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"Pro Quote" - denn wir haben nicht ewig Zeit

BRIGITTE-Kolumnistin Julia Karnick über Meinungsmacher, Quotenfrauen, die Initiative "Pro Quote" und den Frauenhass von Männern, denen wir Frauen offenbar wirklich Angst machen.

Mein Mann sieht manches anders als ich. Gut so, wir wären sonst nicht mehr zusammen, Trennungsgrund: unüberbrückbare Langeweile. Manches sieht er anders, weil er ein anderer Mensch ist als ich. Manches sieht er anders, weil er ein Mann ist. Das ist der Grund, warum ich mich an der Initiative ProQuote beteilige. Die von 350 Journalistinnen ins Leben gerufene Initiative fordert, dass ein Drittel aller Führungspositionen in den Print-, Hörfunk-, Fernseh- und Online-Redaktionen mit Frauen besetzt werden.

Welche Probleme in den Mittelpunkt des gesellschaftspolitischen Interesses rücken, über welche Themen öffentlich diskutiert wird, das wird - trotz stetig wachsender Bedeutung des Internets - nach wie vor maßgeblich von den klassischen Medien bestimmt. Darum nennt man jene Menschen, die über die Inhalte eines Mediums entscheiden, Meinungsmacher. Die Meinungsmacher, die über den Inhalt eines Leitmediums entscheiden, kann man auch Leithammel nennen.

Wir haben nicht ewig Zeit. In spätestens hundert Jahren wird selbst meine Tochter tot sein.

Der Meinungsmacher in Deutschland ist fast immer männlich: In den Chefsesseln deutscher Tages- und Wochenzeitungen zum Beispiel sitzen weniger Frauen als in den Aufsichtsräten deutscher Dax-Konzerne. Ich bin dafür, dass sich das ändert, weil es nicht auszuschließen ist, dass Meinungsmacher andere Themen wichtig finden als Meinungsmacherinnen.

Ich glaube, dass sich leider nichts ändern wird ohne Quotenfrauen. Die meisten Meinungsmacher scheinen es nicht eilig zu haben, freiwillig familienfreundlichere Arbeits- und Karrierebedingungen zu schaffen, damit mehr Frauen als bisher die Chance haben, zu Meinungsmacherinnen zu werden. Der Leithammel möchte Leithammel bleiben. Kann ich einerseits verstehen. Andererseits müssen wir Frauen jetzt auch mal an uns selbst denken. Wir haben nicht ewig Zeit. In spätestens hundert Jahren wird selbst meine Tochter tot sein.

Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen ist für die Frauenquote. Andere sind dagegen. Horsti zum Beispiel. "Die Unternehmensgründungen weitgehend den Männern zu überlassen und sich dann per Quote in gute Jobs reinzubetteln ist doch etwas arg armselig", kommentiert Möchtegern-Meinungsmacher Horsti einen Online-Artikel über ProQuote. Andere Beiträge lauten: "Eierstöcke an die Macht! Fertig mit der Herrlichkeit, mehr Dämlichkeit braucht das Land!" - "Mit Nachdruck fordere ich einen Behindertenausweis für alle Frauen, damit können wir all die Bevorzugungsmaßnahmen einsparen."

Ist er nicht süß, dieser Frauenhass? Wir machen ihnen wirklich Angst.

"Mädels, macht es euch doch einfacher und seid ehrlicher: einfach 100 % vom Kontostand eines jeden Mannes im Land einfordern." - "Männer erledigen alle für unsere Wirtschaft wichtigen Aufgaben wie Rohstoffförderung, Rohstoffproduktion, Infrastrukturschaffung - von Sozialarbeiterinnen, Psychologinnen und Chefinnen kann keine Volkswirtschaft existieren." - "Im Fernsehen sieht man Werbung für Voruntersuchungen wegen Gebärmutterhalskrebs, aber für die Männer, die einen Anreiz für Voruntersuchungen bräuchten, findet man keine Werbung (höchstens wegen Impotenz)."

Ist er nicht süß, dieser Frauenhass? Wir machen ihnen wirklich Angst.

Text: Julia Karnick Portraitfoto: Christina Körte

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