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Europawahl 2024 Deswegen ist es jetzt besonders wichtig, feministisch zu wählen

Europawahl 2024
© nicoletaionescu / Adobe Stock
Am 9. Juni 2024 findet die Europawahl statt. Warum du unbedingt wählen gehen solltest und wie du möglichst feministisch wählst, erklären wir dir hier.

Der erschreckende Vorfall auf Sylt, bei dem eine Gruppe privilegierter Jugendlicher in einer schicken Bar rassistische Parolen grölte, verbreitete sich wie ein Lauffeuer in den sozialen Medien. Ausländer raus? Viele Nutzer:innen zeigten sich schockiert über die rassistische Forderung der Gruppe. Dabei zeigt der Clip einfach nur sehr deutlich, was längst klar sein sollte: Deutschland hat ein Problem. Mit rechter Hetze. Mit Rassismus. Mit Frauen- und Menschenfeindlichkeit. Und dieses Problem zieht sich durch alle Gesellschaftsschichten – egal ob Springerstiefel-Schützenfestlerin oder Polohemden-tragender Sylt-Urlauber. 

Sylt zeigt, wo wir stehen

So gesehen kann man Sylt fast dankbar sein. Denn der Vorfall verdeutlicht, wo wir so kurz vor der Europawahl stehen – und rüttelt hoffentlich den:die eine:n oder andere:n unentschlossene:n Wähler:in wach. Denn es ist nicht nur gesellschaftsfähig geworden, "Ausländer raus" zu singen und das Ganze offen im Internet zu teilen (was vor einigen Jahren weniger denkbar gewesen wäre). Nein, rechte Kräfte sind in Deutschland, beziehungsweise in ganz Europa, auf dem Vormarsch und verbreiten populistische, rassistische, antifeministische und antidemokratische Ansichten. Wenn diese Parteien an Einfluss gewinnen, kann es passieren, dass mühsam errungener Fortschritt zunichtegemacht wird.

Gleichberechtigung ist eines der obersten Gebote der EU und sollte nicht verhandelbar sein. Parteien, wie die AfD, stellen diesen unverzichtbaren Bestandteil der Demokratie jedoch immer wieder infrage. Sie wollen eine Gesellschaftsordnung etablieren, die den weißen cis Mann privilegiert und alle anderen unterordnet, dazu gehörten Menschen mit Migrationsgeschichte, queere Menschen, behinderte Menschen und Frauen. Laut dem Deutschen Frauenrat benötigen diese benachteiligten Personengruppen aber besondere Förderung und Schutz ihrer Rechte durch Europa. Der DF fordert daher unter anderem, dass "Rechtspopulismus, Rechtsextremismus, gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit und Geschlechterfragen zusammen gedacht werden und entsprechende Schutzmaßnahmen innerhalb des politischen Rahmens etabliert werden".

Deswegen ist deine Stimme wichtig

Das Frauenbild von sehr rechten Parteien wie der AfD ist ganz klar rückwärtsgewandt – ungefähr in den 50-Jahren angesiedelt. Mitglieder dieser Parteien stellen sich aktiv gegen frauenpolitischen Fortschritt, sodass man meinen könnte, sie wollen die Uhr zurückdrehen, Frauen und marginalisierte Gruppen jeglicher Rechte berauben – und sie zurück hinter den Herd verfrachten. Für Maximilian Krah, AfD-Spitzenkandidat für die Europawahl, ist das wohl tatsächlich die Idealvorstellung. In seiner Rede zum politischen Aschermittwoch in Osterhofen entblödete er sich Aussagen wie "Als echte Männer wollen wir echte Frauen" und "Feministinnen sind alle hässlich und grässlich". Dabei ist intersektionaler Feminismus, also ein Feminismus der alle (auch mehrfach) diskriminierte Personen mitdenkt – dazu gehören unter anderem Schwarze Frauen, trans*-Frauen, nicht-binäre Menschen und viele mehr – für eine Gleichstellung unabdingbar. 

