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Unternehmerin Tan Le: Gehirnströme to go

Auf einem kleinen Boot floh Tan Le als Kind von Vietnam nach Australien. Heute ist sie eine erfolgreiche IT-Unternehmerin. Ihr Ziel: Hirnforschung für Jedermann.
Tan Le, 36, baute 2003 die Firma Emotiv in San Francisco auf, die Hardware für Gehirn-Computer-Schnittstellen herstellt. Seit 2011 gehört dazu auch Emotiv Lifesciences, wo Daten aus Gehirnstrommessungen gesammelt und ausgewertet werden.
Tan Le, 36, baute 2003 die Firma Emotiv in San Francisco auf, die Hardware für Gehirn-Computer-Schnittstellen herstellt. Seit 2011 gehört dazu auch Emotiv Lifesciences, wo Daten aus Gehirnstrommessungen gesammelt und ausgewertet werden.
© Simon/Getty Images

Das Gehirn ist immer noch ein Mysterium: Warum, beispielsweise, lernt es manchmal so mühelos, und dann wieder fällt es so schwer? Wenn es nach der Australierin Tan Le geht, sollen in Zukunft ganz normale Leute nach einer Antwort suchen, indem sie in Alltagssituationen ihre Gehirnströme messen. Mit einem Gerät, das keine 300 US-Dollar kostet. Und eigentlich mal primär für Computerspiele entwickelt wurde.

Die Methode zur Messung elektrischer Gehirnströme heißt EEG. Der Kopf wird dafür üblicherweise in der Klinik mit Elektroden verkabelt, man kann so Konzentration oder Stress erkennen und Krankheiten diagnostizieren. Inzwischen gelingt es sogar bereits, per Gedanken einen Computer einfache Befehle ausführen zu lassen.

EEG war immer eine teure, recht aufwändige Sache. Daher war es eine mittlere Sensation, als Tan Les in San Francisco ansässige IT-Firma vor einigen Jahren ein im Vergleich dazu spottbilliges, tragbares, unkompliziertes Headset auf den Markt brachte, das all diese Dinge auch konnte und so quasi Gehirnstrommessung für jedermann ermöglichte. Computerspieler heben damit virtuelle Steine am Bildschirm hoch oder lassen ihren Avatar lächeln; Technikfreaks nutzen es zur Selbstbeobachtung, und Wissenschaftler erproben, inwieweit man damit Autos, Rollstühle oder Prothesen steuern kann, um Schwerstgelähmten zu helfen.

Tan Le hat aber noch mehr vor. In einer Datenbank, die sie gerade aufbaut, sollen sämtliche Messergebnisse der Nutzer weltweit zusammenfließen. Das will sie durch "Crowdsourcing" ermöglichen, das heißt, sehr viele Menschen können dank günstiger Technologie ihre eigenen Hirnströme messen und so kleine Beiträge zu einem riesigen Forschungsprojekt liefern. Die Idee dahinter: "Ein Gehirn wird sonst immer nur untersucht, wenn es Probleme gibt. Über das gesunde Hirn in Alltagssituationen weiß man noch viel zu wenig", sagt Tan Le. Sie hofft, dass nun die schiere Masse an Messungen das ändern wird. Dass man daraus irgendwann Muster erkennen kann, was das gesunde Hirn vom depressiven unterscheidet, wie man frühe Formen von Autismus oder Epilepsie erkennen kann oder was wirklich das Lernvermögen fördert. Im Prinzip will sie die Hirnforschung revolutionieren.

Tan Le war schon immer eine Visionärin: Bereits mit 16 Jahren studierte sie Jura und engagierte sich leidenschaftlich für die Belange von Einwanderern. Dafür wurde sie als "Junge Australierin des Jahres" geehrt. Nach ihrem Abschluss gründete die Jung-Juristin ihr erstes Technik-Start-up, das sie nach zwei Jahren verkaufte, um in den USA ihre neue Firma zu gründen. Ein Wagnis?

Die 36-Jährige sagt, ihre früheste Erinnerung sei die Flucht mit ihrer Mutter auf einem völlig überladenen Boot aus dem kommunistischen Vietnam, damals war das Mädchen vier Jahre alt. "Nichts von dem, was ich heute mache, ist etwas im Vergleich zu den lebensbedrohlichen Risiken, die meine Mutter damals eingegangen ist."

Text: Sonja Niemann Foto: Simon/Getty Images BRIGITTE 20/13

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