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Der Fall Suzana L.

Im Juli brachte BRIGITTE einen großen Report über die Hintergründe des Mordes an der 25-jährigen Suzana L. in Stuttgart. Über den Prozess gegen ihren Ex-Mann haben wir hier regelmäßig berichtet. Nun wurde das Urteil verkündet.

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Die Chronik eines angekündigten Mordes Lesen Sie hier den Report von BRIGITTE-Mitarbeiterin Nina Poelchau über einen Mord, der hätte verhindert werden können.

Das Urteil: Lebenslange Haftstrafe für Ehrenmord an Suzana L.

Avdyl L. ist heute vom Landgericht Stuttgart wegen Mordes an seiner Ex-Frau Suzana zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Die Richter stellten die besondere Schwere der Schuld fest - was bedeutet, dass der Kosovo-Albaner nicht nach 15 Jahren auf freien Fuß kommen kann. Vorsitzender Richter Wolfgang Pross sprach von einem "Ehrenmord". Avdyl L. habe den Mord an Suzana bewusst spektakulär ausgeführt. Der 32-Jährige hatte Suzana im Stuttgarter Flughafen vor rund 100 Zeugen erschossen. Die Frau wollte in den Kosovo fliegen, um ihre beiden kleinen Töchter wiederzusehen.

"Dieser Fall unterscheidet sich von anderen Tötungsdelikten in zwei Punkten: Nämlich darin, wie und wo die Tat ausgeführt wurde", sagte Richter Pross. Der gewaltsame Tod Suzanas komme einer Hinrichtung gleich und sei an einem Platz verübt worden, an dem man sich gemeinhin sicher fühle. "Der Angeklagte hat bewusst eine große Öffentlichkeit gewählt, um vor der Welt zu beweisen, dass er seine Ehre verteidigt", führte Pross aus.

Der Richter nahm zu Beginn der Urteilsbegründung die Ermittlungsbehörden in Aschaffenburg, den Familienrichter und den Polizeibeamten am Stuttgarter Flughafen in Schutz. Suzana habe in Aschaffenburg nach ihrer Anzeige gegen ihren Ex-Mann wegen Körperverletzung und Vergewaltigung widersprüchliche Angaben gemacht. Eine Anklage sei auf dieser Basis nicht möglich gewesen. Auch dem Familienrichter könne man nicht vorwerfen, dass er in seinem Beschluss zum Umgangsrecht Suzanas mit ihren Kindern im Kosovo das Abflugdatum vermerkt habe. Denn der Antrag sei von Suzana gekommen. Sie habe zum Todestag ihres Bruders in den Kosovo fliegen und dabei ihre Kinder besuchen wollen. Auch der Polizist am Flughafen, an den sich die 25-Jährige kurz vor der Bluttat gewandt hatte, trage keine Schuld. Er habe keine Gefährdungssituation erkennen können, so Pross. Suzana hatte noch zu ihm gesagt: "Hier kann nichts passieren. So viele Leute."

Im November 2000 hatte das Paar im Kosovo nur eine Woche nach dem Kennenlernen geheiratet. 2002 folgte Suzana ihrem Mann ins fränkische Elsenfeld, wo sie bei seinen Eltern wohnte. Und wo sie wie eine Sklavin gehalten wurde. "In völliger Unselbstständigkeit", sagte Pross. Die Kammer sei sicher, dass Avdyl L. Suzana misshandelt habe. Die junge Frau erlitt zwei Fehlgeburten, brachte 2004 und 2005 aber auch zwei Mädchen zur Welt. Doch die gewalttätigen Übergriffe blieben an der Tagesordnung. Im Mai 2006 floh Suzana ins Frauenhaus nach Aschaffenburg und schließlich zu ihren Eltern in den Kosovo. Dort habe sie aber auch keine Unterstützung erfahren, so Pross. "Eine Frau gehört zu ihrem Mann", habe man ihr gesagt. Im Oktober 2006 wurde die unselige Ehe im Kosovo geschieden. Suzana willigte unter Druck ein, dass Avdyl L. das Sorgerecht für die Mädchen bekommt. Wieder zurück in Deutschland begann die zusehends selbstbewusster werdende Frau, um ihre Mädchen zu kämpfen. Sie zeigte ihren Ex-Mann an und beantragte, die Pässe der Kinder einzuziehen. Suzana wusste, warum. Denn als die 25-Jährige das Sorgerecht beantragte, schaffte Avdyl L. die Mädchen sofort zu seiner Familie in den Kosovo. Schließlich sprach der Familienrichter Suzana das Umgangsrecht zu. "Jetzt beschloss der Angeklagte, Suzana zu töten. Er fühlte sich in seiner Ehre verletzt", sagte der Richter. Suzana hatte es "gewagt", ihn zu verlassen, ihn anzuzeigen und um die Kinder zu kämpfen.

