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Chronik eines Skandals

Der Film Die Päpstin wirft eine alte Frage auf - warum werden Frauen in der katholischen Kirche seit 2000 Jahren im Namen Gottes missachtet und unterdrückt?

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Moshi, Tansania, 1993. An dem Tag, an dem Schwester Maria Lauda der katholischen Kirche in die Quere kommt, ist sie ganz bei Gott. Mit einer Ärztin fährt sie ins Rotlichtviertel der Stadt, die Ärztin will Kondome an die Prostituierten verteilen. Als katholische Nonne darf Maria Lauda den Gebrauch von Verhütungsmitteln eigentlich nicht unterstützen, doch Rom ist weit weg von der Wirklichkeit in Afrika. Die Nonne hat das Elend gesehen in den Vierteln, in denen Aids beinahe eine ganze Generation ausgelöscht hat. Sie hat Menschen gesehen, die sich lieber umbrachten, als ihren Familien die "Schande" der Krankheit zuzumuten. Mädchen, die von infizierten Männern vergewaltigt wurden, im Glauben, die Jungfräulichkeit würde die Krankheit vertreiben.

In europäischen Kirchenkreisen stößt die Arbeit der Nonne auf Unverständnis: Ausgerechnet HIV, dieser Geißel Gottes für die Sündhaftigkeit, sagt sie den Kampf an! Malaria, Tuberkulose, ja, das seien ehrbare Krankheiten für Missionare. Doch Maria Lauda sucht nicht nach Ehrbarkeit, sie will den Menschen helfen, seit 35 Jahren treibt das ihr Leben in Gottes Namen an. An diesem Tag besucht sie eine sterbende Frau, die lächelt, als die Nonne ihre Hand hält. Die Priester bleiben dem Viertel fern - aus Angst vor Ansteckung und aus Sorge um ihren Ruf.

Als Maria Lauda zurück in ihr Kloster fährt, erfüllt dieses Lächeln sie mit neuem Mut. Sie ahnt nicht, dass der Bischof den Besuch im Rotlichtviertel zum Anlass nehmen wird, sie wegen Ungehorsams von all ihren Pflichten zu entbinden und aus dem Orden zu treiben.

Majella Lenzen: "Das möge Gott verhüten: Warum ich keine Nonne mehr sein kann" (19,95 EUR, Dumont)

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Köln, 1630. En Volmers letzter Weg führt vor die Tore der Stadt. Der Armsünderkarren, auf dem sie steht, rumpelt dem Melaten-Friedhof zu. Die Hebamme trägt das Hexenhemd aus gewobenem Flachs, das Hals und Nacken entblößt und der Verurteilten auch die letzte Würde nimmt. Noch einmal sieht sie das Viertel, in dem sie 60 Jahre lang gelebt und unzählige Schwangere betreut hat. Jetzt stehen ihre ehemaligen Nachbarn gaffend am Wegesrand, En erkennt Frauen, deren Kinder sie zur Welt gebracht hat. Sie sieht die Angst in den Gesichtern, aber auch den Hass derer, die sie denunziert haben.

Das Neugeborene der Bäckerin soll sie verhext haben, es starb zwei Tage, nachdem sie es auf dem Arm hatte, mit schwarz verfärbtem Körper. Die Schaulustigen sind sich einig über ihre Schuld.

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Hat nicht schon der Dominikanermönch Heinrich Kramer in seinem "Hexenhammer" geschrieben, dass niemand dem katholischen Glauben mehr schade als die Hebammen? Weil sie Kinder entweder töten oder den Dämonen weihen? Und hat die Volmers nicht schließlich auch gestanden bei der "Peinlichen Befragung" im kurfürstlichen Gefängnis? Hat sie ihr Hexenwerk nicht herausgeschrien unter der Folter der Inquisition? Das Volk strömt zum Richtplatz, auf dem der Henker eine einfache Hütte aus Strohbündeln errichtet hat.

