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Immer mehr Einbrüche: So schlimm sind die Folgen für die Opfer

Immer mehr Einbrüche: So schlimm sind die Folgen für die Opfer
© punghi/shutterstock
Die Zahl der Wohnungseinbrüche steigt rasant. Was bedeutet das für die Opfer? Unsere Redakteurin weiß aus eigener Erfahrung, wie belastend das Erlebnis sein kann - auch weil man damit sehr allein gelassen wird.

War da nicht was? Ein Geräusch? Ein Schatten im Garten? Das Herz rast. Hände zittern. Es ist mitten in der Nacht, aber ich bin hellwach. Und werde es auch noch zwei Stunden sein. Obwohl da gar nichts war. Vielleicht ein Knacken in der Heizung. Aber die Angst vor Einbrechern lässt sich nicht mit Logik wegdenken. Schon gar nicht, wenn man selbst erlebt hat, dass die Bedrohung real werden kann.

Ich bin Opfer eines Einbruchs geworden. Es ist schon 20 Jahre her, aber dennoch holt mich das Erlebnis immer wieder ein. Nicht täglich. Manchmal Monate lang gar nicht. Aber in letzter Zeit meldet sich die Unsicherheit wieder öfter. Und das liegt daran, dass die Gefahr, erneut Opfer eines Einbruchs zu werden, größer geworden ist.

Die Zahl der Einbrüche steigt von Jahr zu Jahr

167.136 Wohnungseinbrüche gab es im Jahr 2015 in Deutschland. Das sind fast zehn Prozent mehr als im Jahr davor. Damit sind die Zahlen laut Kriminalstatistik zum neunten Mal in Folge angestiegen. Besonders rasant wächst die Zahl der Wohnungseinbrüche in Hamburg, wo ich lebe: 20 Prozent mehr als 2014. Oft stecken kriminelle Banden dahinter. Profis. Und nur ein 10 - 20 Prozent der Einbrüche können aufgeklärt werden.

Ich spüre diese Zahlen in meiner direkten Umgebung. Bei unseren Nachbarn wurde kurz vor Weihnachten eingebrochen. Die Täter kamen durch den Garten, womöglich auch durch unseren Garten, der direkt daneben liegt.

Eine andere Nachbarin arbeitete in ihrem Blumenbeet, während hinter ihr einer ganz dreist durch die offene Tür in das Haus spazierte. Die Frau ist alt, hört und sieht nicht mehr gut. Daher bemerkte sie die Tat erst, als ihr Haus schon durchwühlt war.

Kurz darauf gab es einen Einbruch im Kindergarten meiner Tochter. Die Polizei vermutet, dass der Täter sich hat einschließen lassen, denn Einbruchsspuren gab es nicht.

Einschließen lassen. In der Kita. In der womöglich zu der Zeit noch Kinder waren.

Es ist schwer, sich von solchen Ereignissen nicht verunsichern zu lassen. Viele Menschen haben Angst. Sie verbarrikadieren sich. Unser Nachbar überlegt, einen Baseballschläger im Garten zu deponieren. Seine Frau schläft schlecht. Die alte schwerhörige Dame überlegt, ganz wegzuziehen.

Die psychischen Folgen sind schlimmer als der materielle Verlust

Schmuck, Handys, Fernseher, Geld - der Verlust der oft persönlichen Sachen tut weh. Aber schwerwiegender ist, dass die Täter den Opfern ihr Gefühl von Sicherheit nehmen. Die eigenen vier Wände sind eigentlich unser sicherer Hafen, ein Ort, an dem wir uns wohl fühlen, der uns schützt.

Wenn jemand nun in böser Absicht dort eindringt, ist unser sicherer Hafen zerstört. Wir fühlen uns schutzlos. Das kann traumatisierend sein.

