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"Was hattest du an?" Demütigende Fragen von Beamten verhindern Anzeigen von sexueller Gewalt

Noch immer werden Vergewaltigungen nur selten angezeigt
Noch immer werden Vergewaltigungen nur selten angezeigt
© Marcos Mesa Sam Wordley / Shutterstock
Die Hürde, eine Sexualstraftat bei der Polizei anzuzeigen, ist noch immer immens hoch – und das weltweit. Immer wieder müssen Frauen sich den demütigenden Fragen von Beamten aussetzen. In Frankreich soll Opfern sexueller Gewalt jetzt der Gang zur Polizei erspart werden.

Frankreichs Polizeistationen stehen seit Langem in der Kritik. Der Vorwurf: Frauen, die Sexualstraftaten anzeigen wollen, würden mit demütigenden Fragen gelöchert. So erging es auch einer Frauenrechtlerin, die im südfranzösischen Montpellier eine Straftat anzeigen wollte.

#doublepeine: Frauen berichten über ihre Erlebnisse beim Erstatten einer Anzeige wegen sexueller Gewalt

Sie startete den Aufruf #doublepeine (zu deutsch: doppelte Strafe), woraufhin Hunderte Frauen über demütigende Fragen und anzügliche Bemerkungen beim Erstatten einer Anzeige von Sexualstraftaten berichteten.

Eine Frau schrieb: "Ich höre sie wieder sagen: 'Schon wieder ein betrunkenes Mädchen, wir sollten aufhören, deren Beschwerden aufzunehmen'." Während diese Frau ihre Anzeige aufgeben möchte, sitzt sie in einem Raum mit offenen Türen – keine Privatsphäre, keine Ruhe, das Präsidium kann alles mithören.

Polizisten fragen Vergewaltigungsopfer, "ob sie es genossen haben"

Eine andere Frau schrieb: "In Frankreich fragen Polizisten Vergewaltigungsopfer, ob sie es genossen haben." Andere Frauen wurden gefragt, wie sie gekleidet gewesen waren, ob sie wirklich Schmerzen gehabt oder warum sie nicht geschrien hätten.

Frankreichs Innenminister Gerald Darmanin sagte jetzt, dass es Pläne gebe, wonach Betroffene sexueller oder häuslicher Gewalt für eine Anzeige nicht mehr in die Polizeiwache kommen müssen. Ab Jahresende sollen Beamte versuchsweise in einigen Pariser Departments für die Aufnahme einer Anzeige in das private Umfeld des Opfers kommen. Das sichert zwar die Privatsphäre, ändert aber erst einmal nichts an potenziell unwürdigen Fragen von Polizist:innen.

Fast jede dritte Frau in Deutschland ist einmal in ihrem Leben von sexualisierter Gewalt betroffen

Noch immer werden die meisten Straftaten sexueller Gewalt von Frauen nicht angezeigt – und das weltweit. In Bezug auf Deutschland zeigen Studien, dass lediglich fünf bis 15 Prozent der Vergewaltigungen angezeigt werden. Und nur ein Bruchteil der angezeigten Täter landet tatsächlich auf der Anklagebank – verurteilt werden noch weniger. Deutschland liegt mit der Verurteilungsquote seit Jahren unter dem EU-Durchschnitt.

Laut dem Familienministerium liegt die Dunkelziffer der Frauen, die in ihrem Leben mindestens einmal sexuelle Gewalt erleiden, bei knapp 12 Millionen Frauen – das bedeutet, jede dritte Frau in Deutschland ist davon betroffen.

Frauen zeigen Vergewaltigungen aus Scham und Angst häufig nicht an

Doch warum zeigen Frauen die Taten nicht an? Häufig aus Scham und Angst. Das Problem: Noch immer wird nach einer Vergewaltigung häufig den Frauen die Schuld oder zumindest eine Mitschuld an der Tat auferlegt. Eines der hartnäckigsten Vorurteile ist, dass Frauen sich eine Vergewaltigung nur ausdenken, um den Männern zu schaden. Nach Angaben der Polizei gäbe es zwar Falschanzeigen, doch diese seien minimal.

Hinzu kommt: Frauen seien selbst schuld, weil sie zu kurze Röcke tragen würden, aufreizend tanzten oder den späteren Täter küssten. Das ist falsch! Ein tiefer Ausschnitt oder ein kurzer Rock rechtfertigen noch lange keine Vergewaltigung.

#doublepeine hat in Frankreich für viel Aufsehen gesorgt. Die Aktivistin und Künstlerin Bianca Groebner hat auf Instagram jetzt die Seite "was.hatte.ich.an" ins Leben gerufen. Unter dem Hashtag #washatteichan können Betroffene ihre Erlebnisse teilen.

Verwendete Quellen: spiegel.de, instagram.com, frauenberatung-hsk.de, bmfsfj.de

slr Brigitte

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