Die AfD jedoch möchte das verhindern. Sie sieht die patriarchale Ordnung als natürlich gegeben, der Mann arbeitet, Frauen sollen sich um Haushalt und Kinder kümmern. Selbstbestimmung hat hier keinen Platz, LGBTQ+-Rechte auch nicht. Stattdessen soll die "traditionelle Familie" gefördert werden – sprich Vater, Mutter und Kinder. Deswegen setzt die Partei statt auf Einwanderung auch auf "eine höhere Geburtenrate der einheimischen Bevölkerung". Forderungen wie diese können dem Grundsatzprogramm entnommen werden. Zum "Frau-sein" gehört Mutterschaft, beziehungsweise eigentlich hauptsächlich Mutterschaft. Es ist kaum verwunderlich, dass ungewollt Schwangeren Schwangerschaftsabbruch verwehrt werden soll und Alleinerziehende – zu 90 Prozent Frauen – nur unter bestimmten Umständen staatliche Unterstützung erhalten sollen. Und hierbei handelt es sich lediglich um Auszüge aus dem Wahlprogramm.

Feministisch wählen – so geht's

In Deutschland werden 96 der 720 Abgeordneten des Europaparlaments gewählt, für die du deine Stimme abgeben darfst. Auch wenn die Europawahl oft als unwichtiger eingestuft wird, werden auf EU-Ebene viele Entscheidungen gefällt, die direkten Einfluss darauf haben, was hier bei uns passiert. Es ist wichtig, zu wählen, denn unsere harterkämpften Rechte sind keineswegs gegeben, sondern müssen immer wieder verteidigt werden. Daher hat der Deutsche Frauenrat (DF) die Wahlprogramme der verschiedenen Parteien auf Frauenrechte untersucht – die AfD ausgeschlossen, sie wurde als unwählbar eingestuft. 

1. Gleichstellung bis 2030

Forderung DF: Einsatz für Demokratie, Geschlechtergerechtigkeit, Vielfalt und Rechtsstaatlichkeit und gegen Diskriminierung. Die Rechte von Frauen und Mädchen müssen zum Leitprinzip der Europapolitik gemacht werden. Geschlechterstereotype, gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit, Sexismus und Diskriminierung sollten keinen Platz mehr haben.

Frauenrechte

  • Konkrete Vorschläge gegen Diskriminierung und Ausgrenzung und für ein vielfältiges Europa: SPD, B'90/Die Grünen, FDP und Die Linke
  • "Frauenrechte, die Rechte von Menschen of Color wie auch die Rechte von Menschen mit Behinderungen und LGBTIQ+-Personen sind Menschenrechte": SPD
  • Förderung von Frauenrechtsorganisationen (aus Ländern des Globalen Südens): B'90/Die Grünen
  • Anti-Sexismus-Regelungen im öffentlichen und privaten Sektor und länderübergreifende Monitoring-Projekte vor, die die Vernetzung der extremen Rechten im Blick behalten sollen: Die Linke
  • Enge Zusammenarbeit der EU im Kampf gegen Menschenrechtsverletzungen, Unterdrückung und gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit mit den Menschenrechtsinstitutionen des Europarates, der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) und den Vereinten Nationen: FDP

Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik

  • Konsequente Umsetzung der Entgelttransparenzrichtlinie und die (monetäre) Aufwertung von frauendominierten Sorgeberufen: SPD, B'90/Die Grünen und Die Linke
  • Bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf: alle außer BSW (Bündnis Sahra Wagenknecht), aber unterschiedliche Vorschläge

Klima 

  • "Klimaneutral" muss immer auch "sozial- und geschlechtergerecht" heißen: B'90/Die Grünen
  • Gender Impact Assessments im Klimabereich: SPD und Die Linke
  • Feministischer Green Deal: SPD

Handel 

  • Umverteilung von Sorgearbeit und Aufwertung von Sorgeberufen: B'90/Die Grünen, Die Linke und SPD
  • Starkes, menschenrechtsbasiertes Gesetz, Absicherung von Menschenrechten in einem Abkommen, Minimierung von globaler Ungleichheit: SPD, B'90/Die Grünen, Die Linke

2. Gender Impact Assessment einführen

Gender Mainstreaming – also die Verpflichtung, bei allen Entscheidungen von vornherein Gleichstellungsaspekte zu berücksichtigen – ist bereits in der EU verankert. Dazu gehören Aspekte, wie geschlechtergerechte Sprache, geschlechterbezogene Datenerhebung und Datenanalyse und vieles mehr.

Forderung DF: Es muss ein konsequentes Gender Impact Assessment in allen Politikbereichen her, das die geschlechtsspezifischen Auswirkungen jeder Maßnahme überprüft. Die Gleichstellung von Männern und Frauen sollte immer von Anfang an mitgedacht werden, beispielsweise für eine gerechte Verteilung von EU-Haushaltsmitteln.