"Von einem Einbruch betroffene Menschen leiden in der Regel am meisten unter der Verletzung der Privatsphäre durch die Täter", bestätigt auch Bianca Biwer, Bundesgeschäftsführerin des Weißen Rings, der Kriminalitätsopfer unterstützt. "Häufig quält die Betroffenen der stetige Gedanke, sie hätten den Einbruch verhindern können. Manche geben sich gar eine Teilschuld am Geschehen. Dies trifft allerdings höchst selten tatsächlich zu."

Bei manchen Betroffenen wiegt die posttraumatische Belastungsstörung so schwer, dass sie es nicht mehr in der belasteten Wohnung aushalten. 17 bis 20 Prozent ziehen nach einem Einbruch weg.

Die Opfer werden mit ihrem Trauma alleingelassen

Skandalös ist meiner Ansicht nach, dass die Einbruchsopfer von der Polizei nicht mehr an die Hand genommen werden. Nach dem Raubüberfall, den ich vor 20 Jahren erlebte, kam keiner zu mir und meinem damaligen Freund und erklärte, wie wir mit der Situation umgehen sollten. Wer uns helfen kann. Und auch unsere Nachbarn wurden mit ihrer schlimmen Erfahrung allein gelassen.

Der Weiße Ring fordert darum schon länger von der Politik, dass Wohnungseinbrüche als Tatbestand in das Opferentschädigungsgesetz aufgenommen werden. Dieses Gesetz regelt, wann die Opfer Anspruch auf Schadensersatz haben, etwa bei gesundheitlichen Schäden.

"Bisher wird der Aspekt der psychischen Gewalt dort ausgeklammert", sagt Bianca Biwer. "Untersuchungen zeigen aber, dass Opfer von Wohnungseinbrüchen oft behandlungsbedürftige, seelische Belastungen mit Krankheitswert erleiden, die sie in ihrem späteren Leben einschränken."

Was können Opfer von Einbrüchen selbst tun?

Aus eigener Erfahrung weiß ich: Reden hilft sehr. Entweder mit Verwandten, dem Partner und Freunden. Oder auch mit Experten, etwa vom Weißen Ring. Das Opfer-Telefon (Tel: 116 006) ist kostenlos und rund um die Uhr erreichbar.

Wer wirklich regelmäßig unter Angst leidet, keine Nacht mehr schlafen kann, Panikattacken bekommt, der sollte sich behandeln lassen. Erste Anlaufstelle ist der Hausarzt, der kann dann an einen Therapeuten weiterverweisen.

Wichtig für die Verarbeitung ist auch das soziale Umfeld. "Regelmäßige soziale Aktivitäten mit Freunden oder der Familie sorgen für ein insgesamt höheres Sicherheitsgefühl", sagt Bianca Biwer. "Gibt es mehrere Orte, an denen ich mich sicher und geborgen fühle, verliert die eigene Wohnung an Bedeutung – und damit sinkt auch die Angst vor einem Einbruch."

Und zu guter Letzt hilft es auch, die Wohnung oder das Haus sicherer zu machen. Ein Einbruchschutz an der Balkontür oder auch eine kleine Alarmanlage können viel dazu beitragen, sich wieder wohler zu fühlen. Und sie können tatsächlich Einbrecher abhalten - jedes einzelne Hindernis verringert das Risiko, dass sie wirklich einsteigen. Dafür gibt es sogar Zuschüsse vom Staat, Infos dazu findet ihr auf www.kriminalpraevention.de.

Auch wir haben unser Zuhause, das eigentlich immer ein sehr offenes war, sicherer gemacht. Seitdem schlafe ich wieder besser.

Einen Polizisten oder eine Streife, die Einbrecher vermutlich noch mehr abschrecken würden, habe ich in unserer Gegend bislang noch nie gesehen. Aber dafür fehlt es vermutlich wieder an Personal.

Weitere Infos zum Thema Einbruchsschutz findet ihr auch unter www.nicht-bei-mir.de.

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