En Volmers widerfährt die Gnade, erst erdrosselt zu werden, bevor der Scharfrichter die brennende Fackel an den Haufen hält, in dem ihr Leib dem Feuer und ihre Seele der Gnade Gottes übereignet wird.

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Trier, 2000. Die Weisung von Bischof Josef Dammertz ist unmissverständlich: In Absprache mit dem Vatikan werde er der Tübinger Theologin und Ethikerin Regina Ammicht-Quinn die Lehrerlaubnis an der Katholisch-Theologischen Fakultät Augsburg verweigern. Auf den vakanten Lehrstuhl gehöre ein Priester. Die Universität protestiert, die Stellungnahme aus dem Bischofspalais ist dürr: Regina Ammicht- Quinn stehe mit ihren Thesen nicht auf dem Boden der kirchlichen Lehre. Dabei hat die zweifache Mutter schon einmal das notwendige "Nihil Obstat" ("Nichts steht entgegen") der Kirche bekommen, als Privatdozentin an der Uni Tübingen. Sie gilt als feministische Theologin, schreibt unverkrampft über den Körper - das katholische Tabuthema schlechthin -, ihre Habilitationsschrift heißt "Körperdiskurs, Religion und Sexualität".

Dennoch ist sie keine, die den Glauben schleifen will und gegen den Papst wettert. Im Gegenteil, sie wird geschätzt, weil sie mit ihren Theorien auch die jungen Menschen erreicht, die die katholische Kirche so bitter nötig hat. Zwei Jahre später verweigert ihr auch der Trierer Bischof Reinhard Marx die Lehrerlaubnis, diesmal für die Universität des Saarlandes. Gründe nennt er nicht. Zwei Ablehnungen von zwei Bischöfen, das kommt einem beruflichen Todesurteil gleich.

Frauen und die katholische Kirche:

Das ist ein 2000 Jahre währendes Trauerspiel der Unterdrückung und Ablehnung, genährt aus der unverhohlenen Auffassung des Klerus, dass alles Weibliche zweitklassig und nur das Männliche gottähnlich ist. Dieses Frauenbild ist so tief in unserer christlich geprägten Gesellschaft verankert, dass wir es meist einfach als gegeben hinnehmen, wenn Rom bis heute in allen Fragen weiblicher Selbstbestimmung vehement - und häufig erfolgreich - protestiert. Wenn Bischöfe Frauen im Zusammenhang mit dem Wort "Gebärmaschinen" nennen (Walter Mixa) oder Abtreibung als "Kinder-Holocaust" (Johannes Dyba) bezeichnen, sind das keine vereinzelten Entgleisungen unbelehrbarer Kirchenmänner. Es ist Ausdruck der offiziellen Haltung des Vatikans, in dem die ultrakonservativen Kräfte immer noch genauso lebendig sind wie im Mittelalter.

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Zwei aktuelle Kinofilme zeigen gerade eindrucksvoll, wie tief verwurzelt die Angst des Klerus ist, eine Frau könnte Gott ebenso nahe sein wie ein Mann: "Die Päpstin" mit Johanna Wokalek in der Hauptrolle erzählt die Legende um die angeblich aus der Kirchenchronik gelöschte Päpstin Johanna. Als Mann verkleidet soll sie es durch ihre außergewöhnliche Intelligenz im 9. Jahrhundert bis auf den Heiligen Stuhl geschafft haben - wo sie erst enttarnt wurde, als sie bei einer Prozession eine Frühgeburt erlitt. Ob es diese Figur nun gegeben hat oder nicht, die Geschichte zeigt jedenfalls, wie unmöglich es für Frauen in der damaligen christlichen Gesellschaft war, ihre Fähigkeiten zu entfalten.

