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Machtmissbrauch Internalisierte Misogynie: Die Gesellschaft gegen Frauen

Unhappy young woman
Viele von uns wünschten, wir würden alle gemeinsam an einem Strang ziehen, doch der Kampf gegen tief Verinnerlichtes ist schwer und müßig.
© DimaBerlin / Adobe Stock
Wir würden gerne glauben, dass es in unserer modernen und aufgeklärten Gesellschaft selbstverständlich ist, dass Männer und Frauen auf Augenhöhe stehen und miteinander umgehen. Doch leider sind frauenfeindliche Strukturen immer noch tief in unserem gesellschaftlichen Bewusstsein verankert. So sehr, dass sogar Frauen gegen Frauen sind.

Inhaltsverzeichnis

Misogynie ist ein Phänomen, das oft vor allem Männern vorgeworfen wird. Jedoch gehört zur Wahrheit, dass Frauen untereinander genauso abwertend miteinander oder mit dem weiblichen Geschlecht allgemein umgehen – es ist ein gesellschaftliches Problem und als solches fest verinnerlicht. Nicht nur die sogenannten Incels lehnen Frauen ab. Viele von uns lehnen das Frausein oder weibliche Attribute selbst ab. Wir konkurrieren miteinander, kämpfen darum, wer von uns tougher oder stärker ist. Wir lernen von klein auf, dass männliche Attribute als die gehandelt werden, die einen nach vorne bringen und Erfolg garantieren.

"Ich bin nicht wie andere Frauen, ich bin anders" ist deshalb ein beliebter Satz der sogenannten 'Pick Me'-Girls – deren Bezeichnung im Grunde genauso frauenverachtend ist, wie das Verhalten selbst. Sie sind ein klassisches Beispiel für internalisierte Misogynie. 'Pick Me'-Girls grenzen sich von "typisch" weiblichen Interessen ab und erhoffen sich dadurch, vom männlichen Geschlecht als attraktiver wahrgenommen zu werden. Darüber hinaus interessieren sie sich auch für "typisch" männliche Aktivitäten, um die Aufmerksamkeit des männlichen Geschlechts auf sich zu ziehen.

Was bedeutet "internalisierte Misogynie"?

Misogynie bezeichnet eine tief sitzende Abneigung gegenüber Frauen, die in intensiven Gefühlen von Hass, Widerwillen oder Vorurteilen wurzelt. Sie können sich sowohl auf persönlicher Ebene manifestieren als auch als institutionalisierte, systematische Diskriminierung auftreten. Auf persönlicher Ebene kann Frauenfeindlichkeit physisch, verbal, psychologisch oder wirtschaftlich zum Ausdruck kommen und hat sowohl Auswirkungen auf individuelle Beziehungen als auch auf gesellschaftliche Strukturen. Misogynie kann sich zum Beispiel durch herabsetzende Kommentare, häusliche Gewalt und sexuelle Belästigung, durch Bedrohungen, Manipulation und psychische Gewalt äußern.

Als "internalisiert" wird diese Ablehnung bezeichnet, wenn sie subtil geschieht und (fast) unbemerkt unser Denken und Handeln bestimmt. Dabei geht es um die Abwertung von allem, was allgemein als weiblich betrachtet wird. Der Begriff "internalisiert" meint das verinnerlichte Denk- und Verhaltensmuster, das so fest in uns verankert ist, dass wir es oft nicht erkennen oder in Frage stellen. Konkret bedeutet das, dass auch Frauen die von der Gesellschaft übermittelten frauenfeindlichen Vorurteile und Stereotypen unbewusst verinnerlicht haben und diese auch gegen andere Frauen oder sich selbst richten. Die Betroffenen wissen häufig nicht einmal, dass sie in diesen Denkmustern verhaftet sind und sie unbewusst immer wieder reproduzieren.

Woher kommt der gesellschaftlich verankerte Frauenhass?

