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Ehegattensplitting Längst überholt – das sind die Nachteile für Frauen

Wer heiratet, genießt in Deutschland Steuervorteile
Wer heiratet, genießt in Deutschland Steuervorteile
© IMAGO / Jam Press
Wer heiratet, kann Steuervergünstigungen erhalten. Auf den ersten Blick scheint es so, als würden Familien damit unterstützt. Doch warum profitieren Frauen und alleinerziehende Eltern dann nicht?

In Deutschland wurde 1958 das Ehegattensplitting eingeführt. Ursprünglich, um die durch die Hausfrauenehe entstandenen, steuerlichen Nachteile auszugleichen. Damals hieß es, Frauen sollten zu Hause bleiben, den Haushalt führen und sich um die Kinder kümmern. Ehemänner hatten die volle Entscheidungskraft und sollten ihre Familie finanziell versorgen. Dieses Konzept der Ehe ist lange überholt und abgeschafft. Das Ehegattensplitting hingegen gibt es immer noch. Zum Nachteil vieler Frauen. 

Ehegattensplitting: Was ist das eigentlich genau?

Beim Ehegattensplitting handelt es sich um einen steuerlichen Vorteil für verheiratete Paare. Das Einkommen beider wird zusammengerechnet und dann halbiert. Anschließend werden auf beide Hälften dieselben Steuern erhoben. Es wird also so abgerechnet, als würden beide genau gleich viel zum Gesamteinkommen beitragen. Bis zu 15 000 Euro im Jahr können Paare damit legal einsparen. Um den Effekt des Splittings zu verstärken, wählt die weniger verdienende Partei dabei oft die Steuerklasse V, die mehrverdienende die Steuerklasse III. Das heißt, wer mehr verdient, muss weniger abgeben und wer weniger verdient, gibt mehr ab. Die Summe der gezahlten Steuern von Paaren, die von der Regelung profitieren können, ist dadurch insgesamt niedriger.

Wer profitiert davon?

Verheiratete Paare können so also Steuern sparen, vor allem, wenn eine:r der beiden deutlich mehr verdient als die andere und ein hohes Haushaltseinkommen vorliegt. Da in unserer Gesellschaft Männer durchschnittlich mehr verdienen als Frauen, sind weibliche Personen oft die, die durch das Splitting mehr Steuern zahlen als sie eigentlich müssten. Ist das der Fall, verdient ihr Gegenüber, der Mann, mehr und zahlt weniger Steuern. Für Kinder gibt es zusätzlich einen Kinderfreibetrag, aber auch ohne Nachwuchs ist es möglich, durch das Splitting Steuern zu sparen.

Ist das Ehegattensplitting noch zeitgemäß?

Der Bundestagsabgeordnete Thorsten Frei (FDP) äußerte sich gegenüber der dpa wie folgt dazu:

„Ehe und Familie sind grundlegendes Rückgrat unserer Gesellschaft. Hier braucht es eine Stärkung, nicht eine Schwächung oder Relativierung.“

Doch entspricht das der Lebensrealität in Deutschland?

Die Anzahl der Ein- und Zweipersonenhaushalte in Deutschland zeigt ein anderes Bild. Während es immer mehr Singles und kinderlose Paare gibt, werden Mehrpersonenhaushalte immer weniger. So lebten laut Umweltbundesamt im Jahr 2022 in Deutschland 20,1 Prozent der Bevölkerung in einem Einpersonenhaushalt, 33,2 Prozent aller Deutschen in einem Zweipersonenhaushalt. Dazu zählen natürlich auch Ehen und Partnerschaften. Rund ein Zehntel dieser Paare ist aber unverheiratet, das zeigt eine Auswertung des Statistischen Bundesamtes.

Wer sich gegen eine Ehe entscheidet oder partnerlos bleibt, wird kategorisch von den Steuervorteilen ausgeschlossen. Das fördert soziale Ungleichheit. Dieser Effekt wird noch verstärkt, da sich das Splitting am meisten lohnt, wenn eine Person deutlich mehr verdient als ihr:sein Partner:in. Auch alleinerziehende Eltern können nicht vom Splitting profitieren. Gefördert wird also lediglich die Ehe als solche, unabhängig von Bedarf, Gerechtigkeit oder Elternschaft. Gleichzeitig hat das Ehegattensplitting viele Nachteile, vor allem für Frauen.

Das sind die Nachteile des Ehegattenplittings:

  • Untersuchungen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung haben gezeigt, dass bei einer Abschaffung des Splittings die Erwerbsbeteiligung von Frauen deutlich steigen würde. Im Umkehrschluss bedeutet das: Die Motivation, zu arbeiten, sinkt für Frauen durch die Besteuerung
  • In der Praxis führt dies häufig dazu, dass Ehepartnerinnen zum Leben als Hausfrau gedrängt werden oder sich für einen steuerfreien Minijob entscheiden. Bei einem geringeren Gehalt lohnt es sich nicht Vollzeit zu arbeiten, da sonst der Steuervorteil verloren geht und zusätzliche Kosten für beispielsweise die Kinderbetreuung entstehen können. Ein Teilzeitjob lohnt sich ebenfalls nicht, da durch die Versteuerung das Gehalt das eines Minijobs in der Regel kaum übertrifft. 
  • Sozialwissenschaftliche Forschung hat gezeigt, dass durch die unterschiedlichen Gehälter ein Machtungleichgewicht in der Ehe entstehen kann. Auch, wenn der Grundgedanke eigentlich ist, dass das Einkommen allen Personen des Haushalts zugutekommt. 
  • Das Armutsrisiko für die Frau steigt stark an. Dadurch, dass sie weniger verdient, wird auch weniger Geld in ihre Rentenkasse eingezahlt. Kommt es zur Trennung, so steht sie zudem ohne Job dar. Stirbt der Partner, erhalten Witwen nur 55 Prozent seiner Rente. 

Was sich ändern muss

Es gibt mehrere Alternativen zum Ehegattensplitting, bislang aber kein Modell, das alle Probleme beheben würde. Eine Individualbesteuerung wird bereits in Österreich, Schweden und der Niederlande angewandt. Diese Regelung hat zur Folge, dass beide Partner:innen einen Individuellen Steuersatz auf ihr Gehalt zahlen. Für Kinder gibt es zudem, wie auch schon in Deutschland, einen Freibetrag. Diese Regelung hätte zur Folge, dass der Anreiz zu arbeiten für Frauen wieder gegeben ist. Alleinerziehende Eltern und Paare, die sich gegen eine Ehe entscheiden, werden aber immer noch benachteiligt.

Verwendete Quellen: destatis.de, tagesschau.de, boeckler.de, umweltbundesamt.de, deutschlandfunknova.de 

Brigitte

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