Anzeige

Die Macht der Models

Models in schwarzen Kleidern
© dotshock / Shutterstock
Medien, Politiker und Ärzte empören sich über Heidi Klums ProSieben-Show "Germany's Next Top Model": Der Wettbewerb treibe junge Mädchen in die Magersucht. Welchen Einfluss haben Models auf unser Selbstwertgefühl? Und welchen Zwängen unterliegen die Models selbst? Wir haben Menschen gefragt, die es wissen müssen.

Dr. Silja Vocks: "Ideal und Realität haben nichts miteinander zu tun"

Dr. Silja Vocks (33), Klinische Psychologin und Psychotherapeutin, erforscht Essstörungen an der Ruhr-Universität Bochum und erklärt, wie Models uns jeden Tag beeinflussen.

Von Kindheit an bewerten wir unser Aussehen danach, inwieweit es mit Anforderungen unserer Umwelt kompatibel ist. Das ist normal, allerdings wird Aussehen in unserer Gesellschaft immer wichtiger. Schlankheit steht für Erfolg, Beliebtheit, Disziplin, Aktivität.

Wie stark uns die Medien dabei beeinflussen, zeigen Studien, bei denen Frauen Fotos von Models anschauen und nachher ihren eigenen Körper bewerten. Vor allem junge Frauen und diejenigen, die sowieso schon unzufrieden mit ihrem Körper sind, sehen sich im Vergleich besonders negativ. Es gibt sicher auch Frauen, bei denen mit zunehmendem Alter Gewicht und Figur weniger wichtig werden. Sie finden sich dann zwar nicht schöner, arrangieren sich aber besser mit ihrem Körper. Problematisch ist eben nur, dass sich Ideal und Realität immer weiter auseinander entwickeln: Während das tatsächliche Gewicht der Bevölkerung steigt, wird die weibliche "Idealfigur" immer dünner. Früher hatten Models einen Body Mass Index (BMI) von 19 bis 20, heute liegt er im Haute-Couture-Bereich bei 17,5. Diese Zahl gilt für uns bereits als ein Kriterium für Magersucht.

Je stärker das eigene Gewicht von diesem "Ideal" abweicht, desto größer die Unzufriedenheit. Heute finden sich bereits 50 Prozent aller Mädchen unter 15 zu dick - obwohl sie normal- oder untergewichtig sind! Das kann den Boden für eine Essstörung bereiten.

Protokoll: Silke Kienecker

Merle Rebentisch: "Schöne Mädchen erleichtern mir die Arbeit"

Merle Rebentisch ist seit Jahren Beauty-Redakteurin bei BRIGITTE. Wie ist das eigentlich, bei der Arbeit ständig von Models umgeben zu sein?

Mit Models habe ich täglich zu tun: Ich suche das passende Mädchen für ein Thema aus und bespreche ihr Make-Up und Haarstyling mit dem Visagisten. Beim Shooting setze ich sie gemeinsam mit dem Fotografen in Szene.

Wenn ein Mädchen schön ist und Ausstrahlung hat, freue ich mich. Denn dann werden die Fotos besser und das erleichtert mir meine Arbeit. Neid empfinde ich nicht - und die Leserinnen sollten das ebenso wenig. Diese Frauen sehen auf den Fotos auch deshalb so gut aus, weil ein ganzes Team eine Welt um sie herum aufgebaut, sie geschminkt und perfekt ausgeleuchtet hat. Das dauert oft Stunden und ist nicht real.

Okay, ab und zu denke ich: Es wäre schon toll, zehn Zentimeter größer zu sein. Aber meine Größe kann ich nicht beeinflussen, höchstens mein Gewicht. Doch dann müsste ich dreimal pro Woche ins Fitnesscenter gehen und Diät halten - und das will ich nicht. Models haben oft auch mit wenig Sport perfekte Körper, weil sie noch sehr jung und einfach so gebaut sind. Ich dagegen müsste dafür auf andere Dinge verzichten, die mir viel wichtiger sind als dünn zu sein.