Frauenfeindlichkeit hat weit zurückreichende Wurzeln, sie ist geprägt von Jahrhunderten des Patriarchats, also der männlichen Vorherrschaft. Frauen galten lange Zeit als weniger wertvoll und minderwertig als Männer. Dies zeigte sich in vielen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens, von der Aufgabenverteilung in der Familie, über die politische Partizipation, bis hin zur Bildung. Auch heute noch wird Frauen häufig vermittelt, dass sie bestimmte Rollen zu erfüllen haben, sei es als Mutter, Hausfrau oder in der Partnerschaft. Dies führt dazu, dass Frauen unbewusst lernen, frauenfeindliche Einstellungen zu übernehmen und zu verinnerlichen.

Soziokulturelle Faktoren spielen bei der Entstehung von Frauenfeindlichkeit eine wichtige Rolle. In vielen Kulturen gibt es tief verwurzelte patriarchale Normen und Verhaltensmuster, die die Entstehung von Frauenfeindlichkeit begünstigen. Dazu gehören:

  • Geschlechterrollen und -normen, die Frauen als untergeordnet und minderwertig darstellen
  • Stereotype und Vorurteile gegenüber Frauen in Medien und Literatur
  • Religiöse und kulturelle Praktiken und Überzeugungen, die die Dominanz der Männer über die Frauen bestätigen

Der Einfluss dieser soziokulturellen Aspekte ist so tiefgreifend, dass unbewusste Einstellungen und Vorurteile gegenüber Frauen oftmals gefestigt werden.

Frauenhass und Sprache

Wir wachsen mit vielen negativen Beschreibungen von Frauen auf. Geschminkte Frauen sind Tussis, zornige Frauen sind Furien, selbstbewusste Frauen sind Zicken. Frauen, die nicht als Jungfrau in die Ehe gehen, sind Flittchen, wenn ihre Nase nicht perfekt ist oder ihre Haare rot sind, sind sie Hexen und wenn eine Frau ihre Haare kurz trägt, ist sie natürlich eine Kampflesbe. Auch böse Beschimpfungen sind oft weiblich konnotiert. Wer eine männlich gelesene Person beleidigen will, greift zu Begriffen wie "Pussy" oder "Hurensohn", was zeigt, wie negativ das vorherrschende Frauenbild ist. Der Mann wird als schwach angesehen und deshalb als "Pussy" bezeichnet, und wenn man ihn wirklich heftig treffen will, erniedrigt man seine Mutter und damit auch ihn. Ein noch härteres Schimpfwort bezeichnet wiederum das weibliche Geschlechtsorgan, es wird vor allem gegenüber Frauen ausgesprochen und gilt meist als größtmögliche Abwertung – Weiblichkeit wird besonders gering geschätzt.

Die positiven Vorbilder, mit denen wir aufwachsen, brauchen oft Hilfe oder Rettung, zum Beispiel sind Disney-Prinzessinnen nicht so stark wie Männer, sie brauchen Männer. Sie müssen aus einem Verlies befreit oder aus einem passiven Zustand wach geküsst werden, um dann ihre Rolle zu erfüllen. Den weiblichen Figuren in Geschichten und Filmen fehlt es oft an Tiefe – gesellschaftliche Narrative sind oft negativ, eindimensional und entmutigend. Das führt dazu, dass wir unsere Mehrdimensionalität beweisen, unsere Individualität nach außen zeigen und uns abgrenzen wollen. Um uns dem Klischee zu entziehen, verachten wir andere Frauen.

Wie zeigt sich "internalisierte Misogynie"?

Internalisierte Misogynie kann verschiedene Formen annehmen. Dazu gehören beispielsweise die Abwertung anderer Frauen, die Übernahme stereotyper Rollen und Verhaltensweisen oder die Befürwortung frauenfeindlicher Einstellungen und Handlungen. Sie kann dazu führen, dass Frauen ihr eigenes Geschlecht für weniger kompetent oder leistungsfähig halten und Männer bevorzugen. Häufig äußert sich verinnerlichte Frauenfeindlichkeit auch in Selbstzweifeln und einem geringen Selbstwertgefühl. Frauen neigen dazu, ihre Fähigkeiten und Erfolge herunterzuspielen. Sie vergleichen sich ständig mit anderen Frauen und halten sich für minderwertig, wenn sie bestimmten sozialen oder äußeren Normen nicht entsprechen. Sie akzeptieren und fördern möglicherweise traditionelle Geschlechterrollen und -normen, auch wenn diese sie selbst oder andere Frauen einschränken oder diskriminieren.

