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Kopfkarussell Der Wolf als Plage? Wir müssen aufhören zu denken: Uns gehört die Welt!

Ein Wolf steht im Wald
© Martin Mecnarowski / Shutterstock
Canis lupus – oder: der Wolf. Immer wieder ist er Gegenstand angeregter Diskussionen: Er solle verschwinden, ängstige Spaziergänger:innen im Wald oder habe im "Blutrausch" eine Herde Schafe getötet. Aber haben wir als Menschen das Recht, einem anderen Tier den Lebensraum zu entsagen? Nein, sagt unsere Autorin – wir müssen endlich über unser Alleinherrschaftsdenken hinwegkommen.

Immer wieder gehen neue Schreckensnachrichten durch die Medien: Ein Wolf wurde in einem Dorf gesichtet, Kinder wurden angefallen, der Wolf hat im "Blutrausch" getötet. Ich persönlich ärgere mich über diese Fixierung auf den ach so bösen Wolf, wenn es doch eigentlich wir Menschen sind, die mit dem Zusammenleben Probleme haben und unsere eigenen Nutztiere nicht schützen können. Wir haben es hier immerhin nicht mit Löwen, Jaguaren oder Tigern zu tun, sondern mit Tieren, die grundsätzlich einen Bogen um Menschen machen – außer wir bieten ihnen ein fleischlastiges Buffet.

Was ist an den Wölfen eigentlich so gefährlich?

Zunächst einmal ein paar Fakten: Der Forscher Dr. John Linnell vom Norwegischen Institut für Naturforschung (NINA) hatte bereits im Jahr 2002 eine Studie zu Übergriffen von Wölfen auf Menschen veröffentlicht, die er zusammen mit seinem Team 2020 wiederholte. Dabei kam heraus, dass es in einem Zeitraum von 2002 bis 2020 weltweit 489 Übergriffe von Wölfen auf Menschen gab, 26 davon verliefen tödlich.

Schaut man sich nur die Beißstatistik von Berlin im Jahr 2020 an, zeigen sich 452 gemeldete Fälle von Hunden, die Menschen gebissen haben, mindestens 67 wurden dabei schwer verletzt, Tote gab es nicht.

Wir können uns an ein Zusammenleben mit dem Wolf nicht gewöhnen

Also von welcher Bedrohung durch die Wölfe sprechen wir denn nun? Die Forscher:innen der NINA-Studie kommen zu dem Ergebnis: Ein Angriff durch einen Wolf, wie auch durch andere Wild-, Nutz- oder Haustiere, kann niemals völlig ausgeschlossen werden. Die Wahrscheinlichkeit dafür ist jedoch äußerst gering. Also geht es um das Töten von Nutztieren?

Das Problem von uns Menschen: Wir haben uns an ein Leben in Nachbarschaft mit einem Jäger noch nicht gewöhnt und wollen es vielleicht auch gar nicht, denn eigentlich sind es doch wir, die die Tiere jagen und auf unseren Speiseplan verfrachten.

Doch eines vergessen wir dabei: Der Wolf war einst das am meisten verbreitete Lebewesen neben den Menschen auf der Welt – bis zur Jungsteinzeit waren Wölfe fast auf der gesamten Nordhalbkugel zu finden. Heute leben sie nur noch auf weniger als zwei Dritteln des ursprünglichen Lebensraums, aus vielen Teilen Europas sind sie ganz verschwunden. Und warum? Weil wir Menschen den Störfaktor einfach ausgerottet haben.

Statt den Wolf zu bejagen, sollten wir unsere Nutztiere schützen

Ja, der Wolf reißt Schafe und macht auch vor kleinen Ponys nicht halt. Aber das liegt in der Natur der Sache. Für den Jäger ist eine wehrlose Horde Hausschafe deutlich einfacher zu bejagen als wehrhaftes und flüchtendes Rotwild. Eigentlich ist das Fangen und Töten von Beutetieren nämlich aufwändig für den Wolf – häufig kommt er ohne Beute heim.

Anders als Wildtiere haben Hausschafe aber keine funktionierende Flucht- oder Verteidigungsstrategie, so die Dokumentations- und Beratungsstelle des Bundes zum Thema Wolf. Das Töten vieler Tieren auf einmal liegt daran, dass der Wolf die Gelegenheit nutze, um sich einen "Vorrat" anzulegen – umgangssprachlich spricht man hier vom "Blutrausch", eigentlich nennt sich das "Beuteschlag-Reflex". Der Jagdinstinkt des Tieres wird immer wieder ausgelöst, weil die Beute auf der eingezäunten Fläche nicht entkommen kann. Ein bisschen wie im Sonderangebot, daran kommen die meisten Menschen auch nicht vorbei.

Doch anstatt sich zu überlegen, wie wir die Nutztiere vor den Jägern schützen können, schreien die Menschen nach einer "Entnahme", was nichts anderes bedeutet als den Wolf, der Ärger macht, abzuschießen. Aber warum bestrafen wir die Tiere dafür, dass wir es nicht gebacken bekommen, mit ihnen zusammenzuleben? Richtig, weil es bequemer ist. Herdenschutzhunde sind nicht billig, und die Ausbildung kostet Zeit und Geld. Herdenschutzzäune sind trotz Subventionierungen ebenfalls nicht günstig und häufig sogar zu niedrig. Aber daran lässt sich doch arbeiten.

Wir Menschen haben keine Besitzanspruch auf diesen Planeten

Unser Besitzanspruch auf diesen Planeten steht uns immer wieder im Weg. Doch wir sind nun mal nicht die einzigen Bewohner:innen. Das bedeutet nicht, dass die Sorgen und Nöte der Schäfer:innen und Bauern und Bäuerinnen nicht Gehör finden sollen, ganz im Gegenteil – ihre Arbeit ist wichtig, schaut man nur auf die vielen Deiche in Norddeutschland. Nur müssen wir aufhören, den Wolf dafür verantwortlich zu machen, dass wir nicht mit ihm koexistieren können. Der Schutz der Nutztiere sollte im Fokus stehen, nicht die Bejagung des Wolfes.

Und ganz ehrlich, so schlimm scheint der Wolf dann ja doch nicht zu sein, wenn wir Menschen anfangen, uns Wolfhunde zu züchten – Kreuzungen aus Wölfen und Haushunden. Das wird illegal vorgenommen, denn erlaubt ist eine Kreuzung von Haus- und Wildtieren nicht. Trotzdem tauchen diese Tiere immer wieder in den Wohnzimmern auf. Dieses Mystische, Urtümliche fasziniert so lange, bis der Wolf durchkommt und der niedliche Welpe zu einem wilden Tier wird. "Normale" Tierheime können Wolfhunde übrigens meist nicht aufnehmen.

Verwendete Quellen: berlin.de, nabu.de, dbb-wolf.de

Brigitte

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