Protokoll: Martina Behm

Ted Linow: "Models sind wie Blumen in einem Garten"

Ted Linow, 52, ist Mitbegründer von Mega-Models, eine der größten Model-Agenturen Deutschlands. BRIGITTE-Redakteurin Anne Petersen fragte ihn, wie sich Models und Schönheitsideale in den letzten Jahren verändert haben.

Das Schönheitsideal hat sich in den letzten 15 Jahren gar nicht verändert. Die Zeitungen berichten zwar regelmäßig, jetzt dürften die Mädchen wieder Rundungen haben, aus Erfahrung kann ich aber sagen, dass Models immer schlank sein mussten. Besonders Mädchen, die eine internationale Karriere anstreben, brauchen Ideal-Maße. Und das wird sich nicht ändern, so lange die Chefredakteurinnen der italienischen oder französischen VOGUE nur diese dünnen Mädchen fotografieren. Sie bestimmen eben die Trends.

Ich würde einem Model niemals sagen: "Du bist zu dick." Wir versuchen immer, für die Mädchen ein vernünftiges Ernährungsprogramm zu erarbeiten. Man kann nicht verlangen, dass sie in zwei Monaten wahnsinnig abnehmen - sie sollen schließlich frisch und gesund aussehen, nicht krank.

Die auffälligste Veränderung der letzten Jahre ist eher, dass immer mehr Mädchen Model werden wollen. Früher gab es die "Eislauf-Mütter", heute gibt es die nicht minder ehrgeizigen "Model-Mütter", die mit ihren Töchtern bei uns in der Agentur auftauchen. Das Problem dabei: Heute kann jeder, der ein Telefon besitzt, eine Model-Agentur aufmachen und mit den Hoffnungen junger Mädchen viel Geld verdienen. Das ist mindestens genauso schlimm wie Casting-Shows, in denen Hüftmaße von 87 als normal gehandelt werden.

Eine gute Agentur hat zwei wichtige Aufgaben: Schöne Mädchen zu finden und diese dann zu pflegen - genauso wie die Blumen in einem Garten.

Lars Matzen: "Wenn eine zu mager ist, schicke ich sie weg"

Lars Matzen arbeitet als Mode-Fotograf, unter anderem für BRIGITTE.

Vor fünf, sechs Jahren war der Magersuchts-Look in, und viele junge Models haben sich sehr dünn gehungert. Das gefiel mir überhaupt nicht. Beim Fotografieren muss man sich dann wirklich sehr viel Mühe geben, damit das nicht so auffällt. Wenn die Beine zu knochig sind oder die Schulterblätter stark hervorstehen, schicken die Redakteurin und ich ein Model schon mal weg. Denn zum Glück hat sich bei den Magazinen ein gesundes Frauenbild durchgesetzt - dieser Mager-Look ist heute nicht mehr gefragt.

Von perfekten Foto-Schönheiten sollte sich niemand einschüchtern lassen: Ohne Make-up und schmeichelhaftes Licht sehen viele Models eher durchschnittlich aus. Umgekehrt kann man auch normale Frauen sehr schön fotografieren. Ich arbeite gern mit Nicht-Models, das finde ich spannend. Am besten sehen Frauen aus, die sich beim Fotografieren wohl fühlen - egal ob Model oder Nicht-Model. Die Bilder im Nachhinein zu retuschieren, also zu dünne Arme dicker zu machen oder Gesichter zu glätten, empfinde ich als Betrug. Wohin das führt, kann man bei Fernsehzeitschriften beobachten: Die Promis auf den Titeln sind leider kaum zu unterscheiden.