Also fuhr er am 31. Oktober zum Flughafen Stuttgart, trat an Suzana heran und schoss ihr aus einem Meter Entfernung in die Seite. Schon dieser Schuss war tödlich. Dann leerte der Mann das Magazin der Tokarev - er schoss der sterbenden Frau fünfmal in den Kopf. Anschließend spuckte er auf sein Opfer und "verließ mit einem zufriedenen Gesichtsausdruck den Tatort", so Richter Pross.

Avdyl L. habe aus Heimtücke und niedrigen Beweggründen gehandelt. Er habe Suzana das Lebensrecht abgesprochen, seine Tat sei verachtenswert und stehe auf sittlich tiefster Stufe. Zudem habe der Mörder viele andere Menschen in der Schalterhalle seelisch massiv in Mitleidenschaft gezogen. Etliche Zeugen litten noch heute unter psychischen Problemen. Deshalb, und weil Avdyl L. seine Reue in seinem letzten Wort nur geheuchelt habe, wiege seine Schuld besonders schwer, stellte das Gericht fest. Sein Verteidiger wird Revision einlegen, um den Zusatz der besonderen Schuldschwere überprüfen zu lassen.

Interview: So beurteilt Terre des Femmes den Ausgang des Prozesses

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Brigitte.de: Lebenslänglich für Avdyl L. - ist das in Ihren Augen ein gerechtes Urteil?

Myria Böhmecke: Ja, wir sind mit diesem Urteil sehr zufrieden. Die besondere Schwere der Schuld war eindeutig bewiesen. Zum einen, weil sich im Prozess herausgestellt hat, dass Avdyl L. zur Tatzeit durchaus zurechnungsfähig war - und nicht im Affekt gehandelt hatte, wie von ihm behauptet. Zum anderen konnte man nachweisen, dass er seine Frau schon vor dem Mord misshandelt hatte. Seine Behauptung, er und die Kinder seien von seiner Frau bedroht worden, war also eine Lüge.

Brigitte.de: Ist der Fall Suzana L. damit für Terre des Femmes abgeschlossen?

Myria Böhmecke: Nein, denn es ist nach wie vor nicht geklärt, was aus Suzanas Kindern wird. Sie befinden sich immer noch im Kosovo bei den Eltern des Täters. Diese haben zeitweise auch in Deutschland bei Avdyl L. in der Wohnung gelebt und seine Misshandlungen geduldet. Darum ist es in unseren Augen unverantwortlich, die Kinder in der Obhut dieser Familie zu lassen.

Brigitte.de: Haben Sie bereits versucht, etwas dagegen zu unternehmen?

Myria Böhmecke: Da sich die Behörden nicht mehr für die Kinder zuständig fühlen, haben wir Familienministerin Ursula von der Leyen einen Brief geschrieben und ihr die Situation geschildert. Sie ließ den Fall vom Staatsministerium prüfen - doch dort kam man zum Schluss, dass alles perfekt gelaufen sei. Man nimmt nach wie vor die Mitarbeiter des Jugendamts in Schutz, obwohl diese nicht adäquat auf Suzanas Hilferufe reagiert hatten. Wir finden das unmöglich, und werden uns weiter für Suzanas Kinder einsetzen.

Brigitte.de: Haben Sie das Gefühl, dass der tragische Fall ein Umdenken ausgelöst hat? Bemühen sich Ämter, Polizei, Frauenhäuser nun darum, Frauen wie Suzana besser zu schützen?

Myria Böhmecke: Leider konnten wir bisher nicht feststellen, dass sich etwas verändert hat. Es wird Frauen mit Kindern immer noch schwer gemacht, sich vor ihren gewalttätigen Männern in Sicherheit zu bringen. So verlangen die Behörden von den Frauen oft, dass sie die Adresse ihres Verstecks angeben - schließlich habe auch der Vater ein Recht, seine Kinder zu sehen. Selbst in Fällen, in denen die Männer mit Mord gedroht hatten, kam das schon vor. Hier muss sich dringend etwas ändern, und dafür werden wir uns weiter einsetzen.

Brigitte.de: Sie haben sicherlich schon ähnliche Prozesse miterlebt - ist ein so eindeutiger Prozessverlauf wie in diesem Fall eher die Ausnahme?

