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Mit Pyrotechnik gegen böse Geister Feuerwerk zu Silvester: Tradition oder sinnlose Böllerei?

Ein Feuerwerk in einer Straße
© GHart / Adobe Stock
Der funkelnde Weihnachtsbaum erinnert nur noch vage an die besinnlich ruhigen Feiertage. Denn jetzt bilden sich Schlangen vor Discountern und Baumärkten: Alle wollen Böller, Raketen und Co. Was im vergangenen Jahr verboten war, flammt 2022 vermutlich umso pompöser wieder auf. Ist Feuerwerk an Silvester eine unbrechbare Tradition oder einfach nur sinnlose Böllerei?

Ab dem 29. Dezember 2022 darf in Deutschland für drei Tage Feuerwerk verkauft werden. Tatsächlich erstmals wieder seit drei Jahren. Während der Corona-Pandemie herrschte ein Verkaufsverbot. Das Hauptargument: Durch Corona war das Gesundheitssystem bereits maßlos überlastet, dazu sollten nicht noch zahlreiche Verletzungen durch Böller kommen, die in der Hand explodieren oder aus Versehen beim Nachbarn vor den Füßen gelandet sind.

Woher kommt der Brauch, Feuerwerk zu Silvester abzubrennen?

Aber woher kommt der Brauch überhaupt, bunte Pyrotechnik in die Luft zu ballern? Diese Art, das alte Jahr zu verabschieden und das neue mit Freuden zu begrüßen, geht in Europa bereits auf germanische Bräuche zurück. Die Tradition sollte mit Lärm und Lichtern böse Geister vertreiben. Anstelle von Sprengkörpern nutzten sie zunächst Töpfe, Rasseln, Trommeln und Trompeten. Auch die Kirchenglocken machten gegen die bösen Geister mobil. Später fielen auch vereinzelt Schüsse.

Die Tradition, Feuerwerk zu nutzen, soll aus dem China des frühen 12. Jahrhunderts stammen, so der NDR. 1379 soll es in Italien das erste Feuerwerk in Europa gegeben haben. 1506 dann das Erste in Deutschland. Die Nutzung von Sprengstoff zum Jahreswechsel ist also bereits eine Jahrhunderte alte Tradition. Ist sie deswegen unbrechbar?

Über die Hälfte der Deutschen sehen Feuerwerk mittlerweile kritisch

Zwei Silvester war das Abbrennen von Feuerwerk verboten und tatsächlich wäre es für die Mehrheit in Deutschland kein Problem, auf die lauten Explosionen auch weiterhin zu verzichten. Nicht alle scheinen der "Das war schon immer so"-Tradition nachzueifern. Für 25 Prozent der Befragten der "Statista Global Consumer Survey" ist das Böllern jedoch unabdingbar. Ein Drittel der Befragten sehen das bunte und laute Spektakel kritisch und finden, dass es aufgrund der Umwelt (38 Prozent) und der Tiere (37 Prozent) unverantwortlich ist. Weitere 30 Prozent finden es schlicht zu teuer.

"Der erste Januar ist der Tag mit der höchsten Feinstaubbelastung im gesamten Jahr", sagt Ute Dauert, Expertin für Luftqualität vom Umweltbundesamt (UBA), dem WDR. Es würden jährlich rund 2.050 Tonnen Feinstaub durch das Abbrennen von Feuerwerkskörpern freigesetzt werden. Der größte Teil davon (rund 75 Prozent) in der Silvesternacht. Schaut man sich die Gesamtbelastung an Feinstaub an, betont der Bundesverband für Pyrotechnik, dass der Anteil pro Jahr, den Feuerwerkskörper ausmachen, lediglich bei 0,7 Prozent liege – das Umweltbundesamt spricht von knapp einem Prozent.