'Pick-Me'-Girls

Ein bekanntes Verhalten, das als Ergebnis verinnerlichter Frauenfeindlichkeit angesehen werden kann, ist die Einstellung sogenannter 'Pick-Me'-Girls. An dieser Stelle muss gesagt werden, dass auch diese Bezeichnung abwertend ist und vermieden werden sollte. Das Phänomen an sich ist jedoch interessant. 'Pick me'-Girls neigen dazu, sich als "anders als andere Frauen" darzustellen und hervorzuheben. Sie wollen vor allem von Männern so wahrgenommen werden, um attraktiver zu erscheinen. Sie betonen (vermeintliche) Eigenschaften, die nicht dem gesellschaftlich geprägten, typisch weiblichen Klischee entsprechen. Damit werten sie weibliche Stereotype ab und negieren sie. So geben sie beispielsweise an, Videospiele zu lieben und lieber zu zocken, als mit Freundinnen den Bachelor zu schauen. Überhaupt sind sie viel lieber mit Männern befreundet, weil die weniger "kompliziert" und "zickig" sind. Sie trinken betont lieber Bier als Prosecco und gehen lieber skaten als shoppen. All das, um für Männer attraktiver zu sein oder bei ihnen besser anzukommen. Die 'Pick-me'-Girls zeigen geradezu perfekt, wie sehr Frauen selbst Frauen und das Frausein aufgrund erlernter Muster hassen oder als minderwertig empfinden.

Warum ist "internalisierte Misogynie" problematisch?

Internalisierte Misogynie behindert die Gleichstellung der Geschlechter und hindert Frauen daran, ihr volles Potenzial zu entfalten. Sie kann dazu führen, dass Frauen sich selbst und andere Frauen abwerten, sich in untergeordneten Rollen wiederfinden und sich nicht trauen, für ihre Rechte einzutreten. Dies hat nicht nur negative Auswirkungen auf das Selbstbild und das Selbstwertgefühl der betroffenen Frauen, sondern kann auch Entwicklungen zur Überwindung dieses Problems hemmen.

Was sind typische Verhaltensweisen für "internalisierte Misogynie"?

Typische Verhaltensweisen für internalisierte Misogynie können sein:

  • Abwerten und Kritisieren anderer Frauen aufgrund ihres Aussehens, ihrer Kleidung oder ihres Verhaltens
  • Übernahme stereotyper Rollen und Verhaltensweisen, zum Beispiel Streben nach Perfektion oder Unterordnung unter Männer
  • Unterstützung frauenfeindlicher Einstellungen und Verhaltensweisen, beispielsweise die Duldung von Sexismus oder Verharmlosung von Gewalt gegen Frauen
  • Selbstzweifel und das Gefühl, nicht gut genug zu sein oder den gesellschaftlichen Erwartungen nicht zu entsprechen

Internalisierte Misogynie ist ein tief verwurzeltes und komplexes Problem, das nicht von heute auf morgen gelöst werden kann. Aber durch Bildung, Selbstreflexion und Solidarität können Frauen lernen, sich von diesen Denkmustern zu befreien und sich gegenseitig zu unterstützen, um gemeinsam für eine gerechtere und gleichberechtigte Gesellschaft einzustehen.

Quellen:

  • https://www.studysmarter.de/schule/psychologie/grundlagendisziplinen-der-psychologie/misogynie/
  • https://www.goethe.de/prj/zei/de/art/22556586.html
  • https://pinkstinks.de/warum-sind-fiese-beleidigungen-oft-weiblich/
Brigitte

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