Myria Böhmecke: Nein, das kann man nicht sagen. Gerade bei schweren Verbrechen mit einem großen Medieninteresse bemüht man sich doch sehr um eine gründliche Aufklärung und ein gerechtes Urteil. Allerdings kam es durchaus schon vor, dass Täter wegen ihres kulturellen Hintergrunds mit milderen Strafen davon kamen. Nach dem Motto: Er wusste es ja nicht besser.

Brigitte.de: Haben Sie durch den Fall Suzana auch Rückmeldungen von anderen Betroffenen bekommen?

Myria Böhmecke: Generell ist es schon so, dass sich durch die öffentliche Diskussion mehr Frauen ermutigt fühlen, sich bei uns zu melden. Zu spüren ist das vor allem, wenn es Opfer selbst wagen, an die Öffentlichkeit zu gehen und andere Frauen auffordern: Versteckt Euch nicht, wehrt Euch gegen die Gewalt. Das ist sehr wichtig für unsere Arbeit, da wir so Betroffene erreichen, an die wir sonst nicht herankommen.


Text: George Stavrakis Interview: Michèle Rothenberg

Auf den folgenden Seiten können Sie den Verlauf des Prozesses nachlesen.

18.9.: Der Prozess beginnt

"Ich habe so lange geschossen, bis keine Kugel mehr da war." Der Prozess vor dem Stuttgarter Landgericht gegen den mutmaßlichen Mörder von Suzana L. begann mit einem Geständnis des Angeklagten Avdyl L. Der 32-Jährige hatte seine Ex-Frau am frühen Morgen des 31. März dieses Jahres vor den Checkin-Schaltern des Stuttgarter Flughafens förmlich hingerichtet. Die 25-Jährige wollte an jenem Morgen zu ihren beiden kleinen Töchtern nach Pristina fliegen. Avdyl L. hatte die Mädchen nach der Scheidung gegen Suzanas Willen zu seinem Bruder in den Kosovo gebracht.

Er habe Angst gehabt, Suzana L. könne den Kindern etwas antun, behauptete Avdyl L. jetzt vor dem Gericht. "Ich wollte nur mit ihr reden", das habe seine Ex-Frau aber mit Gesten abgelehnt. Schließlich trat Avdyl L. um 6.10 Uhr auf Suzana L. zu und feuerte auf sie. Als sie von einem Rumpfsteckschuss zu Boden gesunken war, schoss er ihr noch fünfmal in den Kopf. Danach soll der Täter auf die Tote gespuckt haben. Noch im Flughafen-Parkhaus wurde er festgenommen.

Vor Gericht stellte sich der Täter als Opfer von Verleumdungen seiner Frau dar. Ihre Vorwürfe, er habe sie in ihrer Ehe misshandelt und vergewaltigt, würden nicht stimmen. Vielmehr habe sie ihm gedroht, sie werde ihm etwas antun, an dem er sein Leben lang zu leiden habe.

Tatsächlich war Suzana L. Ende September 2006 nachts in ein Frauenhaus in der Nähe von Obernburg in Franken geflohen, nachdem sie zum wiederholten Male von ihrem Mann geschlagen worden sein soll.

Das Gericht setzte den Beteuerungen des Angeklagten, er habe seine Frau nicht misshandelt oder vergewaltigt, am heutigen ersten Prozesstag eine Videovernehmung von Suzana L. entgegen. Zwei Monate vor ihrem schrecklichen Tod hatte die 25-Jährige das Amtsgericht Aschaffenburg aufgesucht. Im Video berichtet sie von den Misshandlungen und Vergewaltigungen ihres Mannes. Dadurch habe sie zwei Fehlgeburten erlitten, so die Frau. Die Erschütterung im Gerichtssaal während der Videovorführung war mit Händen zu greifen.

25.10.: Suzanas ehemalige Anwältin spricht von einem Skandal

Die ehemalige Anwältin der Suzana L. hat am 25. Oktober im Zeugenstand vor dem Landgericht Stuttgart ein bitteres Fazit gezogen. Der ganze Fall sei ein Skandal, so die Juristin aus Künzelsau, die die 25-jährige Suzana im Streit um ihre beiden Töchter vertreten hatte.

"Es ist ein Skandal, dass eine Frau in Deutschland wie eine Sklavin gehalten und geschlagen wird, sie fliehen muss, ihr die Kinder weggenommen werden, sie in Todesangst lebt - und keinen interessiert es, keiner hilft", so die Familienrechtlerin.

Die junge Frau aus dem Kosovo hatte sich Ende Juli 2006 an die Anwältin gewandt, um das Sorgerecht für ihre beiden kleinen Töchter zu bekommen. Zuvor war Suzana aus der Familie ihres Mannes Avdyl L. in Elsenfeld in Franken geflohen und hatte Unterschlupf im Frauenhaus Aschaffenburg gefunden.

