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Gender Care Gap So unfassbar viel Geld stünde Frauen für ihre Care-Arbeit zu

Mutter malt mit Kind
© Seventyfour / Brigitte
Gender Care Gap. Oder: Wie viel Geld Frauen für ihre Care-Arbeit bekommen müssten.

Wie kommt diese schiere Ungerechtigkeit zustande, dass Frauen nur halb so viel Vermögen haben wie die Männer? Dafür gibt es viele Gründe. Einer der größten ist – und wir sollten ihn wirklich viel öfter thematisieren – nicht der Gender Pay, sondern der Gender Care Gap. Die Tatsache also, dass in heterosexuellen Beziehungen aufgrund von Erziehung, fehlenden Vorbildern und vielen anderen Faktoren, Frauen auch heute noch in die Rolle der meist zu Hause Care-arbeitenden Kümmerin gedrängt werden und Männer immer noch in die Rolle des meist zu Hause abwesenden lohnarbeitenden Ernährers. Das führt wiederum dazu, dass eine Frau in Deutschland auch heute noch täglich wesentlich mehr Care-Arbeit leistet als ein Mann, und dass man diese Lücke den Gender Care Gap nennt. 

Der Gender Care Gap beläuft sich auf knackige 83 Prozent

In Stunden sieht dieser Wert dann so aus: Eine Frau leistet im Schnitt täglich 4 Stunden und 13 Minuten Sorgearbeit, ein Mann 2 Stunden und 46 Minuten. Kommen Kinder ins Spiel – man kann es sich vermutlich denken – erhöht sich der Gender Care Gap hierzulande auf knackige 83 Prozent.

Wem das alles immer noch zu abstrakt ist, dem könnte diese Zahl vielleicht endgültig die Schuhe ausziehen: Würde man die weltweit von Mädchen und Frauen umsonst geleistete Care-Arbeit wenigstens mit einem Mindestlohn bezahlen, so hat es Oxfam vor ein paar Jahren ausgerechnet, entspräche das dem 24-fachen Umsatz von Apple, Facebook und Google zusammen. Zusammen!

Jetzt könnte man meinen, der Gender Care Gap ist nur ein Problem von Beziehungen mit Kindern. Kinderlose Paare dürften in diese Fallen ja nicht tappen. Stimmt nur leider nicht: Der Gender Care Gap zwischen kinderlosen Paaren liegt bei immer noch sagenhaften 36 Prozent! Wie viele dieser kinderlosen Paare tatsächlich gleich viel arbeiten? Nur 58 Prozent.

Frauen arbeiten Zuhause eine "Zweite Schicht" - nur ohne Vergütung

Das heißt: Auch ein großer Teil von Paaren ohne Kinder fährt das traditionelle Modell er macht Vollzeit, sie Teilzeit. Warum? Weil auch bei kinderlosen Paaren die Frau länger damit beschäftigt ist, zu kochen und zu putzen, zu planen und einzukaufen, zu überlegen, was die Schwiegermutter zum Geburtstag bekommt, mit dem Hund zur Hundeschule zu fahren, den bettlägerigen Papa zu pflegen, Bettwäsche zu waschen und so weiter und so fort. Und diese Care-Arbeit nun mal mehr ihrer Zeit und Ressourcen frisst und weniger seiner. Und zwar so viel mehr, dass Soziolog:innen längst von einer "Zweiten Schicht" sprechen, zu der Frauen nach ihrer ersten Schicht im Betrieb aufbrechen. 

Was diese Care-arbeitenden Frauen jährlich dafür eigentlich verdienen müssten? Auch dazu gibt es Studien. Und die belaufen sich, je nach Schätzungen auf 30 000 Euro bis – Achtung – 180 000 Euro im Jahr! Da kann einem schon das Wasser im Munde zusammenlaufen, oder?

In anderen Ländern wird Frauen von Gerichten Geld für die Care-Arbeit zugesprochen

Immerhin gibt es Länder, die es verstanden haben, dass das für die Frauen ganz schön unfair ist – und bezahlen sie mittlerweile sogar! In Spanien hat ein Gericht 2023 einer Frau nach der Scheidung satte 200 000 Euro zugesprochen – dafür, dass sie 25 Jahre lang Hausarbeit und Kinder für den Gatten übernommen hat. Aufs Jahr gerechnet ist das immer noch nicht viel, doch das Urteil, dass die Frau für ihre Care-Arbeit entlohnt gehört, ist schon ziemlich revolutionär. In Argentinien bekam eine Frau 2019 von ihrem Ex-Partner 160 000 Euro zugesprochen, weil die 29-Jährige ihren Job als Ökonomin aufgab, um sich in der Ehe um Haus und Familie zu kümmern. Und in Österreich hat der Oberste Gerichtshof Mitte 2023 entschieden, dass nach Scheidungen das gemeinsame Vermögen des Paares nicht unbedingt 50/50 aufgeteilt werden dürfe, sondern – wenn die Frau zugunsten der Familie im Job zurückgesteckt hat – 60 zu 40 aufgeteilt werden könne. Und zwar zugunsten der Frau.

Es sind diese Entwicklungen, die die Bezahlung von Care-Arbeit zumindest nicht mehr ganz so utopisch klingen lassen und tatsächlich Hoffnung auf die Zukunft machen.

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Brigitte

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