Feinstaub und massig Müll verschmutzen die Umwelt

Doch nicht nur der Feinstaub – der am 1. Januar teilweise so schwer wie eine Nebelwand in der Luft hängt – belastet die Umwelt, auch die Verpackungen und Plastikteile an den Sprengstoffen. Raketen haben häufig Plastikkappen, die mit in die Luft gejagt werden und irgendwo in der Umwelt wieder runterkommen und sich zu Mikroplastik zersetzen. Abgebrannte Feuerwerkskörper gehören in den Restmüll, werden aber von vielen einfach achtlos liegengelassen. Nicht abgebrannte Böller oder Blindgänger müssen sogar im Sondermüll entsorgt werden. 2018 fielen am Neujahrstag rund 200 Tonnen Silvesterabfall allein in den fünf größten deutschen Städten an (Berlin, Hamburg, München, Köln und Frankfurt am Main).

Wer selbst ein Tier zu Hause hat, weiß wahrscheinlich, dass die Tage rund um Silvester meist kein Zuckerschlecken sind. Ob Haus-, Nutz- oder Wildtiere für keinen ist das Gedonner und Geblitze ein schönes Erlebnis. Pferde und Kühe, die auf Weiden gehalten werden, könnten in Panik geraten, ebenso wie Wildtiere. Vögel sind teilweise so verschreckt, dass sie fluchtartig die Stadt verlassen und nicht mehr wiederkehren. Nicht nur Menschen können direkte Verletzungen von Böllern davon tragen, auch Tiere. Der Lärm kann zu Gehörschäden führen. Ein achtlos auf die Wiese geworfener Sprengsatz kann einen Igel oder ein anderes Tier schwer verletzten.

Silvester ist für viele Tiere eine starke Herausforderung

In Millionen von deutschen Haushalten leben Tiere. Und jedes Jahr versuchen ihre Besitzer:innen nur eines: sie vor dem Lärm und den Lichtern zu schützen. Da das Geballer verbotenerweise meist schon vor Silvester startet, ist ein Spaziergang mit dem Hund an den Tagen vor und nach dem 31. Dezember immer eine Herausforderung. Nicht wenige sind durch einen lauten Knall so verschreckt weggelaufen, dass sie über mehrere Tage gesucht werden mussten. Medikamente sollten nur in Absprache mit dem:der Tierärzt:in verabreicht werden.

Ist Feuerwerk an Silvester also eine Tradition oder sinnlose Böllerei? An der reinen Tradition – also dem Vertreiben der Geister – halten heutzutage nur noch wenige fest, denn das könnte man auch durch andere laute Dinge tun. Pyrotechnik zu zünden ist für viele ein Hobby – zumindest einmal im Jahr. Ob es der laute Knall oder die bunten Farben sind, ist dabei unerheblich.

Seit dem ersten Feuerwerk 1506 in Deutschland hat sich unsere Gesellschaft sehr gewandelt, vielleicht ist es Zeit, auch an der Feuerwerkstradition ein wenig zu rütteln. Immerhin haben wir Menschen uns dazu entschieden, die vielen Tiere in den Ställen zu halten und Haustiere als Familienmitglieder aufzunehmen, da sollten sie doch am wenigsten unter einer Jahrhunderte alten Tradition leiden müssen.

Und ist der Schritt in Richtung Umweltschutz auch noch so klein, auch knapp ein Prozent weniger Feinstaub im Jahr kann einen Wandel herbeiführen. Viele Geschäfte sind diesen Weg bereits gegangen, denn es gibt einige, die Pyrotechnik aus dem Sortiment genommen haben. Deutlich mehr als die Hälfte der Bevölkerung sehen nicht wirklich einen Sinn beim Abbrennen von Feuerwerk, vielleicht lohnt sich da ein Blick auf andere Traditionen zu Silvester, die zwar ruhig, aber vielleicht genauso schön sein können.

Verwendete Quellen: umweltbundesamt.de, bvpk.org, vku.de, wdr.de, tagesschau.de, statista.com, ndr.de, nabu.de

Brigitte

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