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Die Mutter in der Werbung: Schöne heile Welt?

Von Babynahrung bis Waschmittel - Claudia Fischer-Appelt, Designerin und Gründerin der Initiative mamamoto, wirft für uns einen Blick auf das aktuelle Bild von Müttern in der Werbung und macht deutlich, dass es den Vätern nicht viel besser geht.

Kochen, backen, waschen, putzen, Kinder hüten - das Bild der Mutter in der Werbung reduziert sich auf diese Tätigkeiten. Und auch Bildsprache, Ästhetik und Kreativität haben noch erheblich Luft nach oben. Humor in der Werbung? Fehlanzeige! Lachen darf nur die dauer-grinsenden Model-Mutter. Und wir? Wir gucken in die Röhre oder schauen einfach nicht mehr hin. Ich meine: Wir haben etwas besseres verdient!

Als Konsument gewöhnt man sich an bestimmte Werbe-Bilder. Dieser Lernprozess hat für die Industrie den Vorteil, dass bei speziellen Schlüsselreizen sofort bestimmte Assoziationen bzw. Assoziationsketten geweckt werden. Es bedarf keiner weiteren Worte und man kann sich auf das Wesentliche, in diesem Fall auf das beworbene Produkt, konzentrieren.

Für die Mutter-Werbung sieht das dann zum Beispiel so aus: - Grinsende Frau im Hausfrauen-Look, in blank gewienerter Küche = Putzmittel. - Gnubbelige Schrift in Regenbogenfarben = irgendwas für Kinder. - Elfenhafte Frau ganz in weiß, tanzt über gift-grüner Wiese = Waschmittel.

Doch das gesellschaftliche Wissen und auch die individuellen Werten und Einstellungen unterliegen einem Wandel. Während Werbung in vielen Bereichen sehr schnell auf diesen Wandel reagiert und entsprechende Entwicklungen zum Teil sogar verstärkt oder selbst initiiert, darbt das Bild der Mutter und der Familie in der Werbung seit Jahren fast unverändert vor sich hin. Nahezu alles hat sich verändert und weiterentwickelt, nur in diesem Bereich herrscht besonders hartnäckiger Stillstand.

Dabei folgt die Werbung für Mütter und Familien stets dem gleichen Grundmuster und das heißt: schöne heile Welt. Die frisch geföhnte und akkurat gekleidete Mutti wuselt durch die Wohnung oder ist mit den Kindern beschäftigt. Alle lachen, alle sind froh. Getoppt wird dieses Bild nur noch durch dunkle Abgründe die immer wieder drohend und alarmierend an unsere Beschützerinstinkte appellieren. Flecken! Keime! Vitaminmangel! Gefahren lauern einfach überall.

Aber erfüllen diese Bilder heute noch ihre Funktion? Sind die zugrunde gelegten Hoffnungen, Ängste und Wünsche in dieser Form noch zeitgemäß? Fühlen sich Frauen und Mütter (und Männer) davon angesprochen?

Die Mutter in der Werbung: Schöne heile Welt?
© mamamoto / David Maupilé

Claudia Fischer-Appelt (Foto, Mitte) ist Designerin und Mutter von zwei Kindern. 2005 gründete sie die Initiative mamamoto mit dem Ziel, zeitgemäße Gestaltung für moderne Familien zu schaffen. 2007 erschien ihr Buch "Family Business - Das Buch für Eltern, die nicht perfekt sein wollen" (Edition Braus)

Mütter in der Werbung: aktuelle Beispiele

Kind und Mutter strahlen um die Wette - so sieht die Mutterschaft in der Werbewelt aus. In dieser Anzeige spricht sogar Babys Bauch zur Mutter ("Babys Bäuchlein sagt, ich fühl mich wohl."). Die Mutter redet demnach also nicht nur mit dem Kind selbst, sondern auch mit seinen Körperteilen. Wie geht's denn heute Deinem Bäuchlein? Was machen denn die Äuglein? Du hast da ja ein Popilein. Wenn man das als Mutter ein Jahr lang praktiziert, ist der Widereinstieg in den Job ein Kinderspiel. Hallo Cheffilein!

Und da ist es wieder! Mutti und Baby lachen, sie platzen geradezu vor Glück. Gibt es keine anderen Bilder, die für zufriedene Mütter und Babys stehen? Ich denke, Männer dürften hier auch mal gezeigt werden, denn nach dem Abstillen könnten sie bei der "Fütterung" ja auch mal zum Zug kommen.

Mama sorgt für ihr Kind und beim Eincremen der Kleinen macht sie sich gleich selbst nackig. Und dann wird den ganzen Tag gekuschelt ...

Dieses Bild strotzt vor absoluter Harmonie und soll vor allem Natürlichkeit vermitteln. Solche Bilder begegnen mir im Alltag auch an jeder Ecke: Ich sehe Frauen im Stadtpark oder zu Hause im Vorgarten. Sie liegen nackig auf dem Bauch und sofort klettert der ebenfalls entblößte Säugling auf den Rücken - so ist das bei uns Müttern.

Und hier kommt "Nackig im Garten Teil 2".

Na bitte - es geht doch. Kein Dauergrinsen. Keine schöne heile Familienidylle. Und vor allem: keins von diesen unnötigen Stillkissen. Es geht in der Tat auch ohne diese Stillwürste. Aber ob Stillen im Stehen auf Dauer so angenehm ist ...

Wenn werdende Mütter mit dem Vater zu sehen sind, gibt es immer nur dieses Bild: Er kuschelt sich von hinten ran und beide umfassen den Bauch. Das könnte den ganzen Tag so gehen ...

"Meine Familie und Krankheitserreger". Ganz in weiß ist sie den ganzen Tag den Bakterien auf der Spur und passt auf, dass nichts daneben geht. Was kann es Schöneres geben, als eine keimfreie Wohnung.

Immerhin - eines der wenigen unverkrampften Familienbilder. Mutter und Tochter albern rum und sehen dabei sympathisch normal aus. Zumindest mal eine andere Geste, ein anderes Bild und keine ultra-perfekte Grinse-Hausfrau und keine super-sexy Strahle-Mama.

Und Väter in der Werbung? Während Mütter für Haushalt und Ernährung zuständig sind, treten die Papas mit Autos und Technik in Erscheinung. Die Anspruchshaltung bleibt aber die gleiche - Perfektionismus als Ideal. Den Claim könnte man insofern auch abwandeln: "Ein Papa wie ein Auto: Er funktioniert perfekt."

Sobald Männer als Väter dargestellt werden, bekommen auch sie ein festgetackertes Dauergrinsen verpasst. In dieser Hinsicht stehen sie den dargestellten Mutter-Bildern in nichts nach. Das Mädchen auf dem Bild merkt gleich, dass hier etwas nicht stimmt und möchte offensichtlich einfach nur weg.

Text: Claudia Fischer-Appelt Foto: TV-Yesterday

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