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Esther Dyson: Die Frau, die ihre Zukunft kennt

Die Amerikanerin Esther Dyson ist eine mutige Frau.Was sie tut, ist gewagt und ein bisschen verrückt: Für ein Forschungsprojekt hat sie ihre Erbanlagen analysieren und ins Internet stellen lassen. Sie will herausfinden, was passiert, wenn jeder sehen kann, ob man mal Alzheimer bekommt oder Diabetes - Familie, Freunde, die Krankenversicherung. Eine Begegnung mit einer gläsernen Frau.

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Man schickt ihr eine Mail, fragt, wann sie Zeit hat, wann man sie ein paar Tage begleiten kann, und Esther Dyson schickt re: ihren Jahresplaner mit ihren Terminen, Konferenzen, München, Moskau, Washington, Neu-Delhi. Such dir was aus. Man wählt, überrascht darüber, wie offenherzig sie Einblick in ihre privaten Pläne gewährt, München; sie schreibt: Gut, nächsten Sonntag, mittags. Und auf die Frage, ob nicht vielleicht auch Montag geht, schreibt sie: Folgende Situation: Ich bin in Indien, und ich gehe jetzt ins Bett. Wir sehen uns Sonntag.

Sonntag, München, eine internationale Konferenz zur digitalen Zukunft. Leute von Apple und Google sind da, der Vizepräsident von Facebook, der Wikipedia-Gründer, der gesamte IT-Jetset. Dunkle Anzüge, dunkle Rollis. Und eine rosa Hippiebluse in der ersten Reihe, Esther Dyson, 57, im Schneidersitz auf ihrem Stuhl, die Brille ins fusselige rotblonde Haar geschoben, aufgeklappten Laptop auf dem Schoß, tippend, versonnen; ganz vorn, wo jeder es sehen kann. Ist ihr egal. Sie führt ein öffentliches Leben, mittendrin und doch für sich. Konferenzen sind ihr Wohnzimmer und das Internet ihr Sessel am Fenster.

Und während auf dem Podium über soziale Netzwerke diskutiert wird, liest Esther ihre Mails; soziale Netzwerke hat sie schon vor zwölf Jahren vorhergesagt. Esther Dyson: Investorin und Intellektuelle der IT-Szene und zugleich ihr Maskottchen. Unterwegs, überall, gegenwärtig, dabei meistens einen Schritt voraus. Einmal sagt sie - in ihrer freundlichen Art, die jede Arroganz überdeckt, die auch in solchen Sätzen liegen kann: "Wenn andere anfangen, sich für etwas zu interessieren, langweilt es mich schon", und dass sie sich zumutet, sehr hart nachzudenken.

Also hat sie weitergedacht. Ist ihren Interessen gefolgt und ihrem Spürsinn. Als Kapitalgeberin und Beraterin für Start-ups muss sie Technologie-Trends erkennen - Medizin, Biologie -, aber auch Trends setzen. Dopplr zum Beispiel, ein Internet-Unternehmen, das die Reisepläne seiner Mitglieder ins Netz stellt; die Airlines haben darauf Zugriff und können den Kunden individuelle Angebote machen - man verkauft seine privaten Pläne, bekommt dafür aber bessere und billigere Tickets.

Sie bringt Leute zusammen, sie liebt das: jederzeit in Kontakt mit jedem zu sein, als virtuelles Bindeglied zwischen Geld, Ideen und Fachwissen. Sie ist dabei, wenn jemand eine neue Grenze überschreiten will. So traf sie den Molekularbiologen George Church. "Jemand sagte: Du wirst ihn interessant finden", erzählt sie in einer Konferenzpause, wieder im Schneidersitz, diesmal auf einem der edlen Sessel in der Lounge des "Bayerischen Hof". "Also traf ich ihn, er erwähnte sein Projekt und dass dabei Leute ihr persönliches Genom ins Internet stellen. Ich sagte: Wenn du willst, mache ich das. Vielleicht sind meine Daten eines Tages nützlich."

Church ist Harvard-Professor und Gründer des "Personal Genome Project" (PGP): dem weltweit ersten Gen-Entschlüsselungsprojekt, bei dem die Teilnehmer ihre Erbanlagen und zugleich höchst persönliche Angaben zu Krankheiten, Medikamenten, Lebensstil veröffentlichen; es ist die bislang offenherzigste Präsentation dessen, was einen Menschen ausmacht. Church will ermitteln, inwieweit äußere Umstände die Gene beeinflussen: Man kennt inzwischen rund 6000 Gene, die mitverantwortlich für die Entstehung von Krankheiten sein können, aber man weiß wenig darüber, ob und wie Umwelt und Gewohnheiten ihre Mutationen in Gang bringen. Auch, weil es zu wenig Vergleichsdaten gibt. Deshalb möchte Church eine riesige Gen-Datenbank mit mindestens 100 000 Freiwilligen aufbauen. Esther Dyson und ihre neun Mitstreiter machen den Anfang.

