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Digitalen Nachlass regeln Wer erbt meine Social-Media-Profile und Bank-Zugänge?

Digitales Erbe: Hologramm eines Profilbildes
© sdecoret / Adobe Stock
Schmuck, Möbel, Immobilien: Das lässt sich im Testament ja noch relativ einfach regeln. Aber was passiert mit unseren ganzen Bank- und E-Mail-Konten, Abos und Social-Media-Profilen, wenn wir mal nicht mehr sind? Gunthild Kupitz hat sich schlaugemacht.

Kürzlich rief meine Freundin Tina an. "Erschrick nicht. Das wird vielleicht ein etwas seltsames Gespräch." Bald würde sie ja mit der Familie nach Botswana fliegen. Für den sehr unwahrscheinlichen Fall, dass sie abstürzen würden, sollte ich wissen, dass sie ihr Testament ergänzt und mich als Erbin eingesetzt habe. "Du kennst mich ja: Mir ist es wichtig, dass alles Finanzielle geregelt ist." Tina hat einige Jahre als Bankkauffrau gearbeitet; das prägt.

Wie läuft das eigentlich mit den digitalen Daten?

Aber dass sie schon ein Testament gemacht hatte, hörte ich zum ersten Mal. Und ich? Habe mich bisher um nichts gekümmert. Warum auch? Meine Tochter soll ohnehin alles bekommen. Doch wie ich inzwischen weiß, wird sie nicht nur meine Wohnung, die Möbel und Bücher erben, sondern auch sämtliche digitalen Daten. Das heißt: alles, was sich auf meinem Laptop, iPad und Handy befindet; alles, was auf meinen Festplatten und USB-Sticks gespeichert ist; alle Mails, Chats, Social-Media-Accounts, Bankkonto-Zugänge, Abos. 2018 hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass digitale Daten und Zugriffsrechte wie reale Gegenstände vererbt werden – mit allen Rechten und vertraglichen Pflichten. Was bedeutet: Meine Tochter müsste sich um jedes meiner Konten kümmern, jeden Account kündigen – von Netflix über Paypal bis hin zu meinen Bankkonten und Social-Media-Profilen.

Das ist nicht zu schaffen. Ich weiß ja selbst nicht mehr, wo ich mich überall registriert habe. Es hat mich auch nie interessiert. Wenn ich sterbe, löscht sich mein digitales Ich irgendwann von selbst – dachte ich. Stimmt aber nicht: Unser Leben ist zwar endlich, unsere Profile sind es nicht.

Sich darum kümmern, eigene Wünsche festzuhalten

Ein Anruf bei Rebekka Weiß. Die Juristin leitet den Bereich Vertrauen und Sicherheit beim Digitalverband Bitkom, der 2021 in einer repräsentativen Umfrage zu dem – für mich überraschenden – Ergebnis kam: 16 Prozent der Deutschen über 16 haben ihren digitalen Nachlass bereits geregelt, 24 Prozent immerhin teilweise, 53 Prozent sind sich bewusst, dass sie sich darum kümmern müssen; nur sieben Prozent sind wie ich komplett ahnungslos. Von den 40 Prozent, die angaben, ihr digitales Erbe zumindest teils geordnet zu haben, haben zwei Drittel Zugänge zu PINs und Geräten notiert, ein Drittel die Zugänge zu Bankkonten und Versicherungen, aber nur ein Viertel für Online-Konten und Messenger-Dienste.

Weil ich weder das Passwort für meinen Laptop noch die PINs fürs Handy jemals geändert habe, kennt meine 15-jährige Tochter sie seit Jahren. Habe ich dadurch vielleicht doch schon mein digitales Chaos geregelt? "Leider nein", sagt Weiß. "Beim digitalen Nachlass geht es um den Letzten Willen eines Menschen, um seine Wünsche, was mit seinen Daten nach seinem Tod passiert. Und um den Zugang zu ihnen." Ob die Tochter das alles wisse?

Tja, meinen Letzten Willen in Sachen digitale Daten weiß ich selbst noch nicht. Und was die Login-Daten betrifft, würde meine Tochter zwar das Passwort für die Konten kennen, von denen sie weiß – nicht aber für die vielen anderen. Was nun?

Eine regelmäßige Bestandsaufnahme kann helfen

"Ganz unabhängig vom Thema digitales Erbe empfehle ich, regelmäßig zu überprüfen, welche Konten überhaupt existieren – und dann aufzuräumen. Wie man das auch mit seinem Kleiderschrank macht", sagt Weiß. Wer wie ich keinen Passwortmanager verwendet, um komplexe und damit sichere Passwörter zu erstellen, die sich mit einem Masterpasswort verwalten lassen, kann für die Ordnung verschiedene Tools nutzen: Ob App, Excel-Tabelle oder Word-Dokument, gesichert auf dem Computer oder einem verschlüsselten USB-Stick, alles sei geeignet, sagt Weiß. Nur von handgeschriebenen Zetteln rät sie ab. Die müssten aus Sicherheitsgründen in einem Schließfach aufbewahrt werden – unpraktisch, wenn man etwa Zugangsdaten ändert. Denn die Liste muss aktuell sein. Sinnvoll sei es, zuerst die kostenpflichtigen Dienste zu notieren, weil die als Erstes gekündigt werden sollten, dann die anderen Konten nach abnehmender Bedeutung.