Protokoll: Martina Behm

Karl Lagerfeld: "Die neue Generation von Models hat sehr schmale Knochen"

Karl Lagerfeld, 67, ist Designer bei Fendi, Lagerfeld Gallery und Chanel. Er hat die Karrieren vieler Models, unter anderem die von Claudia Schiffer, entscheidend gefördert. BRIGITTE-Redakteurin Anne Petersen fragte ihn, warum Models eigentlich so dünn sein müssen.

Es gibt Models, die sind gut für Fotos und Mädchen, die sind gut für Schauen. Die Mädchen für die Haute Couture müssen zwangsläufig sehr dünn sein, denn ich fertige die Kleider auch auf sehr dünnen Mädchen. Das bedeutet, ich passe sie genau an.

Wenn die Kleider fertig sind, kann man sie nicht nachträglich weiter machen. Dafür ist keine Zeit. Wenn die Models einen Tag vor der Schau zur Anprobe kommen, dann passen die Entwürfe, oder sie passen nicht. Die Mädchen müssen einfach den gleichen Körper haben wie die, mit denen ich vorher gearbeitet habe. Und die haben einfach einen perfekten Körper.

Natürlich gibt auch andere Models, die mir sehr gut gefallen und die ich gerne mag, aber die kommen eben nicht in meine Entwürfe rein. Ich möchte diese Mädchen der neuen Generation, die ganz schmale Knochen haben - einen beinahe zerbrechlichen, aber natürlich nicht krankhaften, schlanken Körper.

Franziska Knuppe: "Top-Model sind Profis, die wissen, was sie tun"

Franziska Knuppe, 31, wurde 1997 von Wolfgang Joop beim Kellnern in einem Potsdamer Café entdeckt. Heute zählt sie zu den internationalen Top-Models und arbeitet mit Fotografen wie Peter Lindbergh oder Michel Comte.

BRIGITTE: Sind Sie ein Vorbild?

Franziska Knuppe: Wenn es so wäre, würde mich das sehr stolz machen.

BRIGITTE: Obwohl der Modelberuf im Moment sehr kritisiert wird, weil die superdünnen Mädchen das Körperbewusstsein junger Frauen immer mehr beeinflussen?

Franziska Knuppe: Die Models, an denen sich diese jungen Frauen orientieren, sind Topmodels, also echte Profis, die genau wissen, was sie tun und sich richtig und gesund ernähren. Keine von denen ist magersüchtig. Wäre das so, würden sie nicht einen einzigen Arbeitstag überstehen. Models, die krank sind, können nicht erfolgreich arbeiten.

BRIGITTE: Und trotzdem riskieren viele Mädchen ihre Gesundheit beim Versuch, ihren Körper auf Idealmaße zu trimmen.

Franziska Knuppe: Natürlich ist Magersucht eine schreckliche Krankheit, sie aber ausschließlich mit dem Modelling zu verbinden, ist schlichtweg falsch. Essstörungen treten aus den unterschiedlichsten Gründen auf; es gibt sie zum Beispiel sehr oft bei Hochleistungssportlern, die allgemein ja eher als „kerngesund“ gelten.

BRIGITTE: Für immer mehr Teenager ist Modeln der Traumjob. Was macht die Faszination Ihres Berufes aus?

Franziska Knuppe: Viele Mädchen sehen nur Glamour, Geld und Jetset – eben genau das, was die Medien ihnen vom Traumberuf „Model“ zeigen. Die meisten ahnen nicht mal, dass viel mehr dahinter steckt.

BRIGITTE: Nämlich was?

Franziska Knuppe: Harte Arbeit, Zwölf-Stunden-Tage und viele Reisen. Das alles erfordert unheimlich viel Disziplin. Für mich persönlich macht aber genau das den Reiz des Modelseins aus. Deshalb bin ich seit fast neun Jahren mit meinem Herzen dabei.

- Programmhinweis: "Germany's Next Top Model", ProSieben, mittwochs, 20.15 Uhr

Mehr zum Thema

VG-Wort Pixel