An ihnen soll die Welt lernen, was wirklich passiert, wenn man seine Erbanlagen öffentlich macht. Wie reagieren Arbeitgeber, Krankenversicherer, Freunde? Zwar gibt es in den USA seit Mai ein Gesetz, das verbietet, dass man seiner Gene wegen diskriminiert wird; aber was kann ein Gesetz wirklich abpuffern? Und wie erleben es die Teilnehmer selbst, was ist das für ein Gefühl, wenn man eine Übersicht über seine Erbanlagen ins Internet stellt mit allem, was man daraus ablesen kann: Anlagen zum Dickwerden und zum Haarausfall - oder Schlimmeres, Alzheimer, Krebs? Macht es verletzbar, so viel Privatheit herzugeben? Ist das Genom so intim wie ein Nacktfoto? Wie der Auszug aus dem Tagebuch? Wie das Protokoll einer Sitzung beim Psychologen? Welche Beziehung hat man zu seinen Genen - oder hat man nur eine Beziehung zu ihrer Macht? Angst womöglich, Ehrfurcht? Gottvertrauen? Und entzaubert es diese Macht, wenn die Gene auf einmal als das dastehen, was sie auch sind: bloße Nukleotid-Ketten, dechiffriert in endlosen Reihen von Buchstaben, Zahlen, Kürzeln. Esther Dysons Genom trägt die Nummer 21660 und liegt unter http://www.personalgenomes.org/public/3 zum Abrufen bereit.

Sie sagt: "Ich habe keine Angst vor meinen Genen. Die meisten Leute sagen doch: Wir bereden das Thema Vererbungen und Erbkrankheiten lieber in der Familie. Aber eigentlich haben sie keine klare Haltung dazu. Viele haben Angst, dass ihre Gene ihnen sagen, wann und woran sie sterben. Ich will ihnen erklären, dass darin auch eine Chance liegt. Es gibt zum Beispiel unterschiedliche Arten des Diabetes mellitus. Typ 1 ist zu 80 Prozent genetisch festgelegt, Typ 2 zu 25 Prozent; wenn man erfährt, dass man diese Typ-2-Disposition hat, und richtig isst und Sport macht, ist die Erkrankung vermeidbar. Mit mehr Wissen kann man bessere Entscheidungen fällen. Gene sagen dir, wie du vielleicht länger leben kannst, wenn du ein paar Regeln befolgst."

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Neun Forscher, Wissenschaftler und Intellektuelle stellten sich gemeinsam mit Esther Dyson zur Verfügung, George Church selbst ist dabei, der bekannte Psychologe Steven Pinker, Leute, die in der Lage sind zu verstehen, um was es bei dem Projekt geht. Das hatte die Harvard-Ethik-Kommission gefordert. Acht Männer, zwei Frauen. "Wir haben uns im Juli 2007 getroffen, alles kluge Leute, viele viel besser in Genetik als ich", sagt Esther. "Ich nehme teil, weil ich die Genetik verstehen will. Ich merkte, das interessiert mich, und je mehr ich verstand, je tiefer bin ich eingestiegen."

Sie ist eine kleine, drahtige, auffallend biegsame Frau, ungeschminkt, sie trägt, was gerade im Koffer obenauf liegt, kurzärmliges T-Shirt im Winter, Fleece-Inlet im Edel-Hotel, manchmal auch das Promo-Shirt von der letzten Konferenz. Sie kommt aus einer talentierten Familie, ihr Vater Freeman Dyson ist ein berühmter Physiker. Sie hat Wirtschaft studiert, bei "Forbes" als Reporterin gearbeitet; mit ihrem Newsletter "Release 1.0" schrieb sie 20 Jahre lang die Internet-Szene nach vorn, so lange leitete sie auch ihre Firma EDventures, über die sie ihre Risikofinanzierungen abwickelte. Sie verdiente viel Geld, aber sie sagt auch, dass Geld nicht ihr Antrieb ist. Hinter ihr steht kein Konzern, sie entscheidet allein und eher nach Interesse als nach Marktlage, wo sie es investiert, "du willst ja auch nicht, dass jemand anderes für dich Tennis spielt". Heute bloggt sie in der "Huffington Post", dem wichtigsten US-Online-Dienst für politische Kommentare, dort nennt man sie die "Hofnärrin der Internet-Szene", die Närrin, die die Weise ist. In ihren Blogs denkt sie darüber nach, ob Privatheit noch ein modernes Konzept ist oder ob nicht der Drang nach Individualität - so, wie sich die Menschen heute im Internet mit ihren Besonderheiten darstellen - längst wichtiger geworden ist.