Ähnlich wichtig sei es, für sich selbst zu klären, welche Daten man seinen Hinterbliebenen überhaupt zugänglich machen möchte. Diese Wünsche sollten hinter jedem Account vermerkt werden. Bei mir hieße das: bei Familienfotos in der Cloud "Download erlaubt", bei Chats "ungelesen löschen".

Vollmachten können vieles erleichtern

Da manche Onlinedienste es Erbenden schwer machen, Zugriff auf die Konten zu erhalten oder ihn gar verweigern, rät die Verbraucherzentrale, eine Vertrauensperson zu bevollmächtigen, die sich im Fall einer schweren Krankheit oder des Todes um die digitalen Daten kümmert. Denn ohne Vollmacht sind häufig Nachweise wie Erbschein, Sterbeurkunde oder beglaubigte Dokumente nötig, um Konten zu löschen, Daten herunterzuladen und Verträge zu kündigen. Wer aber eine Vollmacht besitzt und weiß, wo sich die Liste mit den Zugangsdaten befindet, kann im Fall der Fälle alles Notwendige erledigen – vorausgesetzt, er oder sie kennt das Passwort, um die Liste auf dem USB-Stick, dem PC oder per Passwortmanager in der Cloud zu öffnen.

Dieses Passwort sollte mindestens zwischen 20 und 30 Zeichen lang sein und aus einer sinnlosen Aneinanderreihung von Zahlen und Buchstaben bestehen, sagt der ITler Jochim Selzer, der sich im Chaos Computer Club schwerpunktmäßig mit dem Thema Sicherheit beschäftigt. Seine Empfehlung: "Dieses Nicht-Wort teilen und die Hälften zwei Menschen geben, denen man absolut vertraut, die sich aber nur flüchtig kennen." Nur gemeinsam kämen sie an die Liste mit den Konten und Zugangsdaten. Ein Verfahren, das insbesondere Online-Passwortmanager sicher mache: "Wenn bei einem der beiden ein Account gehackt wird, findet man immer nur ein halbes Passwort."

Apropos Sicherheit: Meine Ein-Passwort-für-alle-Konten-Strategie findet Selzer hochgefährlich, das sei quasi eine Einladung an alle Hacker. "Einmal geknackt, kann rufschädigender oder sogar strafrechtlicher Mist über die Social-Media-Profile oder per Mail verbreitet werden."

Damit wäre klar, was ich an den nächsten langen Winterabenden machen werde. Das steht auch bei meiner Freundin Tina an. Sie hat bisher nämlich ebenfalls noch nicht darüber nachgedacht, was mit ihren Daten einmal geschehen soll.

Checkliste: So regelst du deinen digitalen Nachlass

1. Überblick verschaffen

Liste sämtliche Konten und Profile mit Benutzernamen und Passwort auf und lege fest, was mit ihnen geschehen soll: Sichern? Löschen?Übertragen? Oder in den Gedenkzustand versetzen lassen? Entscheide außerdem, wer in welchem Umfang Zugriff auf deinen Computer, deine Festplatten und dein Handy haben soll.

2. Daten aufräumen

Fotos oder Mails, von denen du nicht möchtest, dass andere sie sehen oder lesen, solltest du löschen oder auf einer externen Festplatte mit dem Hinweis "Bitte vernichten" speichern.

3. Liste sichern

Speichere alle Zugangsdaten verschlüsselt auf einem USB-Stick, deinem Rechner oder in deinem Handy. Alternativ kannst du auch einen Passwortmanager einrichten. Deine Daten sind dann ähnlich wie in einem Tresor geschützt; merken musst du dir dann nur noch ein einziges Passwort: das Masterpasswort. Für den Notfall gibts du deinen Vertrauenspersonen jeweils die Hälfte eines statischen Notfallpasswortes.

4. Vollmacht erteilen

Bestimme eine oder mehrere Vertrauenspersonen, die sich im Falle einer schweren Krankheit oder nach deinem Tod um deine digitalen Daten kümmern sollen. Dazu genügt eine handschriftliche Vollmacht. Vorlagen gibt es auf der Website der Verbraucherzentrale oder auf juraforum.de. Den Vertrauenspersonen solltest du eine Kopie geben mit dem Hinweis, wo sich USB-Stick oder Dokument befinden, sowie die Zugangsdaten.

Brigitte

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