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Frauenfußball in Afghanistan: "Wir tun, was wir wollen"

Zwei Wochen verbrachte die afghanische Mädchen-Nationalmannschaft im Trainingslager in Ruit bei Stuttgart. Jetzt fliegen die Mädchen wieder nach Hause - in eine vollkommen andere Welt. BRIGITTE.de sprach mit einer der Spielerinnen.

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Yasamin Rasoul, 17, ist 2002 mit ihren Eltern aus dem Exil in Pakistan nach Afghanistan zurückgekehrt. In Kabul besucht sie die siebte Klasse der Internationalen Schule. Sie ist Mittelfeldspielerin, sagt ihr deutscher Trainer Klaus Stärk. Sie selbst nennt sich lieber Stürmerin. Frauenfußball in Afghanistan ist mehr als Sport: Er ist ein Weg in ein anderes Leben.

BRIGITTE.de: Als Fußballspielerin hat man es in Afghanistin bestimmt nicht leicht.

Yasamin Rasoul: Ja, vor allem wegen der Männer. Sie mögen es nicht, wenn wir als Fußballerinnen rausgehen. Sie belästigen uns, sagen schlimme Sachen, und dass Fußball nur etwas für Jungen sei. Aber wir tun das, was wir wollen, wir wollen einfach unsere Träume verwirklichen. Wir müssen aber vor vier, fünf Uhr daheim sein, sonst kann es auf der Straße gefährlich werden.

BRIGITTE.de: Wurdest Du schon angegriffen, weil Du Fußball spielst?

Yasamin Rasoul: Ja, einmal sind Jungen hinter mir, meiner Schwester und meinem Bruder hergelaufen, und haben Steine nach uns geworfen. Wir sind dann einfach schneller gelaufen, aber irgendwann hat sich mein Bruder zu ihnen umgedreht und hat sie gefragt, was das soll. Da haben sie gesagt: Deine Schwester spielt Fußball, deswegen.

BRIGITTE.de: Trägst Du ein Kopftuch, wenn Du Fußball spielst?

Yasamin Rasoul: Wenn ich in Afghanistan mit meiner Mannschaft ein Spiel habe oder etwas im Fernsehen gezeigt wird, muss ich meine Haare bedecken. Da ich im Alltag kein Kopftuch trage, haben meine Trainer gesagt, dass ich stattdessen auch eine Mütze aufsetzen kann. Hier in Deutschland hatte ich meinen Kopf nur bedeckt, als das Fernsehen da war.

BRIGITTE.de: Was sagt denn Deine Familie dazu, dass Du Fußballerin bist?

Yasamin Rasoul: Meine Mutter hat oft Angst um mich. Aber mein Bruder begleitet mich immer zum Training. So lange er bei mir ist, ist es nicht so gefährlich. Meine Eltern unterstützen mich sehr. In Afghanistan war lange Krieg, man konnte nicht zur Schule gehen oder Sport machen. Meine Mutter sagt deshalb immer: Das ist jetzt deine Zeit, du musst sie nutzen und dein Bestes versuchen.

BRIGITTE.de: Und wie finden es deine Freunde?

Yasamin Rasoul: Ich habe eine Freundin, die nicht Fußball spielen darf, weil ihre Brüder das nicht wollen. Wenn sie mich im Fernsehen spielen sieht, weint sie jedes Mal. Sie sagt immer „Ich wäre gerne so wie Du“. Wenn sie zu spät von der Schule nach Hause kommt, schlagen ihre Brüder sie, nach der 7. Klasse muss sie die Schule ganz verlassen. Sie ist erst 14 Jahre alt und schon verlobt. Ihr Mann ist 25 oder 30 Jahre alt. Sie hat ein wirklich schlimmes Leben. Sie ist meine beste Freundin, ich würde ihr so gern helfen, aber kann nichts tun.

BRIGITTE.de: Hat sich denn die Akzeptanz von Frauenfußball im Laufe der Zeit verändert?

Yasamin Rasoul: Ja, als ich 2004 angefangen habe, da gab es keine einzige Mannschaft in Afghanistan. Inzwischen wird Fußball beliebter in unserem Land. Auch Männer kommen und schauen unsere Spiele an, und die, die kommen sagen: "Wow, ihr macht eure Sache gut"!.

BRIGITTE.de: Wie ist es, jetzt nach zwei Wochen in Deutschland nach Afghanistan zurückzukehren?

Yasamin Rasoul: Es ist schon schwer. Aber ich kenne das ja schon, ich war früher schon in anderen Ländern, sogar für mehrere Wochen in Amerika, um zu trainieren und zu studieren. Für mich ist es in Ordnung. Und in Afghanistan kann ich dann auch wieder meine Mannschaften trainieren: 20 Jungen und 20 Mädchen zwischen acht und vierzehn Jahren.

BRIGITTE.de: Was sind deine Pläne für die Zukunft?

Yasamin Rasoul: Ich möchte Profifußballerin werden - und Ärztin. In unserem Land gibt es nicht viele gute Ärzte. Naja, es gibt schon Ärzte, aber die können sich nicht richtig um die Kranken kümmern. In unserem Land haben sie in den Krankenhäusern kein Geld, um Medikamente zu kaufen oder Blutkonserven. Meine Mutter musste operiert werden und war wirklich in Gefahr, aber der Arzt konnte nichts tun, er musste erst auf das Medikament warten. Als wir 2006 zum Training und zum Studieren in Maryland in Amerika waren, haben wir einen Preis gewonnen und 250 Dollar bekommen. Meine Schwester hat es eingepackt und nach Hause geschickt, um es den kranken Menschen zu geben. Es ist schwer, in Afghanistan zu leben.

BRIGITTE.de: Aber du willst helfen, es besser zu machen?

Yasamin Rasoul: Ja, manchmal sage ich zu meinem Vater, dass ich arbeiten gehen möchte, um den Menschen helfen zu können, die auf der Straße betteln, vielleicht ein Heim aufmachen. Mein Vater sagt dann, dass viel zu viel Druck auf mir lastet. Aber ich werde die Schule beenden, und vielleicht kann ich es dann machen.

Interview: Karen Bofinger Foto: Bernd Weissbrot/dpa und Syed Jan Sabawoon/dpa

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