Esther Dyson hat eine spezielle Prominenz, weil sie relevant ist und dabei originell. Ein Privatleben, das zu Klatsch taugt, gibt es nicht, keinen Ehemann, keine Kinder. Sie wohnt in Manhattan, sie hat ein kleines Büro in der Fifth Avenue, das den Ruf hat, das Wort Chaos neu zu definieren. Ihr Alltag besteht aus Treffen mit Leuten von Start-ups wie Non-Profit-Organisationen und Thinktanks, sie hat die Demokraten unter Bill Clinton beraten wie die Regierung Südafrikas. Sie reist nach Monte Carlo, wenn Prinz Albert einlädt, und nach Kampala zur ASEA-Konferenz. An vier von fünf Tagen ist sie unterwegs.

Nichts, worauf sie Rücksicht nehmen müsste. Nichts zu schützen. Nichts Privates. "Oh doch", sagt sie, "es gibt auch private Dinge in meinem Leben, nur meine Gene gehören ganz einfach nicht dazu. Jeder sollte selbst definieren, was privat ist, und meine Grenzen liegen woanders." Und wo? Sie schiebt die Brille in die Haare. "Alles, was mit Emotionen zu tun hat, was Gefühle sichtbar macht. Ich habe mal meine Stiefmutter zu einem Flug in der Schwerelosigkeit mitgenommen, mich fasziniert das Astronautentraining. Wir hatten viel Spaß, aber ich wollte nicht, dass Fotos davon gemacht werden. Meine Mutter sollte nicht sehen, dass ich eine gute Zeit mit meiner Stiefmutter hatte. Das ist eine hoch emotionale Sache und deshalb privat. Maßgeblich ist, dass man die Kontrolle über die Verbreitung seiner privaten Daten behält. Wenn das der Fall ist, kann auch Persönliches öffentlich sein."

Auf flickr.com lädt sie fast täglich Fotos aus ihrem Alltag hoch, in der Regel Schnappschüsse von ihren Reisen. Sie fotografiert Hotels, Skurriles, verbogene Wasserflaschen und unsinnige Warnschilder, ihr Blick schweift umher, ihr Verstand arbeitet immer und auf vielen Ebenen, sie wählt ein markantes Detail, versieht es mit einer Anmerkung, sie kommentiert humorvoll, nie böse, als fände sie die Welt viel zu interessant, als sie zynisch zu betrachten. Aber es ist auch nie persönlich, sie bleibt außerhalb ihrer eigenen Beobachtungen, manchmal scheint es, als lege sie mit ihrer öffentlichen Privatheit nur eine falsche Fährte, um sich der Welt vorzuenthalten.

Vor allem fotografiert sie Pools, ihr Lieblingspool ist der im "Radisson Slavyanskaya" in Moskau, "warm bei minus 20 Grad draußen"; oder sie fotografiert zwei Frösche, die in einem Pool in Indien zur Sache kommen, "indian wildlife" nennt sie das Bild. Sie schwimmt täglich eine Stunde, seit 20 Jahren, oft bucht sie ihre Flüge nach den Pool-Öffnungszeiten der Hotels. Es wirkt fast besessen, wie sie überall auf der Welt ein Schwimmbecken sucht. Ein Coup ist für sie, wenn sie noch ein paar Extraminuten herausholt. Wie heute, "80 Minuten", sagt sie, gut gelaunt, "durchgehend geschwommen, und das Wasser hier ist großartig".

Gerade ist auf dem Sofa in der Lobby ein Kollege eingenickt, das Jackett über dem Kopf, Esther springt auf und greift ihre Kamera, schlechtes Benehmen eigentlich - er wacht auf, lacht, sagt etwas, das klingt wie: Ach so, Esther, du bist es, alles klar.

