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Gender Sleep Gap Deswegen leiden Frauen öfter unter einem Schlafdefizit als Männer

Frau mit Kissen über Kopf
© Tanya Yatsenko / Adobe Stock
Wer steht mitten in der Nacht auf, um das Baby zu füttern, und wer tröstet das Schulkind, wenn es Albträume hat? In der Regel sind das die Mütter. Sie bezahlen mit ihrem Schlaf. Langfristig kann das die Gesundheit gefährden.

80 Prozent der Deutschen schlafen nicht genug. Frauen sind jedoch weitaus häufiger von diesem Schlafdefizit betroffen als Männer. Das Phänomen trägt den Namen Gender Sleep Gap – und bringt Frauen nicht nur um ihre Nachruhe, sondern kann auch gesundheitliche Probleme verursachen. 

So schädlich ist zu wenig Schlaf

Eine erwachsene Person benötigt mindestens siebeneinhalb bis neun Stunden Schlaf pro Nacht. Die meisten Menschen kommen nicht auf die ausreichende Stundenanzahl – der deutsche Durchschnitt liegt bei weniger als sieben Stunden – obwohl in Arztpraxen und Gesundheitsnachrichten immer wieder darauf hingewiesen wird, wie wichtig die Nachtruhe ist. Der Körper braucht die Ruhephase, um sich zu regenerieren. Im Schlaf werden nämlich wichtige Reparaturprozesse angeleitet, die das Immunsystem stärken, die Gedächtnisbildung ankurbeln und, und, und. Ausreichend Schlaf hat viele Vorteile, während zu wenig Gefahren birgt, beispielsweise wird das Risiko für Depressionen oder Herzerkrankungen erhöht. Eine Studie des Spanischen Zentrums für Herz-Kreislauf-Forschung stellte sogar fest, dass Menschen, die weniger als sechs Stunden Schlaf pro Nacht bekommen, ein 27 Prozent höheres Arteriosklerose-Risiko haben, was zur Verstopfung der Venen führen und so zu Herzversagen, Schlaganfall oder Aneurysma beitragen kann.

Praktisch jeder Teil des Körpers – und jeder Körperprozess – wird in irgendeiner Weise vom Schlaf beeinflusst. Und nicht nur körperliche Symptome sind die Folge von Schlafmangel. Eine Studie des Instituts für Luft- und Raumfahrtmedizin belegte, dass bereits nach einer einzigen zu kurzen Nacht die kognitiven Fähigkeiten leiden. Schläft jemand mehrere Tage hintereinander zu wenig, sind die Einbußen oft gravierend. Die meisten reagieren dann ungefähr so wie mit einem Blutalkoholgehalt von 0,6 Promille. Dennoch macht der Mensch gerne leichtfertig Abstriche, wenn es um seinen Schlaf geht. Zu voll ist der Alltag, zu viele To-dos verfolgen uns bis spät in die Nacht. Die klinische Psychologin Shelby Harris, Autorin von "The Woman's Guide To Overcoming Insomnia", nennt das Phänomen auch "Momsomnia", denn Mütter haben oft "nur nachts ein paar ruhige Stunden, in denen sie Dinge erledigen können" – oder sich Gedanken um alles Mögliche machen.

Gender Sleep Gap: Frauen schlafen drei Stunden weniger pro Nacht

Laut einer in Großbritannien durchgeführten Umfrage der Sleep Foundation aus dem Jahr 2019, bei der 2.000 Britinnen und Briten befragt wurden, schlafen Frauen im Schnitt drei Stunden weniger als Männer – und das pro Nacht. Ein gravierender Unterschied, der zwar zuerst überrascht, bei genauerer Betrachtung aber sogar recht naheliegt. Gehen wir mal von einer durchschnittlichen Familie aus und stellen uns folgende Fragen: Wer steht um 3 Uhr in der Nacht auf, um das Baby zu füttern, und wer tröstet das Schulkind, wenn es Ohrenschmerzen hat? In der Regel sind das die Mütter. Sie zahlen mit ihrem Schlaf und bekommen dafür Gereiztheit, Kopfschmerzen und Übermüdung, um nur ein paar der direkten Folgen von Schlafmangel zu nennen. Auf Dauer kann dieses Defizit wie oben beschrieben sogar richtig gefährlich werden.

Natürlich sind nicht in allen Familienkonstrukten die Mütter Bezugspersonen Nummer eins, Gleichberechtigung in der Elternschaft wird zum Glück immer wichtiger. Vielleicht nimmt dann auch der Vater Elternzeit oder steht in der Nacht auf, um nach dem Kind zu sehen. In der Realität der breiten Masse sind wir aber nach wie vor weit von einer Gleichberechtigung entfernt. Denn da kommen die Frauen meist zum Großteil der Care-Arbeit nach, während die Männer erwerbsarbeiten. Und weil Sorgearbeit immer noch viel weniger anerkannt ist als Erwerbsarbeit, heißt es vonseiten der Väter dann: "Ich muss morgen fit sein, ich habe ja einen langen Arbeitstag vor mir." Dass der Tag der Frau mit Sicherheit nicht kürzer ist, sie den Haushalt schmeißt, die Kinder umsorgt und somit ebenfalls arbeitet, wird vergessen.

Überall Gaps

Laut dem Statistischen Bundesamt haben Frauen in Deutschland im Jahr 2022 pro Woche durchschnittlich rund neun Stunden mehr unbezahlte Arbeit geleistet als Männer. Das entspricht einer Stunde und 17 Minuten pro Tag. Der Gender Care Gap lag damit bei 43,8 Prozent. Der Gender Care Gap bedingt unter anderem den Gender Sleep Gap. Denn wenn immer noch die Mütter hauptsächlich für die Sorgearbeit zuständig sind, sind es auch sie, die mit ihrem Schlaf bezahlen. Und damit hat es sich noch nicht: Denn tatsächlich spielt auch der Gender Pay Gap hier rein. Würden Frauen für die gleiche Arbeit das gleiche Geld verdienen wie ihre männlichen Kollegen, dann würden vermutlich auch mal die Männer die längere Elternzeit nehmen. Leider ist es für viele Familien schlichtweg finanziell nicht möglich, frei zu entscheiden, wer wie und wann zu Hause bleibt, weil sie eben auf das höhere Gehalt angewiesen sind.

Mehr Schlaf für Mütter

Die gute Nachricht ist: Frauen sind dem Gender Sleep Gap nicht per se hilflos ausgeliefert. Wenn Paare die Sorgearbeit für ihre Kinder – insbesondere in der Nacht – gerechter aufteilen, dann führt das auch zu einer Verkleinerung der Lücke und weniger schlaflosen Nächten für die Frauen. Selbst wenn du dein Kind in der Nacht stillen musst und dein Partner dich dabei nicht unterstützen kann, kann er es dafür am frühen Morgen betreuen und Aufgaben wie Frühstückmachen und Windelnwechseln übernehmen. Außerdem kann der Papa die Monster unter dem Bett mindestens genauso gut vertreiben wie die Mama. Natürlich ist damit noch lange nicht alles getan. Der Gender Sleep Gap ist auch ein strukturelles Problem, das durch die oben genannten Gaps bedingt wird und bei dem es nicht nur mit der Aufgabenumverteilung im eigenen Haushalt getan ist. Aber immerhin wäre das ein Anfang, der Müttern nach und nach ein wenig mehr Schlaf bescheren kann.

Verwendete Quellen: geo.de, spiegel.de, spectrum.de, washingtonpost.com, destatis.de, rnd.de

Brigitte

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