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Autofreier Sonntag Immer wieder sonntags ... blieb das Auto stehen

Autofreier Sonntag 1973: Freie Fahrt ... für Kinder
Autofreier Sonntag 1973: Freie Fahrt ... für Kinder
© RDB/ullstein bild / Getty Images
Als die Scheichs 1973 den Ölhahn zudrehten, erließ die Bundesregierung ein Sonntagsfahrverbot. Nicht nur angesichts der Abhängigkeit von russischer Energie auch heute wieder eine gute Idee.

Ich war sechs, als das Sonntagsfahrverbot Ende 1973 die Straßen freifegte und ich mit meiner Freundin auf Rollschuhen in den Stuttgarter Talkessel heizte – eine meiner spektakulärsten Kindheitserinnerungen. Es war so befreiend, sich in der Stadt bewegen zu können, ohne ständig an Fußgängerampeln zu warten und aufzupassen, nicht angefahren zu werden – was mir als Kind übrigens trotzdem zweimal passiert ist.

Energie als politische Waffe

Was mich damals wenig interessierte, war der Grund für die Maßnahme: Die Deutschen sollten Sprit sparen, weil die Scheichs ihre Öllieferungen gedrosselt und den Preis für das "schwarze Gold" drastisch erhöht hatten. Damit wollten sie die westlichen Industrienationen zwingen, ihre israelfreundliche Politik im Jom-Kippur-Krieg zu revidieren. (Zur Erinnerung: Ägypten und Syrien hatten Israel angriffen, um den Sinai und die Golanhöhen zurückzuerobern).

Das Benzin wurde rationiert und mit dem hastig beschlossenen "Energiesicherungsgesetz" vom 9. November 1973 erließ die Bundesregierung Fahrverbote und ein Tempolimit: 80 Stundenkilometer auf der Landstraße, 100 auf der Autobahn. Vier Sonntage in Folge waren autofrei, ab Weihnachten floss das Öl wieder so üppig wie gewohnt.

Auch jetzt ist wieder Krieg

Auch jetzt ist wieder Krieg, und unsere enorme Energieabhängigkeit von Russland fliegt uns um die Ohren, zumindest moralisch betrachtet. Zwar hat der Kreml den Gas- und Ölhahn (noch) nicht zugedreht, doch nach dem brutalen Überfall auf die Ukraine würden wir das selbst sehr gern tun. "Jede Tankfüllung, jede Heizöllieferung spült Geld in Putins Kriegskasse", beklagt nicht nur Greenpeace-Verkehrsexperte Benjamin Stephan. 

Daher wird neben dem Tempolimit auch wieder ein Revival des autofreien Sonntags diskutiert, um unseren Öldurst zu reduzieren. Aber könnte ein Sonntagsfahrverbot Russland wirklich zum Waffenstillstand zwingen oder die große Energiekrise abwenden? Leider nicht. Aber es könnte ein Puzzleteil von vielen sein – auch im Versuch, der anderen großen Katastrophe, dem Klimawandel, entgegenzuwirken. Ganz nebenbei könnten wir uns die Straßen zurückerobern, den Zauber autofreier Lebensräume genießen und uns daran gewöhnen, das Auto öfter stehen zu lassen. Immer wieder sonntags ... bleibt die Karre stehen. Schön wär's!

Brigitte

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