Die Sozialpädagogin des Frauenhauses Aschaffenburg sprach vor den Richtern von einem "drei Jahre währenden Martyrium" Suzanas. "Das war der erste Fall, bei dem ich selbst Angst um mein Leben hatte", so die Pädagogin.

Dennoch blieb der Kampf der jungen Frau um ihre Kinder, die ihr Mann noch vor dem Termin des Familiengerichts zu seinen Verwandten ins Kosovo geschafft hatte, erfolglos. Das Jugendamt Obernburg ließ sich abwimmeln, das Familiengericht versäumte es, die Pässe der Mädchen einzuziehen - trotz des Antrages von Suzanas Anwältin. Auch Besuche bei den Kindern seien vom Ex-Mann Suzanas, der sie im Juni 2006 im Kosovo unter Drohungen die Scheidungspapiere habe unterschreiben lassen, verhindert worden, so die Anwältin.

Am 31. März dieses Jahres wollte Suzana zu ihren Töchtern in den Kosovo fliegen - auf Einladung des Anwalts ihres Ex-Mannes, sagt sie weiter. Der Anwalt habe noch mitgeteilt, Suzana sei dort sicher. "Zwei Tage davor war sie bei mir in der Kanzlei", erklärt die Juristin. Sie habe der 25-Jährigen gesagt, man könne sie im Kosovo nicht schützen, sie begebe sich in Todesgefahr. "Aber sie wollte zu den Mädchen."

Am Flughafen Stuttgart starb Suzana L. dann einen furchtbaren Tod. "An Stelle des Gegenanwalts könnte ich nicht mehr ruhig schlafen", sagt die Zeugin.

15.11.: Laut psychiatrischem Gutachten ist Avdyl L. "voll schuldfähig"

"Der des Mordes an seiner 25-jährigen Ex-Frau Suzana angeklagte Avdyl L. ist voll schuldfähig." So lautete das Fazit des psychiatrischen Gutachers Dr. Peter Winckler. Er stellte seine Expertise heute vor der 1. Strafkammer des Landgerichts Stuttgart vor.

Avdyl L., der Suzana am 31. März dieses Jahres am Stuttgarter Flughafen mit fünf Kopfschüssen förmlich hingerichtet hatte, habe die Tat nicht im Affekt und auch nicht in Folge einer Persönlichkeitsstörung begangen, so Winckler. Der Gutachter betonte, er habe bei dem Angeklagten keine spürbare Betroffenheit festgestellt: "Er ist sehr kontrolliert und zeigt keine spontanen emotionalen Reaktionen." Der 32-Jährige leide nicht unter einer Affektstörung, sei emotional nicht instabil und weise auch keine Belastungsstörung durch die Trennung von seiner Frau auf. Zudem habe er die Tat mit "ungeheurer Effizienz und in archaischer Art und Weise" begangen. Auch das spreche gegen eine Affekthandlung. Der gebürtige Kosovo-Albaner sei vollständig schuldfähig.

Zuvor hatten mehrere ehemalige Freundinnen des Angeklagten ausgesagt. Sie beschrieben den Mann als "ganz lieben Kerl" und "charmanten Wunschpartner". Ob sie aus völlig freien Stücken aussagten, bleibt unklar. Etliche Zeugen haben jedenfalls geäußert, massive Angst vor dem Angeklagten und seiner Familie zu haben.

Einen wenig souveränen Eindruck hinterließ die Rechtspsychologin im Zeugenstand. Sie hatte Suzana damals bei ihrer Aussage gegen ihren Ex-Mann wegen Körperverletzung und Vergewaltigung begutachtet. Die Psychologin sagte zwar aus, es sei klar gewesen, dass Suzana massiver körperlicher Gewalt ausgesetzt gewesen sei. Aber Suzanas Aussagen seien widersprüchlich gewesen und sie habe die Übergriffe zeitlich nicht einordnen können. Auch sei sie traumatisiert und deshalb nicht zeugenfähig gewesen. Eine Aussage, die einen Schöffen zu der Frage provozierte: "Was für eine Chance haben dann Frauen, die Gewalt erfahren? Da führt man doch nicht Buch."

29.11.: Plädoyers - Anwälte zeichnen verschiedene Bilder von Avdyl L.