In ihrem Film "Vision" schildert Margarethe von Trotta das Leben der mittelalterlichen Mystikerin Hildegard von Bingen. Die Nonne wurde zwar wegen ihrer göttlichen Visionen verehrt, wäre ohne männliche Fürsprecher allerdings schnell als Ketzerin gebrandmarkt worden. Die Benediktinermönche am Disibodenberg, an deren Kloster Hildegards Orden angegliedert war, waren von ihrer Sehergabe allerdings schnell überzeugt, als sich ihre zunehmende Popularität auch finanziell auszuzahlen begann. Umso erbitterter geriet der Widerstand der Mönche, als Hildegard beschloss, den Disibodenberg mit ihren Schwestern zu verlassen, um einen selbst verwalteten Konvent zu gründen.

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Es gibt kein einziges Jesuswort, das das frauenunterdrückende Verhalten der Männer rechtfertigen würde. Bibelforscher sind sich heute einig, dass der Prediger von Nazaret nicht nur Apostel, sondern auch Frauen in seinem Gefolge hatte - die seine Botschaft genauso in die Welt trugen wie die männlichen Jünger. Doch kaum hatte der Messias seine Nachfolger sich selbst überlassen, begannen die mit dem Ausverkauf seiner Botschaft von Gleichheit und Nächstenliebe. Schon im ersten Jahrhundert der neuen christlichen Zeitrechnung wurden Frauen aus ihrer gleichrangigen Stellung wieder in die stille Ecke am Herd verbannt, wo sie dem Hausherrn gefälligst zu gehorchen und ihr Heil im Kinderkriegen zu suchen hatten - so wie es die frühen Christen eben aus der männerdominierten Gesellschaft kannten, die sie umgab.

Dem wurden die Anweisungen im Neuen Testament angepasst: So weiß man heute, dass das Pauluswort "Frauen sollen in der Gemeinde schweigen", das Frauenrechtlerinnen gern höhnisch entgegengeschleudert wird, dem Apostel mit großer Wahrscheinlichkeit erst später untergeschoben wurde. Ebenso die Anweisung, dass Frauen nicht lehren dürften - die späteren Kirchenherren nahmen sie dennoch zum Anlass, Frauen den Zugang zu höherem Wissen gleich ganz zu verwehren und ihnen weiszumachen, zu viel Bildung lasse ihre Geschlechtsorgane verdorren.

Das wurde vor allem durch die Vorstellung der "Unreinheit" alles Weiblichen manifestiert. All die unbegreiflichen "schmutzigen" Vorgänge des weiblichen Körpers stießen den Klerus ab. Menstruationsblut galt als so unrein, dass man ihm gar zutraute, Pflanzen vertrocknen, Eisen verrosten und Hunde tollwütig werden zu lassen. Kein Wunder, dass man Frauen möglichst von allen rituellen Gegenständen fernhalten und am liebsten ganz aus dem Altarraum verbannt sehen wollte. Finster scheinen diese fernen Zeiten im hellen Licht unserer aufgeklärten Welt, umso unerträglicher ist die Tatsache, dass sich diese abschätzige Einstellung auch in der modernen Amtskirche nicht allzu sehr verbessert hat. Was nützt es, dass im Zweiten Vatikanischen Konzil,1962 einberufen von Johannes XXIII., dem reformwilligsten Papst des 20. Jahrhunderts, Frauen zum ersten Mal zaghaft zugestanden wurde, dass auch sie nach Gottes Ebenbild geschaffen seien und deshalb die "grundlegende Gleichheit aller Menschen immer mehr zur Anerkennung gebracht werden muss"? Dass jede Form der Diskriminierung dem Plan Gottes widerspräche und deshalb beseitigt werden müsse?

In der Praxis bedeutet es nur, dass auch Mädchen endlich Ministrantinnen sein dürfen und Frauen gern gesehen sind, wenn es darum geht, die zahlreichen aufopferungsvollen Jobs im Dienst der Kirche zu übernehmen. Weil sich immer weniger junge Männer zur Geistlichkeit berufen sehen, sind es die Frauen - Laien und Ordensschwestern -, die die Gemeindearbeit am Laufen halten (allein in Deutschland stehen 23 000 Nonnen 5000 Mönchen gegenüber).