  • Forderung nach Gender Budgeting: SPD und B'90/ Die Grünen
  • Einführung von Gleichstellungschecks: B'90/ Die Grünen
  • Größerer Haushalt und mehr Mitteln im Bereich der Geschlechtergerechtigkeit: Die Linke

3. Gewalt gegen Frauen und Mädchen beenden

Forderung DF: Gewalt gegen Frauen und Mädchen ist die am weitesten verbreitete Menschenrechtsverletzung. Daher muss die Istanbul-Konvention, die das das Ziel, hat Frauen und Mädchen vor Gewalt und Diskriminierung zu schützen, in ganz Europa umgesetzt werden.

Allen Parteien bis auf BSW ist das ein Anliegen, das im Wahlprogramm jeweils unterschiedlich verankert ist. 

  • Ganzheitlicher Ansatz zur Gewaltbekämpfung, unter anderem Gewaltprävention und Bekämpfung von Cybergewalt: SPD
  • Gewaltschutz mit intersektionaler Perspektive: B'90/Die Grünen und Die Linke
  • Forderung einer Richtlinie zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt: SPD und B'90/Die Grünen

4. Sexuelle und reproduktive Gesundheit und Rechte schützen und stärken

Forderung DF: Sexuelle und reproduktive Rechte sind Menschenrechte. Deswegen fordert der DF einen diskriminierungsfreien Zugang zu Gesundheitsleistungen und setzt sich für eine selbstbestimmte Familienplanung, Sexualaufklärung, einen uneingeschränkten Zugang zu Verhütungsmitteln und Prävention geschlechtsspezifischer Gewalt, wie beispielsweise Genitalverstümmelung bei Mädchen und Frauen ein.

CDU/CSU und BSW sparen dieses Themenfeld in Gänze aus.

  • Zugang zu sicherem Schwangerschaftsabbruch: SPD, B'90/Die Grünen, FDP und Die Linke
  • Uneingeschränkter Zugang zu Verhütungsmitteln: SPD, B'90/Die Grünen und Die Linke
  • Legalisierung von Eizellenspende und Leihmutterschaft, Endometriose-Aktionsplan: FDP
  • Schutz der Rechte und Gesundheitsversorgung von queeren Menschen: Die Linke und B'90/Die Grünen

5. Rechte von Geflüchteten Frauen und Mädchen wirksam durchsetzen

Forderung DF: Vor allem Frauen, Mädchen und queere Menschen sind bei einer europäischen Asylpolitik als vulnerable Gruppe einzustufen und brauchen besonderen Schutz.

  • Forderung der Migrationseindämmung: (unterschiedliche Vorschläge): FDP, CDU/CSU und BSW
  • Solidarische Fluchtpolitik, keine Auslagerung von Asylverfahren in Drittstaaten, Schaffung von legalen und sicheren Fluchtwegen: SPD, B'90/Die Grünen und Die Linke
  • Faire Arbeitsbedingungen und Schutz vor Ausbeutung: B'90/Die Grünen, Die Linke
  • Bedarfs- und bedürfnisgerechte Unterbringung und Schutzräume für geflüchtete Frauen und ihre Kinder sowie für trans* und queere Menschen: Die Linke

6. Feministische Außen- und Entwicklungspolitik

Forderung des DF: Geschlechtergerechtigkeit muss konsequent als Leitbild des europäischen außenpolitischen Handeln mitgedacht werden. Zur Zeit werden beispielsweise der feministischen Entwicklungshilfe immer weiter Mittel gekürzt. So etwas sollte nicht passieren.

Nur SPD und B‘90/Die Grünen haben die Forderung, die mit dem DF größtenteils übereinstimmt, im Wahlprogramm.

Die ausführlichen Forderungen des Deutschen Frauenrats kannst du hier nachlesen. Fall du noch nicht gewählt hast, kannst du das entweder am 9. Juni 2024 in einem Wahllokal machen oder ganz einfach Briefwahl beantragen. Wenn du dir noch unsicher bist, wie du deine Stimmen vergeben möchtest, hilft dir vielleicht der Wahl-O-Mat

Verwendete Quellen: frauen.verdi.de, blog.compact.de, taz.de, amnesty.at, spiegel.de, frauenrat.de 

Brigitte

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