"Im Übrigen", sagt sie, "finde ich, dass meine Krankenakte viel mehr über mich aussagt als die Gene, weil die nicht das zeigt, womit ich geboren wurde, sondern was ich daraus gemacht habe. Sie spiegelt meine Erfahrungen. Ich war 2004 eine Weile bei einer Psychologin, sie war schockiert, als ich ihr sagte, dass ich ihre Gutachten für das PGP veröffentlichen will. Für sie war es wie ein religiöses Dogma, dass das, was sie über einen Patienten erfährt, privat ist und bleibt."

Als sie Mitte Oktober die Ergebnisse der Gen-Analyse ausgehändigt bekamen und den Knopf drücken sollten, mit dem ihr Genom auf der Website des PGP freigeschaltet werden sollte, haben einige ihrer Kollegen gezögert. Der Genetiker Misha Angrist behielt sich vor, im Falle einer Erbkrankheit seinen Beitrag zurückzuziehen, damit seine Kinder es von ihm und nicht aus dem Internet erfahren würden. Esther Dyson zögerte nicht. "Ich bin 57, wenn ich was Ernsthaftes hätte, hätte es sich längst gezeigt. Interessant ist es für sehr junge Menschen. Die erfahren, was ihnen passieren kann. Ich habe es ja schon erlebt. Außerdem", sagt sie, "schwimme ich 400 Meter in 7,5 Minuten." Bei ihr fand man ein paar gutartige Gefäßgeschwulste. Sonst nichts. "Es ging mir auch nicht um meine Ergebnisse, ich will herausfinden, was die Gentechnik wirklich kann. Die Grenzen der Forschung, wo liegen die? Eines Tages kann man durch Massentests vielleicht komplexe Zusammenhänge finden, auch für Krankheiten, die selten sind oder vor allem die Armen betreffen, die sich keine Gentests leisten können."

Sie klappt ihren Laptop auf, dessen Deckel wie ein buntes Schulheft über und über mit Stickern beklebt ist, und loggt sich bei 23andMe ein, eine Firma aus Kalifornien, die kommerzielle Gentests für 399 Dollar anbietet. Man erfährt, wie die eigene Gen-Struktur aussieht, und man kann sein Gen-Profil mit anderen vernetzen, so, wie man sein Facebook-Profil vernetzt. Man kann, wenn man will, auf den Freundschafts-Knopf drücken und sich mit Leuten im Netz treffen, die ähnliche Gene haben. Esther hatte die Geschäftsidee so begeistert, dass sie in die Firma investierte und sie berät. Manche sehen in 23andMe ein Potenzial, das das Leben verändern wird wie einstmals Google, beim Wirtschaftsforum in Davos holte sie sich dafür den Innovationspreis ab. Sie klickt durch die Seiten, hin zu einem Chromosomen-Schema, neben dem die Namen ihrer Angehörigen aufgelistet sind: Vater Freeman, ihre Mutter - sie verließ die Familie, als Esther fünf war -, ihre Stiefmutter, eine Deutsche; ihre vier Halbgeschwister, Nichten und Neffen. Sie hatte sie alle überredet, eine Speichelprobe abzugeben. Auch davon gibt es Fotos auf flickr.com: Freeman Dyson in seiner Küche, kurz davor, ins Röhrchen zu spucken.

Sie klickt ihre Halbschwester Dorothy an, und etwa die Hälfte der Chromosomen-Balken färben sich blau, "so weit stimmen unsere Gene überein", sagt sie und dreht den Laptop so, dass man freien Blick hat auf den genetischen Pool ihrer Familie. "Faszinierend, oder?", sie klickt immer weiter, jetzt ganz absorbiert von den Möglichkeiten. "Und hier, mein Schwager Tim, mit dem ich nicht viel mehr gemeinsam habe, als dass wir beide meine Schwester Emily mögen ..." Dann klappt sie den Laptop zu, "das hier ist nur Spielerei", sagt sie, "ich wollte wissen, wie es ist, wenn man sich mit seiner ganzen Familie genetisch abgleichen kann. Aber ob ich mit jemandem zu 47 Prozent oder 57 Prozent übereinstimme, ändert die Beziehung nicht." Und wozu dann all die Daten? "Weil es faszinierend ist", sagt sie. "Es ist wie damals, als die PCs aufkamen. Sie halfen bei der Büroarbeit, man legte noch ein paar Listen mit Kochrezepten an, mehr wusste man mit den Rechnern nicht anzufangen. Jetzt gibt man ihnen riesige Datenmengen, und sie können immer mehr. Die Daten generieren die Möglichkeiten."