Die Frauen tragen also das System - und dennoch werden ihnen nicht nur die katholischen Lehrstühle weitgehend vorenthalten, ihnen bleibt vor allem der Zugang zu höheren Ämtern versperrt und damit auch der Weg zur Macht: Denn nur als Diakoninnen, als Priesterinnen oder Bischöfinnen könnten sie an der Misere der katholischen Kirche etwas ändern.

Frauen tragen das System, höhere Ämter bleiben ihnen verwehrt.

Im Juni 2002 hatten sieben Frauen aus Deutschland, Österreich und den USA es endgültig satt, ewige Bittstellerinnen zu sein. Sie hatten bei zahlreichen Initiativen mitgemacht, Briefe und Eingaben nach Rom geschickt, hatten um Gehör gebeten für ihr Anliegen, Frauen die katholische Weihe nicht länger zu verweigern, da es unbestritten auch bei den Urchristen Priesterinnen gegeben hatte. Doch die römische Kurie tat, was sie häufig tut, wenn sie mit Kritik konfrontiert wird: Sie schwieg eisern. Papst Johannes Paul II. hatte 1994 schließlich unmissverständlich klargemacht, dass geweihte Frauen mit der katholischen Lehre unvereinbar seien - bis in alle Ewigkeit, Amen.

Am Peter-und-Paul-Tag bestiegen die sieben Frauen den Dampfer "MS Passau" auf der Donau. In ihren langen weißen Gewändern legten sie sich ausgestreckt auf die Schiffsplanken; die Arme abgewinkelt wie ein menschliches Kreuz, das Gesicht zur Erde gewandt, wie es katholische Sitte ist. Ein argentinischer Bischof schlug das Kreuzzeichen über ihnen und weihte die sieben zu Priesterinnen. Eine solche Provokation konnte der Vatikan nicht ignorieren, die Reaktion ließ nicht lange auf sich warten: Schon elf Tage später bekamen alle Beteiligten einen Brief mit der Aufforderung, Reue über die Aktion zu zeigen und die Gläubigen "für das verursachte Ärgernis um Verzeihung zu bitten". Als das Ultimatum ohne Widerruf der Frauen verstrichen war, ereilte sie die umgehende Exkommunikation, unterzeichnet vom damaligen Präfekten der Glaubenskongregation Joseph Kardinal Ratzinger.

Die Scheiterhaufen mögen nicht mehr brennen, doch die Kirche hat nichts von ihrer Unbarmherzigkeit verloren.

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Jerusalem, 33 n. Chr. Die Frauen aus Jesus' Gefolge haben bis zuletzt am Kreuz ausgeharrt. Im Gegensatz zu den Jüngern, die aus Angst vor Verfolgung geflohen sind. Nun ist Maria Magdalena mit den anderen Frauen zum Grab aufgebrochen, um Jesus' Leichnam zu salben. Doch der schwere Stein, der den Eingang verschließt, ist beiseite gerollt worden, das Grab ist leer. Jesus ist auferstanden und Maria Magdalena die Erste, der der Heiland nach der Kreuzigung erscheint. Sie ist diejenige, die den verschreckten Aposteln die frohe Botschaft verkündigt. Alle vier Evangelisten überliefern das. Fortan wird Maria Magdalena als "Apostelgleiche" verehrt, trägt auch den Ehrennamen "apostola apostolorum" - "Apostelin der Apostel".

Obwohl es dafür keine Anhaltspunkte gibt, verkündet Papst Gregor I. 591, dass Maria Magdalena identisch sei mit der namenlosen Sünderin in der Bibel, die Jesus im Haus des Simon die Füße gewaschen habe. Die Legende setzt sich in der Glaubensgemeinde schnell durch. Bis heute betrachtet die katholische Kirche Maria Magdalena als geläuterte Hure.

Text: Andrea Benda Fotos: PR (2), imago, Wikipedia (2), privat (2) Ein Artikel aus der BRIGITTE 23/09

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