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Deepfake-Pornos Der Fotoklau im Netz

Deepfake-Pornos: Eine junge Frau sitzt neben ihrem Laptop auf dem Bett
© kite_rin / Adobe Stock
Es kann jeder Frau passieren, die Fotos von sich ins Netz stellt: Ihre Porträts werden in Porno-Videos montiert. Dagegen vorzugehen, ist kompliziert, teuer – und oft aussichtslos. Ein Bündnis von Aktivistinnen will das ändern.

"Einfach surreal" – so habe es sich für sie angefühlt, sagt Bella, als sie sich im Herbst 2022 in einem Porno im Internet wiederfand. Eine Reporterin hatte die 30-jährige Influencerin darauf aufmerksam gemacht, dass Unbekannte offenbar Fotos und Videos von ihrem Gesicht auf den Körper einer Darstellerin in einem Sexfilm montiert hatten. Bei genauem Hinsehen sei die Fälschung zwar erkennbar gewesen, "erschreckend gut gemacht war es trotzdem", sagt Bella, die im Netz als "Mrs. Bella" bekannt ist. "Die Tatsache, dass Menschen gezielt nach solchen Videos mit mir suchen und sich tatsächlich anschauen, hat mich schockiert."

Ein Porträt wie es fast jede und jeder in sozialen Medien von sich teilt: Mehr braucht es nicht, um ein Gesicht in einen Porno hineinzufälschen – und zwar so, dass man nicht oder zumindest nicht sofort feststellen kann, ob es auch wirklich zum jeweiligen Körper gehört. Meist trifft dieses Face Swapping Frauen, Influencerinnen etwa wie Bella oder Spitzenpolitikerinnen wie Annalena Baerbock, aber auch Nicht-Prominente finden sich in sogenannten Deepfake-Pornos wieder. "Die Gefahr, selbst Opfer zu werden, hängt wie ein Damoklesschwert über Frauen", sagt Anna-Lena von Hodenberg. Sie leitet die Organisation HateAid, die Opfer von Gewalt und Hass im Internet unterstützt.

Unter einem Deepfake versteht man Bilder oder Videos, die mit künstlicher Intelligenz manipuliert werden. Die Technologie ist ebenso faszinierend wie furchteinflößend: Sie kann etwa helfen, verstorbene Schauspieler:innen in Filmen zum Leben zu erwecken – aber auch missbraucht werden. Und genau das geschieht immer häufiger. "Früher brauchte es viele verschiedene Bilder und viel technisches Verständnis, um das Gesicht einer Person in einen Porno zu montieren", sagt von Hodenberg. Heute genügten ein Foto, eine Faceswap-App und wenige Klicks, um die Reputation eines Menschen zu zerstören.

Warum werden diese Videos erstellt?

Die Collagen landen auf Porno-Websites oder bei Anbietern wie Mr. Deepfakes. Dort finden sich unzählige Filme dieser Art. Die Betroffenen erfahren meist zufällig davon. Etwa wenn Freund:innen sie in einem Video erkennen. Oder Arbeitgebende fordern, den zwielichtigen Nebenjob doch bitte bleiben zu lassen.

Die Motive der Täter sind unterschiedlich: Sie wollen sich an Ex-Partnerinnen rächen, sexuelle Fantasien befriedigen, manche handeln aus purem Frauenhass. Die Muster seien oft ähnlich, sagt Anna Lehrmann, die für den Verein "Frauen helfen Frauen" auch Opfer digitaler Gewalt berät. "Sie erstellen manipulierte Bilder oder Videos und drohen den Frauen damit, diese zu veröffentlichen, wenn sie nicht tun, was die Täter wollen."

Die Betroffenen befänden sich danach oft in Schockstarre, viele empfänden Scham, gäben sich selbst die Schuld. Dabei könne man fast nichts tun, um sicherzugehen, nicht in einem Deepfake-Porno aufzutauchen. "Dafür dürfte man sich nicht im digitalen Raum bewegen und keine Fotos von sich im Internet veröffentlichen", sagt Lehrmann. Also nicht mal auf der Website der Firma, bei der man arbeitet. Das klingt fast unmöglich im 21. Jahrhundert – und kann laut Anna-Lena von Hodenberg schlimmstenfalls Frauen davor abschrecken, im Job voranzukommen oder in politische Ämter zu streben. "Das ist eine Waffe gegen Frauen", sagt sie.

Oft sind die Opfer machtlos

Ist das manipulierte Video erst mal im Netz, gibt es wenig Möglichkeiten, sich dagegen zu wehren. Man kann zwar einen Löschantrag bei Google stellen, damit der Film nicht mehr in der Ergebnisliste bei der Google-Fotosuche auftaucht. Doch nicht alle Plattformen reagieren auf Anträge, Videos zu löschen. Und selbst dann kann es zu einem späteren Zeitpunkt an anderer Stelle wieder auftauchen.

"Mrs. Bella" hat das gefälschte Video mithilfe ihres Anwalts löschen lassen. "Ich habe die Mittel, gegen so was juristisch vorzugehen", sagt sie. Zudem sei sie abgehärtet: Als Internetpersönlichkeit bekomme sie fast täglich anzügliche Nachrichten und ungebetene Fotos. "Für Menschen, die nicht in der Öffentlichkeit stehen, sind die Folgen viel schlimmer."

Damit die Opfer von Deepfake-Pornos künftig weniger machtlos sind, haben HateAid und Organisationen wie der "Bundesverband Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe – Frauen gegen Gewalt" im November eine Petition auf der Plattform Weact gestartet und schon in den ersten vier Wochen mehr als 60 000 Unterschriften gesammelt. Mit prominenten Unterstützerinnen wie der SPD-Politikerin Sawsan Chebli oder Mrs. Bella fordern sie vom zuständigen Digitalminister Volker Wissing, das Strafrecht anzupassen.

Strafverfolgung: Das muss sich ändern

Wer heute gegen seinen Willen in einem Deepfake-Porno auftaucht, kann dagegen zwar wegen Verleumdung oder eines Verstoßes auf das Recht am eigenen Bild juristisch vorgehen. Doch meist kommt die Staatsanwaltschaft zum Schluss, die Strafverfolgung liege nicht im öffentlichen Interesse. Dann tragen die Betroffenen die Kosten für das Verfahren, also auch das Risiko. "Das muss sich möglichst schnell ändern", fordert von Hodenberg. Außerdem dringen die Initiatorinnen darauf, dass Apps, die die Manipulation von Pornos zulassen oder sogar dafür werben, aus den App Stores verschwinden.

Dass es grundsätzlich sehr wohl möglich ist, politisch gegen Deepfake-Pornos vorzugehen, zeigt Großbritannien gerade. Dort plant die Regierung, mit einem neuen "Gesetz zur Onlinesicherheit" die Veröffentlichung von intimen Fotos und pornografischen Fake-Videos unter Strafe zu stellen, wenn dies ohne das Einverständnis der Abgebildeten geschah.

Die Influencerin Bella  im Netz bekannt als "Mrs. Bella" – gehört zu den vielen Betroffenen von Deepfake-Pornos. "Ich finde es unglaublich", sagt sie, "dass es überhaupt Portale geben darf, die solche Videos mit den Gesichtern echter Menschen gegen deren Willen verbreiten."

Brigitte

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