sind Frauen, die so arm sind, dass sie mit zehn Männern am Tag Sex haben müssen, um ihre Rechnungen zahlen zu können.

BRIGITTE: Nun gibt es aber auch Frauen, die sich aus freiem Willen prostituieren. Wie stehen sie diesen Frauen gegenüber?

Kajsa Ekis Ekman: Bei dem schwedischen Prostitutionsgesetz geht es nicht zuletzt darum, die Gesellschaft zu verändern. Solange es Prostitution gibt, kann es keine Gleichberechtigung geben. Sicherlich gibt es Frauen, die sich ohne Zuhälter freiwillig prostituieren. Aber Studien haben dennoch ergeben, dass die betroffenen Frauen sich trotzdem ein anderes Leben wünschen. Laut der weltweiten Melissa-Farley-Studie von 2003 würden 89 Prozent der Prostituierten das Gewerbe sofort verlassen – wenn sie könnten.

NEIN, sagt Juanita Henning, Gründerin des Prostituierten-Selbsthilfeorganisation "Doña Carmen e. V."

Juanita Henning ist seit 1991 in Frankfurt am Main als Sozialarbeiterin tätig. Mit ihrer Organisation "Doña Carmen e. V" bietet sie Hilfe und Beratung für Prostituierte und setzt sich für mehr gesellschaftliche Akzeptanz des Berufsstandes ein.

Juanita Hennig, "Doña Carmen"
Juanita Hennig, "Doña Carmen"
© Doña Carmen

BRIGITTE: Sie stehen einem Prostitutionsverbot kritisch gegenüber. Wieso?

Juanita Henning: Warum soll ein positives Sexualverhalten diskriminiert und verboten werden? Wenn zwei Erwachsene einvernehmlich Sex gegen Bezahlung haben, ist das keineswegs frauenfeindlich.

BRIGITTE: In vielen Ländern, wie etwa Schweden, ist ein solches Verbot schon länger in Kraft.

Juanita Henning: Und was hat es gebracht? Es hat die Frauen von der Straße ins Internet getrieben, vor allem Migrantinnen. Wenn sich das Geschäft in den Untergrund verlagert, ist den Frauen auch nicht geholfen.

BRIGITTE: Speziell die deutsche Gesetzesänderung von 2002 wird von den Befürwortern des Prostitutionsverbotes kritisiert - damit sei Prostitution vor dem Gesetz ein "Beruf wie jeder andere" geworden.

Juanita Henning: Das Gesetz hat für die Frauen einige Vorteile: Sie können in eine Krankenkasse, sie können ihre Altersvorsorge regeln. Durch den Einkommensnachweis können sie endlich Selbstverständlichkeiten tun wie ein Konto eröffnen oder eine Wohnung mieten. Vor allem ist dadurch die Schamgrenze gegenüber Behörden weg, sie können offen etwa über Steuerfragen sprechen.

BRIGITTE: Trotzdem sind Menschenhandel und Zwangsprostitution ja weiterhin vorhanden.

Juanita Henning: Eine Frau zum Sex zu zwingen ist doch eine Straftat, die auch heute schon verfolgt werden muss - egal, ob das im Rahmen von Prostitution geschieht, oder nicht.

BRIGITTE: Wie kann man denn Frauen Ihrer Meinung nach besser davor schützen?

Juanita Henning: Indem man ihnen die gleichen bürgerlichen Rechte gibt, die allen anderen Berufen zustehen. Noch immer gibt es für Prostituierte viele gesetzliche Sonderparagraphen, die ihre Situation schwächen, statt sie zu schützen. Kein anderer Job ist in Deutschland so stark reguliert wie die Prostitution.

BRIGITTE: Also: Wenn es nach Ihnen ginge, mehr Liberalisierung statt Sondergesetze?

Juanita Henning: Genau. Aber die Gesellschaft muss auch ihre Haltung zur Prostitution überdenken, es muss ein anderes Verhältnis zur Sexualität in Gang kommen.

BRIGITTE: Inwiefern?

Juanita Henning: In der Prostitution wird zwischen Liebe und Sex getrennt, und viele können nicht glauben, dass das grundsätzlich geht. Dabei wird übersehen, dass diese Dienstleistung auch ein Gewinn für die Gesellschaft ist. Manche Prostituierte bieten etwa einen Sonderservice für behinderte Menschen an, die sonst ihr ganzes Leben ohne Sex verbringen müssten. Niemand muss diese Trennung von Liebe und Sex selbst praktizieren - aber man muss sie bei anderen Leuten wenigstens respektieren.

Prostitutionsverbot - was denken Sie?

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© Brigitteonline

Was hilft gegen Menschenhandel und Zwangsprostitution? Die Freier bestrafen? Oder das "älteste Gewerbe der Welt" weiter liberalisieren?

Interviews: Lisa van Houtem, Henning Hönicke

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