Dann erzählt sie noch, dass sie bald in den Weltraum fliegen will, dabei packt sie schon den Laptop ein, in eine Art Tragetasche, die darauf hindeutet, dass Ordnung nicht ihre größte Stärke ist. Man fragt höflich nach, aber in Wahrheit denkt man, wohl nur eine Fantasterei, konsequent eigentlich, dass jemand, der in der Netzwelt sein Privatleben hat und seine innerste Struktur der Forschung überlässt, diese Welt schließlich ganz verlassen will - jemand, der sich im Virtuellen materialisiert, macht sich in der realen Welt ganz aus dem Staub. Man denkt, ach Esther, klar.

Und einige Zeit später klickt man Flickr an und sieht sie auf einem Foto in einem Overall irgendwo in Star City in Kasachstan in der Schwerelosigkeit schweben. Sie erklärt dazu, dass sie in einem Moment, als sie sich zwischen mehreren Terminen nicht entscheiden konnte, auf einmal wünschte, eine Weile auszusteigen. Sie kontaktierte den Microsoft-Milliardär Charles Simonyi, der 2007 als fünfter Weltraum-Tourist zwei Wochen auf der ISS verbracht hatte und einen erneuten Flug plant - gebucht über den Weltraum- Reiseveranstalter "Space Adventures", in den Esther investiert hat. Vereinbarte, als seine Ersatzfrau das komplette Kosmonautentraining zu absolvieren: Sollte Simonyi nicht fliegen, flöge Esther an seiner Stelle. Die Russen untersuchten sie, fanden lediglich ein Loch im Zahn und nahmen sie ins Programm auf. Drei Millionen Dollar kostet das Backup-Training, 35 bis 40 Millionen der Flug ins All. "Es gibt nur eine geringe Chance, dass ich tatsächlich fliege", sagt sie, "und ich müsste dann schnell sehr viel Geld auftreiben. Aber es ist ein Lotterielos: Wenn ich es nicht kaufe, kann ich nicht gewinnen. Andere Leute gehen in meinem Alter noch mal zur Uni. Ich werde Astronautin."

Seit Herbst hat sie ihre Zeit zwischen Russland und ihren sonstigen Aktivitäten aufgeteilt. Ab Januar ist sie für knapp drei Monate in Moskau, zur Vorbereitung, in einem Gebäude, das Prophi 1 heißt. Der Flug in den Weltraum ist für den 25. März geplant. Sie sagt noch: "Ich freu mich auf die psychologische Klarheit, eine Weile nur eine einzige Mission zu haben." In Prophi 1 gibt es keinen Internet-Zugang.

Genetik - was die Forschung heute weiß

Die menschliche DNA besteht u. a. aus vier Nukleinbasen (A, C, G und T). Sie sind paarweise angeordnet. Als Gene bezeichnet man bestimmte Abschnitte dieser Paare.

Wer beim Personal Genome Project als Freiwilliger mitmacht, erhält eine kostenlose Sequenzierung seines Genoms und kann entscheiden, ob er die Daten nur Wissenschaftlern oder im Internet zur Verfügung stellen möchte. Noch vor zwei Jahren lagen die Kosten für die Komplett-Sequenzierung bei über einer Million Dollar, heute gibt es sie schon ab 5000 Dollar.

DNA-Mitentdecker James Watson und Biochemiker J. Craig Venter haben 2007 als Erste ihr komplettes Erbgut veröffentlicht, allerdings ohne medizinische Daten.

Nur wenige Krankheiten lassen sich klar über einen Gentest ermitteln - wie etwa Chorea Huntington, das auf ein spezielles Gen zurückgeht. Oft liefern Tests nur Wahrscheinlichkeiten. Hier setzen Kritiker an: Was nützt es zu wissen, dass man ein Alzheimer-Risiko von 1: 2000 hat?

Neben dem PGP erforschen seit einem Jahr Genetiker aus den USA, China und England im "1000-Genom-Projekt" das komplette Genom von 1000 Menschen aus unterschiedlichen Volksgruppen. Parallel dazu versucht der "Cancer Genome Atlas", die Gene von Krebs-Tumoren zu kartografieren.

Die Bundesregierung hat 2008 das Gendiagnostik-Gesetz beschlossen: Jeder soll selbst bestimmen, ob er einen Gentest machen lässt, kein Chef und keine Versicherung darf das Ergebnis anfordern.

Text: Meike Dinklage Fotos: Sigrid Reinichs Ein Artikel aus der BRIGITTE 02/2009

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