Anzeige

Wie Mahmoud aus Syrien seinen ersten Job bekam

Wie Mahmoud aus Syrien seinen ersten Job bekam
© Nicole Wehr
Die deutsche Bürokratie macht es Flüchtlingen nicht leicht, sich in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Mahmoud Aldaas hat es trotzdem geschafft. Ein Bürobesuch.

Manchmal braucht man einfach einen Menschen, der an einen glaubt, und plötzlich bewegt sich etwas. Plötzlich weicht die Angst vor der Abschiebung, der Frust über das Nichts-Tun-Dürfen vorsichtiger Freude über einen Praktikumsplatz, der zu einem echten Job, einer festen Anstellung führen könnte - allen Paragrafen, Formularen und Sonderbestimmungen zum Trotz, von denen die deutsche Bürokratie so viele zu bieten hat.

Für Mahmoud Aldaas begannen sich die Dinge nach vorn zu bewegen, als er aus dem Erstaufnahmelager im Hamburger Stadtteil Wilhelmsburg nach Billstedt zog. Im Herbst 2014 war der 29-Jährige aus seiner syrischen Heimat nach Deutschland geflohen. In Billstedt teilt er sich mit fünf anderen Syrern eine Wohnung.

Dort traf er auf Jan Ladendorf, einen Hafenlogistiker, der sich in seiner Freizeit ehrenamtlich um die Flüchtlinge in seiner Nachbarschaft kümmert. Er half Mahmoud, die Schriftstücke der Ausländerbehörde zu verstehen - und besorgte ihm einen Anwalt, als er nach Ungarn abgeschoben werden sollte, wo er seine Fingerabdrücke hatte abgeben müssen.

Ein Anruf, ein Treffen, eine neue Chance

Jan Ladendorf war es auch, der Mahmoud Aldaas mit Joachim Stürken bekannt machte, dem Geschäftsführer einer Hamburger Werbeagentur. Er sah in Mahmoud, der in Syrien bereits mehrere Jahre als Webdesigner und Programmierer gearbeitet hatte, ein Talent, das er gerne fördern wollte. Weil er ihn in seiner eigenen Firma zu der Zeit nicht integrieren konnte, rief er eine Bekannte an: Ina Wagner, Personalchefin der Kommunikationsagentur "deepblue networks".

"Mit seinem Jobprofil passt Mahmoud super in die Werbung, deswegen wollten wir ihn gern kennenlernen", erzählt sie. Gesagt, getan. "Wir fanden ihn menschlich sofort sympathisch. Er ist ein sehr zurückhaltender junger Mann, aber ganz freundlich und aufgeschlossen." Zwei Wochen später konnte Mahmoud sein dreimonatiges Orientierungspraktikum beginnen.

Dass das so schnell ging, hat er nicht zuletzt Jan Ladendorf zu verdanken, der beim Aufsetzen des Arbeitsvertrags half und mit Mahmoud einen ganzen Vormittag in der Ausländerbehörde verbrachte, um sein Antragsformular abzugeben. Selbst für ein unbezahltes Praktikum brauchen Asylbewerber die Zustimmung der Behörde. Bürokratische Hürden, die ohne private Unterstützung kaum zu meistern sind.

Inzwischen hat Mahmoud einen vollen Terminplan: Vormittags paukt er bei dem Bildungsverein "verikom" Deutsch, nachmittags entwickelt er bei "deepblue networks" Web-Applikationen. Der Einstieg sei ihm nicht schwer gefallen, sagt er. "Der Arbeitsmarkt und die Kultur sind in Deutschland anders, die Mentalität aber nicht. Die Web-Industrie ist sehr offen, alle sind sehr hilfsbereit." Und wenn er mit Deutsch einmal nicht weiter wisse, könne er mit seinem Kollegen Jona, der ihn eingearbeitet hat und ihm als Ansprechpartner zur Seite steht, immer auch auf Englisch fachsimpeln.

Obwohl er schon in Syrien in verschiedenen großen Firmen gearbeitet habe, sei seine Lernkurve riesig, sagt Mahmoud. "Ich habe viele neue Techniken und Tools kennengelernt. Außerdem sind die Abläufe besser organisiert, das gefällt mir."

Vom Praktikum zur ersten Stelle

Ina Wagner ist jedenfalls mit seiner Arbeit sehr zufrieden: "Mahmoud macht hier einen wirklich guten Job, das ist kein Sozialprojekt. Er hat sich sehr schnell integriert, ist gewissenhaft und ordentlich." Deswegen möchte sie ihn auch im Team behalten. "Wir haben ihm eine feste Stelle im Bereich Web-Entwicklung angeboten", erzählt sie. Jetzt muss Mahmoud nur noch seinen Antrag auf Arbeitsgenehmigung auf den Weg bringen.

Er habe großes Glück gehabt, glaubt Mahmoud. "Ich war monatelang zum Nichtstun verdammt, dabei hätte ich mich doch schon viel früher nützlich machen können." Diese Erfahrung sei sehr frustrierend gewesen. Das gefühlt ewige Warten führe auch dazu, dass viele Flüchtlinge die Hoffnung aufgeben. "Aber man muss es einfach immer wieder versuchen," so Mahmoud. "Du musst ja nicht sofort den Traumjob finden. Den haben doch sowieso die wenigsten. Hauptsache, du fängst mit irgendetwas an. Und lernst die Sprache - das ist das Wichtigste."

Mehr zum Thema

VG-Wort Pixel