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"Deutschland von Sinnen": Das Kalkül des Herrn Pirinçci

Ob in Talk-Shows oder im Feuilleton: Alle diskutieren über "Deutschland von Sinnen" von Akif Pirinçci, aktuell das meistverkaufte Buch bei Amazon. Wir fragen uns: Was ist da los? Ignorieren oder aufregen?

Worum geht es eigentlich? Akif Pirinçci hat ein Buch geschrieben: "Deutschland von Sinnen - Der irre Kult um Frauen, Homosexuelle und Zuwanderer", das am 27. März in dem kleinen Verlag Manuscriptum erschien. Darin stehen Sätze wie: "Vergiss dein Ursprungsland! Und wenn du nur hier bist, um es dir auf unsere Kosten gemütlich zu machen, kannst du gleich wieder abhauen. Assimiliere dich gefälligst!" Der Satz zeigt schon deutlich, wie der Ton des ganzen Buches ist: aggressiv, dümmlich, extrem. Ideal, um das gebildete, linksliberale Bürgertum gegen sich aufzubringen.

Akif Pirinçci, Autor der Polemik "Deutschland von Sinnen"
Autor Akif Pirinçci
© picture-alliance/ dpa

Was steht drin? Auf fast 300 Seiten erbost sich der 54-Jährige über alles, was seiner Meinung nach die Zukunft Deutschlands gefährdet: emanzipierte Frauen, Homosexuelle, Migranten und natürlich die Politik und die Medien. Allen voran seien es aber die muslimischen jungen Männer, die sich eben nicht assimilierten und durch Deutschland zögen, um die deutschen Männer auszurotten und die deutschen Frauen zu vergewaltigen.

Warum müssen wir über so etwas überhaupt reden? Das Buch war innerhalb von wenigen Tagen das meistverkaufte Buch bei Amazon. Die erste Auflage ist bereits ausverkauft. So schlimm es ist: Offenbar hat Akif Pirinçci mit seinen Thesen einen Nerv getroffen. Wer ist dieser Pirinçci eigentlich? Pirinçci, 1959 in Istanbul geboren, kam mit seinen Eltern im Alter von neun Jahren nach Deutschland. Berühmt wurde er mit dem weltweit bekannten Katzenkommissar Francis aus dem Bestseller "Felidae". Sein neues Werk ist, wie im Klappentext steht, sein "erstes Sachbuch". Worüber regen sich alle auf? Pirinçcis Thesen sind hassschürend und menschenverachtend. Pirinçci wütet in seinem Buch nicht nur gegen alles, was ihm in unserer Gesellschaft missfällt - er ist am laufenden Band vulgär, verletzend und diskriminierend. Ständig spricht er vom Ficken, bezeichnet Homosexuelle als Schwuchteln, und ist der Meinung, dass es doch nur eine soziale Konstruktion sei, dass Frauen nicht an den Herd gehörten. Unsachlich ist er darüber hinaus auch: Die Grünen nennt er eine "Kindersexpartei", die Vergewaltigung in der Ehe "zu einem zu einem Phänomen epidemischen Ausmaßes hochstilisiere, dabei wisse doch jeder Depp, dass „gerade Eheleute (...) schon nach zwei Jahren Ehe geradezu nach einer Vergewaltigung betteln, weil im Bett nur noch tote Hose herrscht."

Warum man sich davon nicht provozieren lassen sollte: Das Buch ist eine rein kalkulierte Polemik. Was tut ein Autor, um von sich reden zu machen, wenn Katzenkrimis keiner mehr kauft? Er ist mal ordentlich politisch unkorrekt und macht Minderheiten runter. Gut für ein "Man wird das ja wohl mal sagen dürfen"-Stammtisch-Publikum - allerdings auch ein Grund für Pirinçcis Hausverlag, von einer Veröffentlichung die Finger zu lassen. Diese Taktik haben schon viele andere Autoren angewandt, Sarrazzin lässt grüßen. Außerdem stilisiert sich Pirinçci gerne als Mann, der die Frauen nicht versteht. Ob er nun provokative Sätze von sich gibt wie "Deutsche Frau, du bist die Schönste unter der Sonne!", Dystopien über eine Menschheit ohne Männer schreibt ("Yin", 1997) oder Journalistinnen mit der Frage begrüßt, ob sie ihn heiraten wollen - da kommt einer nicht klar. Ob vorgeschoben oder tatsächlich, ist egal. Es ist wie mit blöden Anmach-Sprüchen: Zuhören lohnt sich einfach nicht.

Was bleibt? Bestimmt keine Diskussion, die unsere Gesellschaft in irgendeiner Weise weiterbringt. Denn Pirinçci stellt nicht konstruktiv in Frage. Er schreit an und ist dabei vor allem eins - viel zu laut.

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