"Suzana ist erschossen worden, weil sie ihre Kinder sehen wollte", zitiert Staatsanwalt Thomas Schek die Frauenhilfsorganisation Terre des Femmes am Beginn seines Plädoyers vor den Richtern der 1. Strafkammer des Landgerichts Stuttgart. Schek beantragt eine lebenslange Freiheitsstrafe gegen Avdyl L. Der 32-jährige Kosovo-Albaner habe seine ehemalige Frau Suzana heimtückisch und aus niedrigen Beweggründen mit "ungeheurer Effizienz und absolutem Vernichtungswillen" förmlich hingerichtet. Deshalb wiege die Schuld des Angeklagten besonders schwer, so Ankläger Schek.

Er skizziert noch einmal die Leidensgeschichte der 25-jährigen Suzana, die Avdyl L. im November 2000 kennengelernt und innerhalb von nur einer Woche im Kosovo geheiratet hatte. Und die am frühen Morgen des 31. März dieses Jahres im Terminal 3 des Stuttgarter Flughafens von eben diesem Mann mit fünf Schüssen in den Kopf getötet wurde. Suzana L. war auf dem Weg in den Kosovo, um dort ihre beiden kleinen Töchter zu besuchen.

Wie eine Sklavin habe Avdyl L. seine junge Frau in der elterlichen Wohnung im fränkischen Elsenfeld gehalten. Sie habe kein Deutsch lernen und die Wohnung so gut wie nie verlassen dürfen. Ab Januar 2003 hätten die gewalttätigen Übergriffe des Türstehers auf Suzana überhand genommen. "Er hat sie geschlagen, getreten, gewürgt und vergewaltigt", sagt der Staatsanwalt. Die Folge: In den Jahren 2003 und 2004 habe die Frau zwei Fehlgeburten erlitten. Ein Arzt verschrieb Suzana Medikamente und empfahl ihr, drei Jahre lang nicht mehr schwanger zu werden. Der Angeklagte habe das Rezept zerrissen und sie angeherrscht: "Du gebärst, bis du stirbst."

Trotz ihrer schlimmen Situation brachte Suzana 2004 und 2005 zwei gesunde Töchter zur Welt. Nach weiteren Misshandlungen flüchtete sie im Mai 2006 in ein Frauenhaus in Aschaffenburg. Ihre Töchter ließ sie aus Angst vor Entdeckung zurück. Im Kosovo wurde die Ehe geschieden, Suzana soll gezwungen worden sein, Avdyl L. das Sorgerecht für die Kinder zu übertragen.

Suzana begann, um ihre Töchter zu kämpfen. Sie zeigte ihren Ex-Mann wegen der Misshandlungen an und beantragte das Umgangsrecht mit den Töchtern. "Am 28. März wurde dem Angeklagten der positive Bescheid zugestellt - das war Suzanas Todesurteil", sagt Ankläger Schek. Er habe nicht ertragen können, dass sich seine ehemalige Frau hoch erhobenen Kopfes gegen ihn stellt. Der Mann habe sich in seiner Ehre verletzt gefühlt.

Am 31. März wollte die junge Frau zu den Mädchen fliegen, die Avdyl L. zuvor ohne Absprache einfach zu seiner Familie in den Kosovo gebracht hatte. Der 32-Jährige schoss vor fast hundert Zeugen - darunter viele Kinder - auf Suzana. Erst traf er sie in den Rumpf, dann schoss er der Sterbenden fünfmal in den Kopf. Schließlich spuckte er auf die Frau und floh. Suzana verblutete. Neben ihr stand ein Koffer voller Süßigkeiten für ihre Mädchen.

Staatsanwalt Schek beschreibt den Angeklagten als abgebrüht, kaltblütig und überheblich. Reue habe er nur geheuchelt. Lebenslang mit besonderer, schwerer Schuld - so müsse das Urteil lauten.

Verteidiger Werner Haimayer zeichnete ein anders Bild von Avdyl L. Er zog die Misshandlungen, für die es keine Zeugen und keine ärztlichen Befunde gebe, in Zweifel. Suzana habe ihrem Ex-Mann nach der Trennung gedroht, sie werde ihm etwas antun, an dem er sein ganzes Leben zu leiden habe. Das habe sein Mandant nur auf die Kinder beziehen können. Avdyl L. sei schwer getroffen gewesen von den "falschen Anschuldigungen" seiner Ex-Frau. Er habe Suzana am Flughafen nicht geplant hingerichtet. Vielmehr habe er, "ein seelisch erschütterter Mensch", aus Sorge um die Kinder gehandelt. Die Situation sei eskaliert. Die Richter sollten auf die Feststellung der besonderen Schwere der Schuld verzichten.

Text: George Stavrakis Interview: Michèle Rothenberg Foto: Andrew Testa

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