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Rachel Botsman: Teilen statt besitzen

Wir haben mehr, wenn wir teilen. Diese Idee hatte Rachel Botsman zuerst und prägte den Begriff "Collaborative Consumption" - "gemeinschaftlicher Konsum".

Wenn Rachel Botsman, 34, das Prinzip erklären will, das die Welt verändern soll, greift sie gern zur Bohrmaschine. Ein nützliches Gerät sei das, sagt sie. Blöd nur, dass man es auf seine Lebensdauer gerechnet lediglich etwa 13 Minuten benutzt. Denn was man dauerhaft braucht, ist ja nicht der Bohrer - sondern das Loch in der Wand. Muss also jeder eine eigene Maschine besitzen? Könnte man sie nicht bei Bedarf ausleihen? Gegen Geld oder Leistungen, die wiederum der Bohrmaschinenbesitzer gebrauchen kann? Das fasst ungefähr das Phänomen zusammen, dem Rachel Botsman in ihrem Buch "What's mine is yours" eine griffige Bezeichnung verpasst hat (die ja jede gute Revolution braucht): "Collaborative Consumption" - gemeinschaftlicher Konsum. Damit schaffte es die Britin auf die Liste des "Time Magazine" mit den "10 Ideen, die die Welt verändern werden". Sie ist das Gesicht einer Bewegung, die angesichts schwindender Ressourcen den "Wandel von der Ich-zur Wir-Gesellschaft" fordert. Also zurück zu einem System des Teilens und Tauschens, das die Menschheit jahrtausendelang praktiziert hat, bevor sie sich einredete, dass nur das Anhäufen von Dingen glückselig macht.

Gemeinschaftseigentum klingt heute nicht mehr nach Sozialismus und leeren WG-Kühlschränken. Von harter Konsumkritik ist Botsman mit ihrem "Junge Sandra Bullock"-Look (stilvoll, aber kumpelig) weit entfernt. Die neue Kultur des Teilens sei mehr hip als Hippie, sagt die Harvard-Absolventin, auch, weil sie erst durch die Technik der Generation mit ihren Smartphones und sozialen Netzwerken möglich geworden ist. Im Internet schrumpft die Welt wieder zum Dorf, in dem globale Nachbarn Autos, Gemüsebeete oder Kleinkredite teilen.

Weil Botsman früher lange im Markenmanagement gearbeitet hat, weiß sie, wie wichtig die richtige Präsentation ist. Also berät sie Collaborative-Consumption-Start-ups und versucht ansonsten, möglichst viele Leute von der Idee zu überzeugen. Wo sie auftritt, auf der TedKonferenz, bei Microsoft, Google oder vor dem britischen Premier, redet sie so witzig und mitreißend, dass man sofort einem Fremden seinen Autoschlüssel in die Hand drücken möchte. Vertrauen in andere ist essenziell: dass sie das Auto nicht absichtlich gegen einen Pfeiler setzen und die Bohrmaschine zurückgeben werden. Deshalb glaubt Botsman auch, dass unsere digitale Reputation bald wichtiger werden wird als unsere Kreditbilanz. Sie lebt selbst ganz im Zeichen des gemeinschaftlichen Konsums - nur ihre Klamotten würde sie niemals über eine Kleiderbörse tauschen. "Absurd, ich weiß", sagt sie, "aber jeder hat offenbar Grenzen."

Zur Person

Die Autorin und Unternehmensberaterin Rachel Botsman, 34, hat mit ihrem Buch "What's mine is yours" die Idee der "Collaborative Consumption" (gemeinschaftlicher Konsum) zum ersten Mal als griffiges Schlagwort in die Welt gebracht. Sie propagiert: Teilen und Tauschen statt Anhäufen und Besitzen. Die gebürtige Londonerin lebt mit Mann und Sohn in Sydney.

Text: Andrea Benda BRIGITTE 13/2013

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